Startrampe
Handlung
In dieser neuen Reihe präsentieren Mitarbeiter*innen des Staatsschauspiels Dresden szenische Ideen. Von der Regieaspirantin über den Schauspieler bis hin zur angehenden Bühnenbildnerin probieren sich Angehörige verschiedener Abteilungen in wechselnden Konstellationen aus. In kurzer Zeit, mit wenig Vorgaben und Erwartungsdruck experimentieren sie mit Formaten, bringen eigene Texte auf die Bühne, suchen nach künstlerischen Ausdrucksformen und wagen avantgardistische Versuche. Abende feministischen Widerstands, Arrangements bekannter Bühnenwerke oder postmoderne Szenencollagen – hier kann wirklich alles entstehen. Jenseits der bekannten Pfade suchen sie mit viel Fantasie und Mut zum Risiko, was auf der Bühne des Kleinen Hauses 3 dringend erzählt werden muss!
Vergangene Veranstaltungen
Szenische Lesung
„Der Fremde in uns“, schrieb der Schriftsteller und Analytiker Arno Gruen, „das ist der uns eigene Teil, der uns abhandenkam und den wir Zeit unseres Lebens, jeder auf seine Weise, wiederzufinden versuchen. Manche tun dies, indem sie mit sich selbst ringen, andere, indem sie andere Lebewesen zerstören.“
Ausgehend von diesem Gedanken spürt Ensemblemitglied Philipp Grimm der Frage nach, was Menschen dazu treibt, sich nach rechts zu öffnen oder sogar zu radikalisieren und so einen Teil dazu beizutragen, dass rechtskonservative und rechtsradikale Parteien in Deutschland bei den jüngsten Wahlen so erfolgreich abgeschnitten haben.
Grimm beginnt seine Suche nach der Antwort bei sich selbst und seiner Jugend, auf die er zurückblickt: Ich bin jung und ich habe Angst. Wovor habe ich Angst? Vor wem? Habe ich Angst vor dem Fremden? Wie begegne ich dem Fremden? Was ist das Fremde in mir selbst?
„Du kannst nicht gehen. Wenn du mich verlässt, muss ich dich töten. Das weißt du doch.“
Der Mythos von Undine wird immer ähnlich erzählt: Undine, die Meerjungfrau, die Nymphe, das Wasserwesen verliebt sich in einen Menschenmann. Weil aber die fremde Wasserfrau dem Mann immer unheimlich bleibt, weil der Mensch nicht verlässlich ist, weil er Undine beschimpft, verrät, betrügt oder verlässt, muss die Geschichte übel enden: entweder Undine stirbt oder der Menschenmann – manchmal sogar beide.
Undine ist immer vieles zugleich: Allegorie für das Fremdeln zwischen den Geschlechtern, Sinnbild für eine unmögliche Liebe und veraltetes Idealbild der liebenden und domestizierten Frau.
Was ist aber, wenn die sonst sprachlose Wasserfrau ihre Stimme erhebt?
Die Startrampe UNDINE GEHT – NOCH NICHT setzt den klassischen Undinen und Wassernixen eine neue Undine entgegen und lässt sie den auferlegten Bann der Stimmlosigkeit durchbrechen.
Jonas Holupirek als Undine lässt das Andere und Fremde zu Wort kommen und stellt die scheinbar natürlich gegebenen Grenzen in Frage – die Grenzen von Wasser und Land, jene der Liebe zwischen den Geschlechtern und die der Geschlechtlichkeit.
Und wer weiß – vielleicht kann Undine diesmal bleiben...
von Ferdinand Schmalz
Ein Dorf, ein Bierzelt, eine Festgemeinschaft. Dazu Dauerregen. Und während die gierige Masse seine Hühnerschenkel verspeist, stiehlt sich der Hendlbrater zum Schäferstündchen mit der Doris in den Kühlwagen. Doch nicht nur das Fett der saftigen Keulen haftet an ihm, sondern auch die Augen des argwöhnischen Ehemanns von Doris. Dieser überwacht den Druckkessel der Provinz im Auftrag des Gutshofbesitzers Zeiringer. In strenger Hierarchie rühren die beiden in der Ursuppe männlicher Herrschsucht, während es draußen regnet und regnet. Und so beginnt ein Wettlauf zwischen menschlicher und Naturgewalt, den am Ende nur die Liebe gewinnen kann. Ensemble-Mitglied Nadja Stübiger schickt ihre Schauspielkolleg*innen Nihan Kirmanoğlu und Jonas Holupirek weit über die Startrampe des schwarzen Humors hinaus in die Schlammflut des Umsturzes.
ein Abend feministischen Widerstands
Drei Frauen machen sich bereit. Sie haben unterschiedliche Lebensrealitäten, sind aus verschiedenen Generationen, sind in jeder Hinsicht einander fremd. Doch eins verbindet sie: Protest. Sie setzten sich zur Wehr gegen die strukturelle Benachteiligung, die Bevormundung von Frauen, die nahezu überall bis heute andauert. Ein Kampf gegen eine geteilte Welt, den Frauen seit Jahrhunderten bestreiten um beispielsweise Wahlrecht oder ein Recht auf körperliche Unversehrtheit zu erlangen. Denn obwohl wir 2023 bereits auf eine lange Geschichte weiblichen Widerstands zurückblicken können, bleibt stets das Wissen darum, dass die ersehnte Gleichberechtigung in allen Bereichen noch weit entfernt ist.
Feminism is the radical idea that women are people. Marie Shear
PLEASE DON’T KILL THE WEIB ist ein Live-Hörspiel des feministischen Widerstands. Anhand drei individueller Schicksale wird die Bedeutung von Widerstand für Frauen überall erzählt. Die Frauen sind laut, sie sind stark, und sie kämpfen für Veränderungen in einem kaputten System.
Sind es zwei antike Ziegenhirten, die ihren Ruhestand in der Idylle eines Teichs fristen, oder moderne Touristen am Pool eines Ferienresorts? Ihre Ankunft an diesem magischen Ort liegt in so ferner Vergangenheit, dass sie selbst es nicht mehr sagen könnten. Und vom Rest der Welt sind sie durch eine hohe Mauer getrennt. Gut nur, dass sie einen Haufen Bücher und Campari gehortet haben, die etwas Abwechslung in ihre absurde Existenz bringen.
Aber in letzter Zeit ändert sich etwas am Baggerloch: Ist es etwa die Ankunft fremder Wesen, auf deren Rückstände sie vermehrt treffen? Oder spielt ihr isolierter Geist ihnen Streiche? Und wo ist eigentlich der Würfelspieler Schorsch geblieben, der doch eigentlich der Dritte in der Runde war?
Ob es Halluzinationen sind, spielt für die beiden alten Freunde längst keine Rolle mehr. Sie finden sich zunehmend in Szenen geworfen, die Gestalten aus ganz anderen Zeitlinien hervorbringen. Die Auseinandersetzung mit diesen Figuren führt sie tief in ihre eigene widersprüchliche Vergangenheit und scheint doch gleichzeitig eine diffuse Relevanz für das Leben da draußen zu haben, von dem sie räumlich getrennt sind.
Wir wollen die Startrampe nutzen, um in Räume vorzudringen, die dem klassischen Theater verwehrt sind. Das altbewährte Schild der ästhetischen Einheit und der dramaturgischen Kohärenz bietet Schutz, aber engt auch gleichzeitig ein. Anstatt in kurzer Zeit das institutionelle Theater nachzuahmen und einen fertigen Abend zu behaupten, wollen wir uns trauen, die geschützten Zonen zu verlassen und uns auf eine unzeitgemäße Suche nach dem Fragmentarischen und Unerklärbaren machen.
von Stefan Zweig
Wo fahren wir hin?
Die Wellen tosen, der Wind frischt auf und die Fahrt beginnt: An einem düsteren Abend teilt der Schiffsbug die Wogen des aufgewühlten Meeres. An Bord befindet sich eine illustre Persönlichkeit.
Er weiß, wie man das Spiel spielt, er beherrschte es. Doch seine Meisterschaft ist es nicht, was auf dieser Reise zählt – was zählt, ist seine Geschichte. Je tiefer wir eintauchen, desto trüber wird das Wasser.
Auf der gefahrvollen Passage enthüllt uns Herr B. seine Vergangenheit, eingeschlossen in diesem Schiff außerhalb der Zeit, das alte Europa im Rücken.
Er besitzt den Schlüssel zum Spiel, aber wird er es zu Ende spielen können? Wird ihn das rote Licht wieder einholen, das damals Besitz von ihm ergriff? Nichts ist mehr sicher.
In Stefan Zweigs SCHACHNOVELLE nimmt uns der gewiefte Stratege Herr B. mit in seine dunkle und quälende Vergangenheit, in den engen Raum, den zu fliehen ihm nur zu einem hohen Preis gelang.
„Einst träumte Zhuang Zhou, er sei ein Schmetterling, der umherflattert, mit sich selbst zufrieden ist und tut, was er will. […] Plötzlich wachte er auf und da war er, solide und unverwechselbar Zhuang Zhou. Aber er wusste nicht, ob er Zhuang Zhou war, der geträumt hatte, oder er sei ein Schmetterling, der träumte, er sei Zhuang Zhou.“ (Der Schmetterlingstraum von Zhuangzi)
Zwei identische Figuren stehen auf der Bühne. Sie gleichen sich allem Anschein nach und doch ist ihr wahres Ich ein gänzlich verschiedenes. Im ständigen Wechsel von Perspektiven sehen wir Spiegelbilder zweier Wesen in alltäglichen Szenen bis hin zu lebensbedrohlichen Momenten. Hat eine Person die andere Person erschaffen? Wer ist wirklich, wer ist falsch? Wie reagieren Dritte auf die vermeintlich selbe Person in der gleichen Situation?
Inspiriert von dem chinesischen Philosophen und Dichter Zhuangzi sowie von den Theorien C.G. Jungs und Sigmund Freuds über das Unbewusste, kreiert Shel Yan einen choreographisch-theatralen Abend, in dem sie sich Fragen über den Facettenreichtum der eigenen Persönlichkeit stellt.
„Lachen ist eines der wichtigsten angeborenen emotionalen Ausdrucksverhalten des Menschen, das nicht nur, aber vor allem in der Gemeinschaft mit Mitmenschen seine Wirkung entfaltet.“ So die Wikipedia-Definition über das Lachen. Doch was geschieht, wenn wir fünf Komödiant*innen in einen Raum einsperren und ihnen nicht nur das Lachen verbieten, sondern ihnen sogar drakonische Strafen androhen, falls sie es doch tun? Langweile? Tristesse? Oder ein unheimliches Vergnügen? Wir wollen es gemeinsam herausfinden. Ein Vorsilvesterabend über das Lachen, den Humor und die Frage, ob, wer zuletzt lacht, wirklich am besten lacht.