Handlung
Eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt 2018
Nominiert bei den 43. Mülheimer Theatertagen NRW „Stücke 2018“
2017 ist das Thema Flucht und Asyl aus den Medien kaum noch wegzudenken. Im Dezember 2012, drei Jahre bevor Millionen Menschen den Weg über das Mittelmeer nach Europa suchten, besetzten Asylsuchende aus dem Mittleren Osten die Wiener Votivkirche, um auf ihre prekäre Lebenssituation in Österreich aufmerksam zu machen. Es entbrannte eine heiße Debatte in den Medien, Parteien, und private Initiativen von Links und Rechts schalteten sich ein. Die SCHUTZFLEHENDEN wurden einerseits idealisiert, andererseits kriminalisiert. Der aus Syrien stammende und in Wien lebende Autor Ibrahim Amir arbeitete zwei Jahr lang in Workshops mit Geflüchteten und Aktivist_innen zusammen und führte zahlreiche Gespräche mit den verschiedenen Beteiligten. Das aus diesen Recherchen entstandene Stück ist eine schonungslose Abrechnung mit Klischees und Vorurteilen, eine bitterböse Komödie über zwischenmenschliche und kulturelle Konflikte. Doch darf man, gerade heute, über so ein brisantes Thema im Theater lachen? „Wir sind nicht frei von Fehlern und nicht frei von Phobien und Ressentiments. Darüber muss man auch auf der Bühne sprechen dürfen“, so der Autor Ibrahim Amir, der bereits mit seinem Erstlingswerk, der Ehrenmordkomödie HABE DIE EHRE, in mehreren europäischen Ländern für Furore sorgte. Nach der heftig diskutierten Absage der geplanten Uraufführung in Wien 2016 wird das Stück nun in einer auf Dresden umgeschriebenen Fassung auf die Bühne kommen. „Die Konflikte, die es in Wien gibt, gibt es genauso in Dresden und überall sonst.“ Zeit, uns ihnen zu stellen.
Nominiert bei den 43. Mülheimer Theatertagen NRW „Stücke 2018“
2017 ist das Thema Flucht und Asyl aus den Medien kaum noch wegzudenken. Im Dezember 2012, drei Jahre bevor Millionen Menschen den Weg über das Mittelmeer nach Europa suchten, besetzten Asylsuchende aus dem Mittleren Osten die Wiener Votivkirche, um auf ihre prekäre Lebenssituation in Österreich aufmerksam zu machen. Es entbrannte eine heiße Debatte in den Medien, Parteien, und private Initiativen von Links und Rechts schalteten sich ein. Die SCHUTZFLEHENDEN wurden einerseits idealisiert, andererseits kriminalisiert. Der aus Syrien stammende und in Wien lebende Autor Ibrahim Amir arbeitete zwei Jahr lang in Workshops mit Geflüchteten und Aktivist_innen zusammen und führte zahlreiche Gespräche mit den verschiedenen Beteiligten. Das aus diesen Recherchen entstandene Stück ist eine schonungslose Abrechnung mit Klischees und Vorurteilen, eine bitterböse Komödie über zwischenmenschliche und kulturelle Konflikte. Doch darf man, gerade heute, über so ein brisantes Thema im Theater lachen? „Wir sind nicht frei von Fehlern und nicht frei von Phobien und Ressentiments. Darüber muss man auch auf der Bühne sprechen dürfen“, so der Autor Ibrahim Amir, der bereits mit seinem Erstlingswerk, der Ehrenmordkomödie HABE DIE EHRE, in mehreren europäischen Ländern für Furore sorgte. Nach der heftig diskutierten Absage der geplanten Uraufführung in Wien 2016 wird das Stück nun in einer auf Dresden umgeschriebenen Fassung auf die Bühne kommen. „Die Konflikte, die es in Wien gibt, gibt es genauso in Dresden und überall sonst.“ Zeit, uns ihnen zu stellen.
Besetzung
Regie
Bühne
Valentin Baumeister
Kostüme
Video
Jonas Englert
Licht
Dramaturgie
Michael Isenberg
Abdul
Holger Bülow
Umar
Thomas Schumacher
Said
Matthias Luckey
Ghazala
Annedore Bauer
Barbara
Elzemarieke de Vos
Albertina
Jamal
Thomas Kitsche
Michi
Rouni Mustafa
Jussef
Valentin Kleinschmidt
Klappe zu, Affe tot, möchte man am Schluss ausrufen, wenn Bühnenschräge und der sich senkende Plafond von Valentin Baumeister Personen und Worte erdrücken. Eine Mischung aus bitterem Ernst und selbstironischer Heiterkeit, äußerst intensiv und präzise geprobt. In cleverer und dankenswerter Weise hat das Dresdner Staatsschauspiel nach dem Wiener Flop zugegriffen.“
An diesem Abend bekommen alle ihr Fett weg: homophobe Muslime, deutsche Frauen mit Helfersyndrom, irakische Weiberhelden, Salafisten, Identitäre. Als erstes ist der Theaterbetrieb dran. Mit dem hat der Autor Ibrahim Amir so seine Erfahrungen gemacht. Vor einem Jahr sollte sein Stück ‚Homohalal‘ am Wiener Volkstheater uraufgeführt werden. Zwei Monate vor der Premiere sagte das Theater die Produktion ab.
Die Regisseurin Laura Linnenbaum bemüht sich klugerweise nicht um Realismus. Auf der Bühne stehen skurrile Typen in bonbonfarbenen Sechzigerjahre-Kostümen (David Gonter), die an Inszenierungen von Herbert Fritsch denken lassen. Die Damen tragen Föhnfrisur, die Herren Schnurrbart und Hornbrille. Alle sind so wasserstoffblond wie sonst nur Geert Wilders und Donald Trump.
Diese Distanz bewahrt die Inszenierung vor vielen Fallstricken. Die meisten Figuren stammen aus dem Ausland, zwischendurch reden sie Arabisch. Auf der Bühne stehen jedoch bis auf Rouni Mustafa nur deutsche Schauspieler. Seine Auftritte dienen als ironischer, auch selbstkritischer Kontrapunkt, der die Realität am Theater kommentiert.
Das Ensemble spielt auf klinisch weißer Bühne (Valentin Baumeister) gekonnt überdreht, als wär’s ein Boulevardstückchen. Warum auch nicht? Das Stück wimmelt von Slapstick-Vorlagen, Missverständnissen, dunklen Geheimnissen. Elzemarieke de Vos gibt mit Wallemähne und Schmollmund die esoterisch veranlagte Barbara.
Matthias Luckey als homophober Vater Said bittet seinen Sohn inbrünstig, nicht schwul zu sein – und bedient sich dazu Whitney Houstons Schwulenhymne ‚I will always love you‘. Seine Gattin, die Annedore Bauer als erfrischend trockene Karrieristin spielt, hat schon früher gemerkt, was los ist: ‚Habibi, 17 Jahre sind keine Phase.‘ Sie ist es, die am Ende für Ordnung sorgt, mit einer Pistole und Zitaten von Thomas de Maizière.
Es sind Figuren, die auch mal die Grenze zum Klischee überschreiten. Aber es sind unterhaltsame Klischees. Und sie werden im richtigen Moment gebrochen: Der Frauen aufreißende Iraker entpuppt sich als schwul; der vermeintlich salafistische Sohn als Anhänger der Identitären Bewegung. Dahinter steckt bei Amir eine Haltung: Ganz so einfach ist es eben nicht mit den Menschen und den Schubladen.
Das Publikum amüsiert sich prächtig. Gegen Ende ist manches dann nicht mehr zum Lachen. Zum Beispiel wenn es heißt, die Fische im Mittelmeer hätten schon langkeinen Iraker mehr gekostet. Amir beherrscht die Regeln der Migrations- und Integrationskomödie: je böser, desto besser.
So unerschrocken jongliert sonst nur die israelische Regisseurin Yael Ronen mit ethnischen, religiösen und sexuellen Stereotypen. Dass beide keine Deutschen sind, ist wohl kein Zufall. Ibrahim Amir, 35 Jahre alt und im Hauptberuf Arzt, hält nichts von Vorsicht. Es gebe zu viel Angst, über kulturelle Unterschiede zu reden, sagt er. ‚Das wird nicht gut ausgehen. Wir lassen uns viel zu sehr von den Rechten die Themen bestimmen oder auch verbieten.‘
Was Dresden kann, sollten wir doch alle können.“
Es ist ein neues Level erreicht. Wir haben uns an die Schutzbefohlenen gewöhnt, an die Wortspielereien von Frau Jelinek und der Folgen. Das sind eigentlich immer Betroffenheitsstücke. Dieses ist nun das genaue Gegenteil davon. Es ist ein extrem kluges Stück. Es ist ein extrem freches Stück, jenseits von allen Vorurteilen, jeden Blödsinn als Blödsinn auch benennend, auch wenn er gut gemeint ist. Ein toller Abend. Eine große Tat, dass die Dresdner sich das an Land gezogen haben, und es für Dresden bearbeitet haben.“
Said, den Matthias Luckey konsequent karikiert, ging 2017 eine Scheinehe ein. Jetzt erfährt er, dass sein Sohn schwul ist und tickt aus. Ja, um Political Correctness geht es bei ‚Homohalal‘ nicht. Und um eine brave Integrationsvision noch weniger. Ins Visier rücken sie alle: Aufweicher wie Radikale, keine Seite wird geschont. So lässt zunächst die blondgelockte Imamin Barbara den muslimischen Toten verbrennen. Dann sprengt sie die Urne in die Luft, um sich kurz darauf halb nackt in der verstreuten Asche zu wälzen. Das wäre so Brauch, meint die wundervoll naiv spielende Elzemarieke de Vos.
Oder das Macho-Monster Umar schmeißt mit Testosteron nur so um sich und ohrfeigt das Publikum mit aggressiven Rap-Tiraden. Der energetische Thomas Schuhmacher als Umar muss aber bald seinem Freund Said gestehen, dass auch er schwul sei. Und zum Schluss greift Saids Frau, die Annedore Bauer abgedreht militant spielt, zur Waffe und fordert, nun endlich die Türen des Landes zu schließen.
Was nach einer schwarzen Boulevardkomödie klingen mag, hat aber weit mehr Potenzial. Klug bricht die Regisseurin Laura Linnenbaum auf der offenen, mausefallenähnlichen Bühne von Valentin Baumeister die Erwartungen des Zuschauers. So sieht man regelmäßig Rouni Mustafa, einen ‚echten Flüchtling‘. Zigmal hat er im Theater seine Fluchtgeschichte erzählt. Genervt ist er von seiner Opfer-Prominenz.
Auch erstirbt jeglicher Lacher, als plötzlich im letzten Drittel des Abends der tote Abdul auftaucht. Auf einmal erstarrt die Trauergemeinde zur eiskalten Tätergemeinschaft. Grandios diabolisch spielt Holger Bülow diesen Rächer Abdul, dessen Geschichte auch dem Publikum schmerzhaft in die Ohren fährt. Dieser Abend ist nicht nur durch filmische Mittel, körperliches Spiel und flottes Tempo eine ästhetisch perfekte Arbeit. ‚Homohalal‘ ist vor allem ein bissiger Beitrag zur Flüchtlingsfrage. Und ein mutiges Knallbonbon für das polarisierte Dresden.“
Dereinst, im Jahr 2037, hat man in Dresden einander so lieb auf den Streuobstwiesen in der City. Wutbürger gibt es nicht mehr, die einst Angst erregenden Araber haben einerseits rappen gelernt und sind andererseits genauso spießig geworden wie die Eingeborenen. Deren esoterisches Gesäusel trifft sich hervorragend mit islamischen Jenseitigkeiten. Nicht mal Multi-Kulti, eher ein uniformes Lifestyle-Kulti. Eine prägende Herkunft ist allen kaum noch anzumerken. Gemeinsam ist dieser Generation 2037, die, wie sich später herausstellt, ihre Flucht- und Begegnungsgeschichten in unseren gegenwärtigen Tagen hatte, auch die Abneigung gegen Homosexuelle. Vater Said, den Matthias Luckey in einer gerade noch nicht überzogenen komödiantischen Glanzrolle spielt, kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass Söhnchen Jamal (Thomas Kitsche) so veranlagt ist und nicht von bösen Männern verführt wurde. Umbringen will er ihn auch im Jahre 2037 noch. Der 1982 in Aleppo geborene Autor Ibrahim Amir lässt diesen ersten Teil während einer makabren Bestattungszeremonie für Freund Abdul spielen, der angeblich unter Drogeneinfluss von einer Brücke gesprungen sein soll. Gelegenheit, diese handelnden Hohlkörper zu demaskieren, ob sie nun syrische, irakische oder germanische Wurzeln haben. Die durchgeknallte ‚Imamin‘ Barbara hätte auch gut zu den Guru-hörigen Blumenkindern oder heutigen Mantra-Tantra-Jüngerinnen gepasst. Elzmarieke de Vos kostet es voll aus, die Gesellschaft zu aufgesetzten Ritualen zu animieren, nachdem sie mit der Urnenasche Abduls ein Zimmerfeuerwerk veranstaltet hat. Völlig legitim, dass die junge Regisseurin Laura Linnenbaum hier dem Affen Zucker gibt, diese affektierte Gesellschaft eifrig hyperventilieren lässt und das angeheiterte Publikum auch. David Gontert setzt mit schrillen ‚Bonbonkostümen‘ noch eins drauf.
Nur Rouni Mustafa, den man noch von der ‚Morgenland‘-Inszenierung kennt, ist hinreißend authentisch. ‚Ich bin nicht meine Kultur. Ich bin nicht meine Religion‘, verkündet er im Prolog mit unnachahmlichem Charme dem Publikum und avanciert im Folgenden zu einer Art Kobold der Inszenierung. ‚Jedes Theater braucht seinen Quotenflüchtling‘, spitzt er pro domo.
Bis zur Halbzeit etwa fragt man sich, was das Wiener Volkstheater im Vorjahr bewogen haben mag, Amirs Stück acht Wochen vor der Premiere abzusetzen. Dresden griff ja dann schnell zu, der Autor schrieb eine spezielle Dresdner Fassung. Die ist in Verbindung mit hübschen Regieeinfällen so verblüffend konkret, dass neben Pegida und den Aleppo-Bussen am Neumarkt auch selbstironische Anspielungen auf das Montagscafé im gleichen Haus oder Christian Friedels Hamlet-Gesänge nicht fehlen.
Hier hat keiner immer Recht, Ibrahim Amir teilt nach allen Seiten aus. Seine Textvorlage war bei Laura Linnenbaum in besten Händen. Die Mischung von Ernst und Bitterkeit mit geradezu boulevardesk ausgespielter Komödie entkrampft die interkulturelle Problematik, ohne sie zu entschärfen.
Eine Sternstunde dieser ambitionierten Interimsspielzeit am Staatsschauspiel. Der begeisterte Beifall galt einem besonders intensiv und genau geprobten Stück. Sehr, sehr schade, dass bis zur Sommerpause höchstens zehn Vorstellungen möglich sind.“
Wenn sich nacheinander alle einstigen Aktivisten einfinden, gibt es nicht nur freudige Erinnerungen an die gemeinsamen erfolgreichen Kämpfe, sondern auch Auseinandersetzungen darüber, warum man Etliches nicht geschafft habe. Es geht um Liebe, Beziehungen, Ehen und gegenseitige Heimlichkeiten. Und natürlich kommen auch interkulturelle Unterschiede zur Sprache.
Ibrahim Amir hat eine Komödie geschrieben, die Politisches und Privates souverän ineinander montiert. Nicht alles wird erklärt, aber manches wird deutlich. Und die Schauspieler werfen sich mit komödiantischer Lust und heftigem Körperspiel in ihre Rollen. Das Publikum war von der Inszenierung begeistert und jubelte lange.“
Die vollständige Rezension finden Sie hier.
Darf man überhaupt über Flüchtlinge, Integration und Willkommenskultur lachen? Absolut! Zumindest in ‚Homohalal‘, der bitterbösen Komödie des in Wien lebenden, syrisch-kurdischen Autors Ibrahim Amir. In seinem klugen Stück bekommt jeder sein Fett weg, nicht zuletzt der Theaterbetrieb selbst.
Glücklicherweise hat das Staatsschauspiel Amirs Flüchtlingskomödie nach Dresden geholt. Regisseurin Laura Linnenbaum inszeniert effektiv, lässt Urnen explodieren, den Koran zu Boden fliegen – und den betrauerten Abdul als Untoten wiederauferstehen, ein altes, gemeinsames Verbrechen im Gepäck. Das Stück wird zum Krimi.
Zu Beginn macht sich noch Rouni Mustafa über seine Rolle als Quotenflüchtling lustig, die das Theater verlange, ihn aber längst nervt. Später bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn sich der Bruder des Schwulen als Rechter outet, der die Integration seiner Eltern als Assimilation und ‚kollektiven Anpassungswahn‘ schmäht. Seine Mutter hingegen fürchtet nichts mehr als die Flut weiterer Flüchtlinge und fordert: ‚Einer muss die Tür zuhalten.‘
Ibrahim Amir stellt mit ‚Homohalal‘ vieles in Frage, bietet aber keine einfachen Antworten. Immer wenn es eindeutig zu werden scheint, folgt eine Kehrtwende. Das ist clever konstruiert. Vom begeisterten Publikum gab es dafür viel Beifall und Jubel.“
Ibrahim Amir schafft bewusst einen klischeehaften Typenkatalog, den er aber rechtzeitig wieder fallen lässt, wenn die Rollen im Laufe des Stückes sich selbst ins richtige Licht rücken und ihren wahren Charakter offenbaren. Diese Anti-Helden und ihre lauten Auseinandersetzungen machen das Stück so ehrlich und intensiv. Es führt dem Zuschauer vor, dass es keinen einfachen Schlussstrich für ein gesellschaftliches Miteinander gibt, sondern dass ein andauernder Diskurs mit seinen Mitmenschen notwendig ist.“