Premiere 27.03.2010
› Schauspielhaus
Don Carlos
ein dramatisches Gedicht von Friedrich Schiller
Handlung
Eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2011 als eine der zehn „bemerkenswertesten Inszenierungen“ des deutschsprachigen Theaters und ausgezeichnet mit dem deutschen Theaterpreis „Der Faust“ für beste Regie.
„Don Carlos“ geraten Vater und Sohn, Mann und Frau, Sohn und Mutter, Freund und Freund aneinander, durcheinander – verstrickt in ein Geflecht aus Politischem, Familiärem, Idealistischem und Egoistischem. Don Carlos’ Drama: Er liebt seine Stiefmutter, die einst seine Braut war, jetzt seines Vaters Frau ist. Das Drama des Vaters, Philipp II.: In seiner Allmacht ist er allein. Die ihn beraten, könnten ihn verraten, die ihn lieben, könnten ihn betrügen. Der König braucht dringend „einen Menschen“ und glaubt, ihn im Marquis Posa zu finden. Posas Drama: Er „kann nicht Fürstendiener sein“. Don Carlos’ bester Freund vertritt eine höhere Idee, die Idee von Freiheit und Gleichheit. Aber auch Eitelkeit, Ehrgeiz und Stolz sind ihm nicht fremd. Er ist es, der eine aufwändige Intrige inszeniert, an deren Ende der Idee der Freiheit zum Sieg verholfen werden soll. Stattdessen jedoch kostet sie ihn und Carlos das Leben.
Regie führt Roger Vontobel, dessen Arbeiten in den letzten Jahren u. a. am Hamburger Schauspielhaus, an den Münchner Kammerspielen und am Schauspiel Essen zu sehen waren. Für seine Inszenierung von „Don Carlos“ am Staatsschauspiel Dresden wurde Roger Vontobel in der Hauptkategorie „Regie Schauspiel“ mit dem wichtigsten deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet.
„Don Carlos“ geraten Vater und Sohn, Mann und Frau, Sohn und Mutter, Freund und Freund aneinander, durcheinander – verstrickt in ein Geflecht aus Politischem, Familiärem, Idealistischem und Egoistischem. Don Carlos’ Drama: Er liebt seine Stiefmutter, die einst seine Braut war, jetzt seines Vaters Frau ist. Das Drama des Vaters, Philipp II.: In seiner Allmacht ist er allein. Die ihn beraten, könnten ihn verraten, die ihn lieben, könnten ihn betrügen. Der König braucht dringend „einen Menschen“ und glaubt, ihn im Marquis Posa zu finden. Posas Drama: Er „kann nicht Fürstendiener sein“. Don Carlos’ bester Freund vertritt eine höhere Idee, die Idee von Freiheit und Gleichheit. Aber auch Eitelkeit, Ehrgeiz und Stolz sind ihm nicht fremd. Er ist es, der eine aufwändige Intrige inszeniert, an deren Ende der Idee der Freiheit zum Sieg verholfen werden soll. Stattdessen jedoch kostet sie ihn und Carlos das Leben.
Regie führt Roger Vontobel, dessen Arbeiten in den letzten Jahren u. a. am Hamburger Schauspielhaus, an den Münchner Kammerspielen und am Schauspiel Essen zu sehen waren. Für seine Inszenierung von „Don Carlos“ am Staatsschauspiel Dresden wurde Roger Vontobel in der Hauptkategorie „Regie Schauspiel“ mit dem wichtigsten deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet.
Besetzung
Regie
Roger Vontobel
Bühne
Magda Willi
Kostüme
Dagmar Fabisch
Video und Musik
Immanuel Heidrich
Licht
Michael Gööck
Dramaturgie
Robert Koall
Philipp der II., König von Spanien
Burghart Klaußner
Elisabeth von Valois, Gemahlin von Philipp dem Zweiten
Sonja Beißwenger
Don Carlos, der Kronprinz
Prinzessin von Eboli, Dame der Königin
Marquis von Posa, ein Malteserritter
Herzog von Alba
Domingo, Beichtvater des Königs
Christian Erdmann
Der Großinquisitor des Königreichs / Ein Page der Königin
Lore Stefanek
Infantin Clara Eugenia
Emma Jantschew / Anna-Lena Kral
Bedienstete
Hans Diemer, Matthias Günther, Marcus Horn, Uwe Krauß, Michael Kuhl, Steffen Liebscher, Andreas-Christoph Müller, Peter Schwill, Stefan Tietz
Video
Über das Stück
Über den politischen Dramatiker Friedrich Schiller und seine Figuren
von Thomas de Maizière
von Thomas de Maizière
Zwischen der Uraufführung von Friedrich Schillers Don Carlos und der Gegenwart liegen 200 Jahre. In diese Spanne fallen die Französische Revolution von 1789, das lange 19. Jahrhundert wie es der Historiker Eric Hobsbawm nannte , zwei Weltkriege und die friedliche Revolution von 1989. Vor diesem Hintergrund erschließt sich der politische Gehalt des Carlos dem heutigen Theaterbesucher kaum auf den ersten Blick. Man versteht, dass Schiller die Konflikte der Zeit des Absolutismus auf das spanische Reich des 16. Jahrhunderts projiziert. Aber die berühmte, an den absolutistischen Herrscher Philipp II. gerichtete Forderung nach Gedankenfreiheit ist die Realität eines demokratischen Rechtsstaates am Beginn des 21. Jahrhunderts.
Die vom Marquis von Posa in der zehnten Szene des dritten Akts emphatisch vorgetragene Forderung lässt sich als Anspruch auf Selbstbestimmung und Schutz der Persönlichkeit übersetzen. Dieser Anspruch ist in den Verfassungen moderner Demokratien inzwischen wie selbst-verständlich für alle Bürger gleichermaßen garantiert. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Unantastbarkeit der Würde des Menschen zählen zum Kernbestand unseres politischen Systems. Dem entspricht ein konsequentes Verbot von Zensur und staatlicher Willkür. So gesehen ist die grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen dem Marquis von Posa und Philipp II. kein aktueller Disput. Gehört der Carlos deswegen ins Archiv und nicht auf die Bühne? Nein. Keineswegs.
Die historische Distanz relativiert sich, wenn wir uns daran erinnern, dass seit dem Fall der kommunistischen Diktaturen in Europa erst 20 Jahre vergangen sind. Sie verringert sich noch mehr, wenn wir an die noch existierenden Diktaturen denken. Nicht zuletzt in dieser Hinsicht kommt Schiller und dem von ihm vertretenen Freiheitsideal auch in Zeiten der Globalisierung eine Bedeutung zu. Mir scheint in diesem Zusammenhang bemerkenswert, wie stark europäisch und dies gilt nicht nur für den Don Carlos der Freiheitsbegriff bei Schiller geprägt ist.
Im Don Carlos verbinden sich Stränge eines Freundschafts-, eines Familien- und eines politischen Dramas. Darin liegt ein weiterer Aspekt der historischen Distanz, denn die Handlung des Stücks resultiert aus einer Engführung von persönlichen und politischen Motiven, die unter den heutigen Bedingungen der Demokratie so nicht möglich wäre. Die Personen des Stücks handeln auf eigene Rechnung in dem Sinne, dass sie sich nicht öffentlich mit Argumenten legitimieren müssen. Sie agieren in einer politischen Sphäre, die die Instanzen demokratischer Kontrolle nicht kennt.
Der zentrale Dialog zwischen Philipp und Marquis Posa im dritten Akt bleibt gleichwohl faszinierend. Denn hier entfaltet sich eine dichte Erörterung der Grundlagen des Politischen. Philipp II., der einsame Monarch, sucht die Nähe zum Marquis, dem Enthusiasten, Fanatiker und Strategen, der den Freiheitskampf der Niederlande betreibt. Wenn Posa rhetorisch fragt: Ich aber soll zum Meißel mich erniedern/Wo ich der Künstler könnte sein?, beansprucht er eine umfassende Souveränität, die im absolutistischen System nur dem Herrscher zukommt. Im Auftritt vor dem König nimmt er sich jene Freiheit, die er für die Menschheit insgesamt fordert (Rüdiger Safranski).
Die vom Marquis von Posa in der zehnten Szene des dritten Akts emphatisch vorgetragene Forderung lässt sich als Anspruch auf Selbstbestimmung und Schutz der Persönlichkeit übersetzen. Dieser Anspruch ist in den Verfassungen moderner Demokratien inzwischen wie selbst-verständlich für alle Bürger gleichermaßen garantiert. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Unantastbarkeit der Würde des Menschen zählen zum Kernbestand unseres politischen Systems. Dem entspricht ein konsequentes Verbot von Zensur und staatlicher Willkür. So gesehen ist die grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen dem Marquis von Posa und Philipp II. kein aktueller Disput. Gehört der Carlos deswegen ins Archiv und nicht auf die Bühne? Nein. Keineswegs.
Die historische Distanz relativiert sich, wenn wir uns daran erinnern, dass seit dem Fall der kommunistischen Diktaturen in Europa erst 20 Jahre vergangen sind. Sie verringert sich noch mehr, wenn wir an die noch existierenden Diktaturen denken. Nicht zuletzt in dieser Hinsicht kommt Schiller und dem von ihm vertretenen Freiheitsideal auch in Zeiten der Globalisierung eine Bedeutung zu. Mir scheint in diesem Zusammenhang bemerkenswert, wie stark europäisch und dies gilt nicht nur für den Don Carlos der Freiheitsbegriff bei Schiller geprägt ist.
Im Don Carlos verbinden sich Stränge eines Freundschafts-, eines Familien- und eines politischen Dramas. Darin liegt ein weiterer Aspekt der historischen Distanz, denn die Handlung des Stücks resultiert aus einer Engführung von persönlichen und politischen Motiven, die unter den heutigen Bedingungen der Demokratie so nicht möglich wäre. Die Personen des Stücks handeln auf eigene Rechnung in dem Sinne, dass sie sich nicht öffentlich mit Argumenten legitimieren müssen. Sie agieren in einer politischen Sphäre, die die Instanzen demokratischer Kontrolle nicht kennt.
Der zentrale Dialog zwischen Philipp und Marquis Posa im dritten Akt bleibt gleichwohl faszinierend. Denn hier entfaltet sich eine dichte Erörterung der Grundlagen des Politischen. Philipp II., der einsame Monarch, sucht die Nähe zum Marquis, dem Enthusiasten, Fanatiker und Strategen, der den Freiheitskampf der Niederlande betreibt. Wenn Posa rhetorisch fragt: Ich aber soll zum Meißel mich erniedern/Wo ich der Künstler könnte sein?, beansprucht er eine umfassende Souveränität, die im absolutistischen System nur dem Herrscher zukommt. Im Auftritt vor dem König nimmt er sich jene Freiheit, die er für die Menschheit insgesamt fordert (Rüdiger Safranski).
Der Marquis von Posa vertritt eine optimistische Anthropologie Der Mensch ist mehr, als Sie von ihm gehalten. Und Philipp lässt sich auf eine argumentative Auseinandersetzung ein, obwohl seine Stellung dies im Grunde nicht erfordert. Er hält Posa ein pessimistisches Menschenbild entgegen Ich weiß/Ihr werdet anders denken, kennet Ihr/Den Menschen erst, wie ich und leitet daraus die Notwendigkeit des starken Herrschers ab.
Die Tiefe des politischen Dramatikers Schiller zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er die Schwächen beider Sichtweisen präzise erkennt. Philipp II. verfängt sich in den Zwängen des Systems, für das er steht. Er wird letztlich zurückgeworfen auf die zynische Maxime, die ihm der Großinquisitor am Ende des Stücks vorhält: Menschen sind/Für Sie nur Zahlen, weiter nichts. Der Aufklärer Schiller, der den Don Carlos gewissermaßen am Vorabend von 1789 verfasst, entlarvt aber auch hellsichtig die Widersprüche des schwärmerisch-abstrakten Fortschrittsprogramms, das der Marquis von Posa repräsentiert. Im Namen der Freiheit degradiert Posa seinen Freund Carlos zum Instrument. Was er für die Allgemeinheit verlangt, konterkariert er im konkreten Fall.
Mit der Gegenüberstellung von Philipp II. und Marquis Posa beschreibt Schiller über den spezifischen historischen Kontext hinaus ein wesentliches Spannungsfeld der Politik. Ihre Gestaltungsaufgabe besteht nicht zuletzt darin, zwischen dem bloßen Exekutieren von Sachzwängen auf der einen und hypermoralischem Anspruch auf der anderen Seite das menschlich mögliche Maß zu bestimmen. Insoweit ist Schillers Don Carlos bestens geeignet, uns im politischen Alltag einen Spiegel vorzuhalten, zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Moral und Macht.
Dr. Thomas de Maizière ist Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben. In Sachsen bekleidete er zwischen 2001 und 2005 unter anderem das Amt des Ministers für Justiz und das des Ministers des Inneren.
Seinen Text über Don Carlos schrieb er auf Einladung des Staatsschauspiels Dresden.
Die Tiefe des politischen Dramatikers Schiller zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er die Schwächen beider Sichtweisen präzise erkennt. Philipp II. verfängt sich in den Zwängen des Systems, für das er steht. Er wird letztlich zurückgeworfen auf die zynische Maxime, die ihm der Großinquisitor am Ende des Stücks vorhält: Menschen sind/Für Sie nur Zahlen, weiter nichts. Der Aufklärer Schiller, der den Don Carlos gewissermaßen am Vorabend von 1789 verfasst, entlarvt aber auch hellsichtig die Widersprüche des schwärmerisch-abstrakten Fortschrittsprogramms, das der Marquis von Posa repräsentiert. Im Namen der Freiheit degradiert Posa seinen Freund Carlos zum Instrument. Was er für die Allgemeinheit verlangt, konterkariert er im konkreten Fall.
Mit der Gegenüberstellung von Philipp II. und Marquis Posa beschreibt Schiller über den spezifischen historischen Kontext hinaus ein wesentliches Spannungsfeld der Politik. Ihre Gestaltungsaufgabe besteht nicht zuletzt darin, zwischen dem bloßen Exekutieren von Sachzwängen auf der einen und hypermoralischem Anspruch auf der anderen Seite das menschlich mögliche Maß zu bestimmen. Insoweit ist Schillers Don Carlos bestens geeignet, uns im politischen Alltag einen Spiegel vorzuhalten, zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Moral und Macht.
Dr. Thomas de Maizière ist Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben. In Sachsen bekleidete er zwischen 2001 und 2005 unter anderem das Amt des Ministers für Justiz und das des Ministers des Inneren.
Seinen Text über Don Carlos schrieb er auf Einladung des Staatsschauspiels Dresden.
Vontobel inszeniert nicht sich, sondern Schiller und seine Schauspieler, die zu glänzen verstehen. Christine Hoppe, die als Prinzessin Eboli zwar nicht Carlos, aber das Publikum zu betören weiß; Sonja Beißwenger, deren Königin Elisabeth nie so richtig versteht, wie ihr geschieht; Matthias Reichwald, der die Rolle des schwärmerischen Chefmoralisten Marquis von Posa auf irdisches Maß herunterbricht. Viele Aufmerksamkeit hatte sich im Vorfeld auf die durch den Haneke-Film „Das weiße Band“ nominierten Hauptdarsteller Burghart Klaußner und Christian Friedel gerichtet. Wie im Film erreichen beide auch auf der Bühne Höchstform: Klaußner als misstrauischer, von Verfolgungswahn gezeichneter König – ein bis in die Körpersprache hinein kantiger, liebesunfähiger Despot; Friedel als jugendlich-liebestrunkener Königssohn mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, der zu spät erwachsen wird.
Viel Applaus.“
„‚Geben Sie Gedankenfreiheit!‘ Der berühmte Satz des Marquis Posa fällt hier auf gut vorbereiteten Boden. Auch wenn er letztlich nicht fruchtbar wird: Roger Vontobel verschafft in seiner sehr jung und frisch wirkenden, dabei ganz auf den Text und die Schauspieler konzentrierten Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden tatsächlich den Gedanken Freiheit, stellt die Suche nach Klarheit und Wahrheit in den Mittelpunkt und verschiebt ihn damit vom Sohn zum Vater Philipp II., der hier vielleicht mehr noch als die jungen Weltverbesserer zum tragischen Helden wird.“
Es sind intensive Szenen, die Vontobel da mit seinen wunderbaren Schauspielern gelingen, Szenen von knisternder Spannung, aber auch von großer Sprachschönheit, die bei Schiller ja sehr erfreuen kann.
In ihrer spielend leichten Art, ganz nah an Schiller dran, aber nicht altmodisch zu sein, sondern im Hier und Jetzt verankert, ist diese Inszenierung beinahe musterhaft.“
Alle siedeln ganz privat am eigenen Abgrund in diesem durch alle Zeiten hoch politischen Stück, und alle können fallen – Schauspielerinnen und Schauspieler zeigen in Dresden, wie das geht: Klaußner als furios in und an sich selber zerbrechender Machthaber, Friedel als zögernder, immer wieder im Selbstgespräch sich verstörender Sohn, dessen Impuls die unerfüllte Liebe zu jener Frau ist, die einst ihm versprochen war und nun sein Mutter sein muss; Matthias Reichwald schließlich als selbstsicher intrigierender, aber auch an der eigenen Sehnsucht nach Heldentum scheiternder Revoluzzer Posa.
Zwischen ihnen die Frauen: hier Sonja Beißwenger als dunkel-schmale, mutig-entschlossene Königin Elisabeth, da die grandiose Christine Hoppe als tragisch in die Irre liebende Hofdame Eboli. Noch Thomas Eisen und Christian Erdmann als stark verknappter Hofstaat halten ihre schmalen Rollen eng und kompakt. Spätestens mit ihnen beginnt das Publikum zu vergessen, dass hier ein dramatisch politisches Märchen aus uralten Zeiten erzählt worden ist.
Kein Wunder, dass es uns nicht aus dem Sinn gehen will.“
Es ist wohl auch der größte Gewinn dieser Inszenierung, dass sie deutlich macht, wie genial Schiller berufliche und private Motivationen untrennbar vermischt.
So kann sich König Philipp die Forderung des Marquis Posa nach ‚Gedankenfreiheit‘ nicht leisten und will es auch nicht, will ihn das die Macht kosten würde. Burghart Klaußner zeigt das ungeheuer differenziert, schleudert geschliffene Worte wie spitze Messer. Christian Friedels Carlos ist wie ein junger Vogel, der sich voller Wut die Flügel am goldenen Käfig wundscheuert. Matthias Reichwalds Posa ist hochfliegender Visionär und Kämpfer, aber auch unsicher und stolz. Sonja Beißwengers Elisabeth erkennt als unglücklich Liebende, dass sie ihr Heil in der Politik suchen muss, um Bestätigung zu finden, während Christine Hoppes Eboli auch diese Flucht verwehrt ist – ihre Rache schlägt auf sie zurück und bringt sie ins Kloster.
Das Premierenpublikum ließ das Ensemble begeistert im Applaus baden.“
Das gesamte, erstaunlich homogene Ensemble macht aus dieser Inszenierung ein Denk- und Schaustück von flirrender Intensität.“
Doch das Ergebnis dieser Inszenierung sind die Schauspieler! Wie natürlich ihnen die Schiller-Verse über die Lippen gehen – als kamen sie ihnen hier und jetzt in den Sinn. […]
Das nuancierte Spiel lässt die Figuren in aller Ambivalenz schillern. Dabei gelingt jede für sich so glaubwürdig, dass man nicht mit einer von ihr mitgeht, sondern sie alle in ihren Ängsten, Nöten und dunklen Gefühlen zu verstehen glaubt.“
So heutig sich die Inszenierung gibt, so konsequent entwickelt sie ihre eigene Diktion aus dem historischen Text, psychologisch präzise und einfühlsam, durchdringend in der gesellschaftlichen Analyse.“