Premiere 15.01.2011 › Kleines Haus 2

Jugend ohne Gott

nach dem Roman von Ödön von Horváth
mit Dresdner Jugendlichen und Schauspielern des Ensembles
eine Produktion der Bürgerbühne
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Laurence Vanryne, Laura Schneider, Lisa Wiedemuth, Eva Jaekel, Ferdinand Nowitzky, Thomas Braungardt
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Henner Momann, Thomas Braungardt
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Laurence Vanryne, Laura Schneider, Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Eva Jaekel, Lisa Wiedemuth, Paul Schellong
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Eva Jaekel, Thomas Braungardt
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Henner Momann, Laurence Vanryne, Paul Schellong
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Eva Jaekel, Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Henner Momann, Laura Schneider, Laurence Vanryne, Paul Schellong, Lukas Schädler, Ferdinand Nowitzky
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Lukas Schädler, Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Henner Momann, Paul Schellong, Laura Schneider, Thomas Braungardt, Eva Jaekel
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Henner Momann, Eva Jaekel
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Lukas Schädler, Laurence Vanryne, Laura Schneider, Thomas Braungardt, Eva Jaekel, Paul Schellong
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Thomas Braungardt, Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Laurence Vanryne, Laura Schneider, Paul Schellong
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Laurence Vanryne, Paul Schellong, Laura Schneider, Thomas Braungardt, Lukas Schädler
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Laurence Vanryne, Lukas Schädler, Laura Schneider, Lisa Wiedemuth, Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Paul Schellong
Foto: David Baltzer
Jugend ohne Gott
Auf dem Bild: Lukas Schädler, Sitaya Maiti Amelie Selbmann, Laura Schneider
Foto: David Baltzer

Handlung

Ein junger Lehrer sieht sich in den 30er Jahren konfrontiert mit einer gleichgeschalteten, faschistisch gesinnten Schülerschaft, die ihm ihr Misstrauen ausspricht, als er für die Gleichheit aller Menschen eintritt. Die Schüler beten unreflektiert die Ideologie eines diktatorischen Systems nach, dem sich auch der Lehrer zunehmend beugt und sich damit selbst verleugnet. Diese „Jugend ohne Gott“ ist sowohl traurig als auch böse, sie ist grausam und melancholisch, sie kennt keine Verantwortung. Im vormilitärischen Osterlager geraten die Konflikte außer Kontrolle. Hier werden Machtkämpfe ausgetragen, hier wird gestohlen, geliebt, ein fremdes Tagebuch gelesen und ein Mord begangen. Der Lehrer ringt sich zu einer überfälligen Entscheidung für die Wahrheit durch. Sein Eingeständnis der eigenen Schwäche und die Überwindung der eigenen Angst ist ein großes Bekenntnis zu Herz und Gewissen.
Der Roman von Ödön von Horváth aus dem Jahre 1934 ist einer der großen Klassiker moderner Schullektüre und wird von Jugendlichen aus Dresden gemeinsam mit Ensemblemitgliedern des Staatsschauspiels gespielt und vom Roman zu einem Bühnendrama entwickelt. Es inszeniert Marc Prätsch, der Leiter des Jungen Schauspiels Hannover, der schon für die Bürgerbühneninszenierung der „Nibelungen“ verantwortlich war.

Besetzung

Regie
Marc Prätsch
Bühne
Philipp Nicolai
Musik
Dramaturgie
Jens Groß
Licht
Lehrer
Henner Momann
Direktor Frosch / Feldwebel / Präsident
Thomas Braungardt
Nelly
Eva Jaekel
Pfarrer / Verteidiger
Falk Link
T
Ferdinand Nowitzky
Z
Lukas Schädler
V / Staatsanwalt
Paul Schellong
B
Laura Schneider
N
Sitaya Maiti Amelie Selbmann
R / Gerichtsschreiber
Laurence Vanryne
L / Eva
Lisa Wiedemuth

Video

Helma Orosz zu Horváths Text

Erkenne dich selbst

oder Warum Vielfalt so schwierig sein kann
von Helma Orosz
In dem Roman „Jugend ohne Gott“ beschreibt der österreichisch-ungarische Autor Ödön von Horváth das Aufeinanderprallen zweier Wertesysteme. Er stellt dar, wie der Gedanke der Vielfalt auf das einfache Wertesystem des Nationalsozialismus trifft und daran zerbricht, er zeigt, wie das „Erkenne dich selbst“ an der Einfachheit des „Führer befiehl! Wir folgen“ scheitert. Nun bringen junge Bürgerinnen und Bürger Dresdens dieses Werk auf die Bühne, ein guter Anlass, darüber nachzudenken, was uns das Stück sagt, heute hier in Dresden.

Blicken wir auf den 13. Februar 2010 zurück: Tausende von Menschen haben an diesem Tag eindrucksvoll bewiesen, dass Rechtsextremisten in dieser Stadt nicht erwünscht sind. Dresden hat sich als eine weltoffene Stadt gezeigt, in der Rassismus und Nationalismus keinen Platz haben. Dieser Tag wurde zum Symbol einer Stadt, die sich an ihre Geschichte erinnert, ohne Hass und Aufrechnung, sondern im Bewusstsein um die Ursachen des Krieges und die Folgen, die diese Erkenntnis für heute hat. Aber sosehr wir uns über diesen Erfolg auch freuen können, wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass es auch in Dresden nicht ausreicht, an einem Tag im Jahr auf die Straße zu gehen und Gesicht zu zeigen.

Wir müssen uns über den einen Tag im Februar hinaus damit auseinandersetzen, dass auch Dresden nicht frei von Neonazis und ihrem Gedankengut ist. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass es auch hier Menschen gibt, für die rechtsextremistische Vorstellungen selbstverständlich geworden sind. Besonders für einige junge Menschen scheinen klare Feindbilder und übertriebener Nationalismus attraktiv geworden zu sein.

Man erreicht diese Jugendlichen nicht, indem man versucht, ihnen einfach andere Werte zu vermitteln. Nicht die Frage nach anderen Werten ist hier wichtig, sondern die Frage danach, wie man junge Menschen dazu befähigt, sich in der Vielfalt einer Demokratie zurechtzufinden. Denn diese Vielfalt ist schwierig. Sie setzt voraus, dass man sich seiner selbst bewusst ist und dass man erkennt, dass es keine einfachen Antworten auf die Frage nach den eigenen Werten gibt. Das ist ein komplexer Prozess.

Es gibt viele Möglichkeiten, Jugendliche auf diesem Weg zu begleiten. Das fängt bei der Schule an und hört bei Sportvereinen und der freiwilligen Feuerwehr noch lange nicht auf. Auf der einen Seite ist der Staat gefordert, mit guter Bildung, möglichst schon beginnend bei den Kleinsten, dazu beizutragen. Auf der anderen Seite hilft jede noch so gute Bildungspolitik nicht, wenn nicht der Einzelne seiner Verantwortung in der Gesellschaft gerecht wird.
Bleiben wir bei dem Beispiel 13. Februar: Eine Reihe von Überlebenden hat sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengefunden. Gemeinsam mit Schulen können sie jungen Menschen die Ursachen der Zerstörung unserer Stadt nahebringen und als Zeitzeugen sehr eindringlich berichten, welche Folgen Krieg und Rassismus auch für einen persönlich haben können. Sie unterstützen damit junge Menschen, sich eine eigene Meinung von den Ereignissen des 13. Februar zu machen, fern von rechter Propaganda und aufrechnender Geschichtsfälschung.

Und so gibt es viele Bürgerinnen und Bürger, die etwa als Vorlesepaten oder in ganz anderer Weise ehrenamtlich dazu beitragen, dass junge Menschen sich im Dickicht der Vielfalt orientieren können und so auf der Suche nach ihrem Weg nicht alleingelassen werden. Es wäre wünschenswert, dass noch mehr Dresdnerinnen und Dresdner diese Verantwortung erkennen und ihr gerecht werden.

Einfache Weltbilder werden uninteressant, wenn man erkennt, dass die Welt, in der man lebt, nicht in simplen Formeln zu definieren ist. Feindbilder verlieren schnell ihre Wirkung, wenn man merkt, das sich der andere ebenso wenig wie man selbst in eine Schablone pressen lässt. Voraussetzung für diese Erkenntnis ist die Stärke, sich mit sich und der Welt auseinandersetzen zu können, ohne gleich die Orientierung zu verlieren. Es geht also nicht darum, jungen Menschen einen Kompass in die Hand zu geben und sie in eine bestimmte Himmelsrichtung zu schicken. Es geht darum, ihnen zu zeigen, wie man mit dem Kompass umgeht, um dann den Weg einschlagen zu können, für den man sich entschieden hat.

Vielfalt kann schwierig sein. Aber vielleicht bringt uns Horváths „Jugend ohne Gott“ dazu, genau darüber nachzudenken, zu erkennen, dass die Orientierungsleistung von Werten aus einem selbst erwächst und nicht durch die Vorgabe Dritter. Fangen wir an, nutzen wir die Aufführung des Staatsschauspiels und denken darüber nach, was das für Dresden, besonders aber für jeden Einzelnen von uns bedeutet.

Helma Orosz ist Oberbürgermeisterin der Stadt Dresden; ihr Text ist ein Originalbeitrag für das Spielzeitheft 2010.2011