9 Tage wach
nach dem gleichnamigen Buch von Eric Stehfest und Michael J. Stephan
Handlung
Eingeladen zum 23. Divadelní Flora Festival in Olomouc (Tschechien)
Er nannte sie Christin oder Christ’l und führte nach der ersten gescheiterten Jugendliebe eine jahrelange Beziehung mit ihr. Aufgewachsen vor den Toren Dresdens kommt Eric Stehfest im Alter von 14 Jahren in der Neustadt mit der Partydroge Chrystal Meth in Kontakt. Wäre Eric ein Mädchen geworden, hätte ihm seine Mutter den Namen Christin gegeben, nach dem ersten Rausch wird Crystal für ihn eine Art Ersatzschwester, ab sofort sind Eric und Christin unzertrennlich. Seine Mutter hält trotz Abhängigkeit zu ihm, doch zu Hause lässt es sich mit dem Stiefvater und den kleinen Geschwistern schwer aushalten. Zu den Großeltern besteht loser Kontakt, über Gespräche und Fotoalben erfährt Eric, dass seine Urgroßväter Bomberpiloten im Zweiten Weltkrieg gewesen sind. In dieser Zeit nahmen sie Amphetamine ein, die sogenannte Wunderpille Pervitin, um die Angst vor dem Töten und Getötetwerden zu verlieren. In der Grundsubstanz ist es „das gleiche Zeug“, das Eric konsumiert, um sich unbesiegbar zu fühlen, tagelang durchzufeiern, kurz: „um zu fliegen“. Vergessen sind der familiäre Stress, der letzte Laufpass oder der verwehrte Zutritt in einen angesagten Club. Bereits der erste Konsum kann in die Abhängigkeit führen, denn wer einmal fliegt, will wieder high sein, und die klaren Momente dazwischen werden seltener. Die Droge stellt Erics Leben auf die Probe: Dealen, Verkehrsdelikte, Raub, eine Freiheitsstrafe auf Bewährung und die Trennung von seiner großen Liebe Anja, die das gemeinsame Kind abtreibt. Die Aufnahme zum Schauspielstudium in Leipzig führt zu einer kurzen drogenfreien Zeit, der Rückfall wird umso heftiger. Nach neun wachen Tagen stellt ihm die Schauspielschule ein Ultimatum: Einen Abschluss in Darstellender Kunst gibt es nur gegen Entzug und Therapie. Doch ist ein Leben ohne Christin überhaupt noch möglich?
Heute gehört Eric Stehfest zu den Shootingstars des deutschen Fernsehens, mit 9 TAGE WACH will er über die Gefahren der Modedroge aufklären. John von Düffel hat diesen schonungslosen Bericht über die Drogenszene, den schmerzhaften Entzug und das jahrelange Doppelleben für die Bühne adaptiert.
Keine Pause.
Besetzung
Partner
In Zusammenarbeit mit dem Kulturjahr Sucht der Landeshauptstadt Dresden, gefördert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Diese kaleidoskopartigen Verschiebungen in der Wahrnehmung befördert Livemusik. Gitarre, Synthesizer, Schlagzeug bauen Klanglandschaften von der gegrunzten Grind-Core-Einlage bis zu treibenden Techno-Elektrobeats. Aus dem Sog der kreiselnden, schönen und zugleich schrecklichen Bilder schreit die Verführung nur so heraus. Irgendwie will sich der Zuschauer mit hingeben.
Das ist ein starker Effekt, der aber ohne das großartige Spiel des Trios nicht tragen würde. Als Christin und in allen anderen weiblichen Rollen tritt Eva Hüster auf. Mal ist sie nur verwischte Figur, dann aus Sicht des männlichen Protagonisten eine unerreichte Schönheit und Sehnsuchtsziel. Als Christin hat sie Eric als schillernde, einflüsternde Täuscherin ganz im Griff. Vom Gefährten im Rausche über den Türsteher bis zu Erics Alter Ego zeigt sich Jannik Hinsch ebenso wandelbar. Hier ist er überdrehter Druffi, dort kann er als Spiegelung von Eric auch dämonische Züge annehmen.
Diesen Eric gibt ein fantastischer Moritz Kienemann. Ihm kann man die drogeninduzierten Zustände seiner Rolle körperlich ansehen. Er ändert Mimik und Sprechen entsprechend bis zur verzerrten Fratzenhaftigkeit, wenn Eric mal wieder ganz unten ist. Weinerlich, exzessiv, gewaltig brutal, reumütig: Seine Bandbreite fällt erstaunlich aus. Mühelos performt er einen Battlerap und legt eine zarter gereimte Poetry-Slam-Session hin. Und dennoch gelingt die Balance in der Darstellung, so dass niemand die anderen an die Wand spielt. Zu dritt entfachen die Spieler die volle Kraft dieses rauschhaften Abends, der Warnung ist. Nicht mit plakativen Etiketten, sondern als eindringlicher Subtext.“
Langer Applaus für die drei Hauptdarsteller, von deren großartiger schauspielerischer Leistung das Stück 9 TAGE WACH lebt. Das zweistündige Werk offenbart einen Blick in tiefe, menschliche Abgründe und ist in seiner Gesamtheit nur schwer zu ertragen. Gleichwohl überzeugt Moritz Kienemann auf ganzer Ebene als Eric.“
Dank reflexiver und historisch-narrativer Passagen gelingt es dem Stück, über die pure Darstellung der Rausch-Faszination hinauszuragen. Regisseur Klink mischt bittere Komik unter, die nichts verharmlost.
Das fulminante Finale drückt den Rausch so tief ins Publikum, dass es fast selber in den Spiegel fällt, auf dem zig Crystal-Lines bereitliegen. 20 Gramm in neun Tagen, tausend Stimmen in seinem Kopf. Ein Close-up auf sein Gesicht, die Kamera so nah an seiner Nase, das Blut könnte jeden Moment aus der Leinwand triefen. Die Dosis hätte tödlich enden können.
Ein überwältigendes Stück, das mit drei Schauspielern locker auskommt. Gespickt mit Höhepunkten, mit erfrischenden Elementen wie Live-Kamera und -Musik. So abschreckend wie sehenswert.“
Die Dresdner Bühnenfassung erzählt diese Abwärtsspirale in Rückblenden, während Eric (Kienemann) sie in einer Gerichtsverhandlung offenbart. Jannik Hinsch gibt dabei souverän Kumpel, Saufkumpan und verzerrtes Alter Ego, Eva Hüster spielt die rettende Anja und verlockende ‚Christin‘.
Ein faltbarer Paravent drückt Eric mal in die Enge, wird dann wieder zur Projektionsfläche, denn die Regie (Sebastian Klink) verfolgt die Protagonisten mit einer Handkamera, lässt sie in Großaufnahmen auf Leinwänden erscheinen. Die Zersplitterung der Wahrnehmung im Drogenrausch wird erfahrbar. Ein Effekt, der seine volle Wucht entfaltet, wenn Kienemann in den tiefgebenden neun wachen Tagen einen wahrhaften, zermürbenden Monolog spricht – harte Kost.
Überhaupt Kienemann! Er lässt seinen Eric schillern, ist aufgekratzt, weinerlich, aggressiv, lässt hektisch seine Zunge über die trockenen Lippen lecken, ext eine Flasche Sternburg (‚leggor‘), rappt und verzweifelt. Eine atemberaubende Tour de Force, zurecht stürmisch gefeiert.“
Jannik Hinsch und Eva Hüster tragen das Geschehen überzeugend. Nur haben sie keinerlei Chance gegen die völlig ungezügelte Wucht von Moritz Kienemann als Eric.
Den wirksamsten Griff schafft Regisseur Sebastian Klink genau der Szene, in der Eric ‚9 Tage wach‘ ist. Diesen Höllentrip durchlebt er gerade nicht in einer Tour de Force durch den Raum jagend, sondern fast reglos sitzend, einen Spiegel mit mehreren Lines auf dem Schoß sein Gesicht in Großaufnahme auf die Wände projiziert. Die inneren Dämonen haben die Bühne in dieser Szene ganz für sich.
Da ist keine Mahnung, keine explizite Warnung. Warnung soll das Stück an sich sein.“
Die geschickte Inszenierung arbeitet mit einem beweglichen Bühnenbild. Immer wieder verengt sich der Raum, erzeugt klaustrophobische Momente. Handkamerprojektionen vervielfachen die Blicke. Eine tolle Übersetzung für das Prisma aus Rausch und Wirklichkeit.
Kaleidoskopartige Verschiebungen in der Wahrnehmung befördert Livemusik. Aus dem Sog der kreiselnden, schönen und zugleich schrecklichen Bilder schreit die Verführung nur so heraus.
Der starke Effekt würde ohne das großartige Spiel des Trios nicht tragen. Moritz Kienemanns Eric kann man die drogeninduzierten Zustände körperlich ansehen. Er ändert Mimik und Sprechen entsprechend bis zur verzerrten Fratzenhaftigkeit, wenn Eric mal wieder ganz unten ist. Weinerlich, exzessiv, gewaltig, brutal, reumütig: Seine Bandbreite fällt erstaunlich aus. Mühelos performt er einen Battlerap oder legt eine zarter gereimte Poetry-Slam-Session hin. Und dennoch gelingt die Balance in der Darstellung, so dass im Trio niemand die anderen an die Wand spielt. Im Team entfachen die Spielenden die volle Kraft dieses rauschhaften Abends, der Warnung ist. Nicht mit plakativen Etiketten, sondern als eindringlicher Subtext.“