Premiere 25.11.2017
› Schauspielhaus
Die Affäre Rue de Lourcine
Handlung
Es war ein feuchtfröhlicher Abend. Nicht nur ein Glas wurde zu viel getrunken. Die Erinnerung an die letzten Stunden der Nacht sowie die Erinnerung an den Weg nach Hause sind nur noch unscharf vorhanden. Jetzt brummt der Kopf. So geht es Monsieur Lenglumé, als er am Morgen in seinem Bett erwacht. An alle Details der letzten Nacht kann er sich definitiv nicht mehr erinnern. Im Bett neben ihm liegt dann auch nicht seine Frau, sondern ein ihm fremder Mann – Monsieur Mistingue. Was ist passiert? Weitere Indizien geben Rätsel auf: Kohlenstücke in den Hosentaschen der Männer, eine blonde Locke, ein Damenhäubchen und ein Frauenschuh ohne Besitzerin im Schlafzimmer des Herrn Lenglumé. Der Filmriss ist perfekt. Um seine Frau nicht zu beunruhigen, stellt Lenglumé den fremden Bettnachbarn als alten Freund vor. Alle versammeln sich um den Frühstückstisch. Da bestätigt die morgendliche Zeitungslektüre alle Befürchtungen: In der Rue de Lourcine wurde ein Mädchen ermordet. Man nimmt an, dass es sich um zwei Täter handelt ... Eugène Labiche zeichnet in seiner Komödie mit bösem Witz Charaktere am Abgrund. Anstatt nach Aufklärung zu streben, suchen sie nach Vertuschung und sind bereit, lästige Mitwisser skrupellos umzubringen, um die bürgerliche Fassade aufrechtzuerhalten und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen.
Dauer der Aufführung: ca. 1 Stunde und 45 Minuten.
Keine Pause.
Keine Pause.
Besetzung
Regie
Bühne
Kostüme
Tabea Braun
Komposition und Musik
Johannes Mittl
Licht
Michael Gööck
Dramaturgie
Lenglumé, Rentier
Mistingue
Potard, Lenglumés Vetter
Justin, Bediensteter bei Lenglumé
Lukas Rüppel
Norine, Lenglumés Frau
Ursula Hobmair
Ein Kohlenmädchen
Claudia Korneev
Für diese Sogwirkung braucht es äußerste Konsequenz, das zeigen auch die Dresdner. Radikal ernst spielt Torsten Ranft den Lenglumé, der erinnerungslos und verzweifelt nach einer durchzechten Nacht um seinen Verstand kämpft – und später, als er unter Mordverdacht gerät, um sein Leben.
So, wie Michael Talke das Lustspiel von Eugène Labiche inszeniert, muss der Spaß Geschmackssache sein. Aber wer sich am Ende im düpierten und wer im amüsierten Lager befindet, ist längst nicht ausgemacht. Das an Ort und Stelle herauszufinden, ist eine unbedingte Empfehlung.
Thomas Eisen lädt die Neben- zur Hauptrolle auf, wird wohl der nächste Staatsschauspieler, der seine musikalischen Projekte nachhaltig auf die Bühne trägt und damit Stücken den Stempel aufdrückt. Die ‚Affäre‘ ist eine Komödie mit Musik, und wo die anderen Ensemblemitglieder zaghaft ein, zwei Liedchen singen, zeigt Eisen, warum seine Neuen Wunschkonzerte Renner beim Publikum sind. Er parodiert sich durch die Chansongeschichte, holt sich seinen Applaus, und ein Teil davon gebührt auch Tabea Braun, die für Eisen ein aberwitziges, durchaus blödes Vampierkostüm geschaffen hat, das wieder viel über die Konsequenz erzählt, mit der die ‚Rue de Lourcine‘ an den Start geht. Kleider und Masken des Bediensteten Justin (Lukas Rüppel) oder von Lenglumés Frau Norine (Ursula Hobmair) sind ebenso affektiert wie notwendig für das, was die Posse bietet: Belustigung jenseits der Vernunft in einer klassischen Form. Man möchte sogleich von edler Einfalt sprechen.
Regisseur Michael Talke überdreht in der ‚Rue de Lourcine‘ so zielstrebig, dass er eine ganze Welt erzeugt. Und wie die leuchtet.“
Katrin Breschkes Dramaturgie und Talkes Inszenierung nehmen den Filmriss der Protagonisten wörtlich und führen Labiche im Rhythmus der zwanghaften Wiederholung auf, mit vielen Anleihen beim Vaudeville und Stummfilm. Von der dreifach intonierten Vorrede an tummeln sich in diesem kurzweiligen Abend, der in 100 Minuten straff durchgespielt wird, Déjà-vus, die der frühen Psychoanalyse ebenso abgelauscht sein mögen wie der Komiktheorie von Freuds Zeitgenossen Henri Bergson.
Lukas Rüppel glänzt unter seiner Lon-Chaney-Schminke als fabelhaft pampiger Diener, Claudia Korneev sucht als äußerst gesprächige Ermordete Lenglumé in seinen Träumen mit Kafka-Parabeln heim, und Ursula Hobmair erinnert nicht nur mit ihrer Frisur an die fulminante De-Funès-Partnerin Claude Gensac, gibt sie doch mit sanftem Irrsinn das notwendige Gegenstück zu Ranfts famosem Rumpelstilzchen.
Das gut eingespielte Ensemble zaubert mehrere Liedeinlagen (Musik: Johannes Mittl) und Hommagen an die Marx Brothers, Hans Moser und Tom Waits aus dem Hut.“
Der Trumpf dieses äußerst vergnüglichen Theaterabends ist ein blendend aufgelegtes Ensemble. Allen voran Torsten Ranft, der seinem Hangover-geplagten Lenglumé neben aller Hanswurstigkeit auch tragische Tiefe verleiht. Ganz stark Ursula Hobmair als Lenglumés argwöhnische Gattin Norine und Lukas Rüppel als Diener Justin. Beide waten knietief in Slapstick-Komik, stelzen, grimassieren und kreischen in schriller Herbert-Fritsch-Manier – albern natürlich, aber noch haarscharf an der Klamotte vorbei.
Viel Jubel für ein Lustspiel mit wenig Tiefgang zwar, aber dafür hohem Spaßfaktor.“