Eines langen Tages Reise in die Nacht
Deutsch von Michael Walter
Handlung
O’Neills berühmtestes Stück, für das er 1957 mit dem Pulitzer-Preis für Drama ausgezeichnet wurde, ist ein Klassiker des 20. Jahrhunderts. In der an einem Tag spielenden Familiensaga sind in den vier Hauptfiguren exemplarische Erfahrungen des menschlichen Egoismus, des Versagens, des Lügens und der Sucht nach Verdrängen und Vergessen wie unter einem Brennglas gebündelt. Bis in die Namen der Figuren hinein spiegelt sich in dem 1941 vollendeten Stück, das erst 1956 posthum veröffentlicht wurde, die eigene Lebensgeschichte des Autors wider, dessen Vater Schauspieler war. Im Stück zeigt O’Neill in der Vaterfigur James Tyrone einen einst erfolgreichen, großen Schauspieler und kleinen Immobilienspekulanten, der aus Geiz seine Frau Mary in die Drogensucht abgleiten lassen hat. Auch ihre beiden Söhne scheitern beim Versuch, eigene Lebensentwürfe zu finden. Am Morgen dieses einen langen Tages, den O’Neill schildert, erhält die Familie Gewissheit, dass Edmund, der jüngste Sohn, unheilbar krank ist. Auch dafür gibt der ältere Bruder Jamie dem Vater die Schuld, der wieder einmal beim billigsten Arzt der Gegend geblieben ist, statt rechtzeitig für die notwendige medizinische Behandlung von Edmund zu sorgen. Jamie ist Schauspieler wie sein Vater, doch er ist erfolglos, hasst seinen Beruf und trinkt. Mary Tyrone verdrängt den Ernst der Lage um Edmund und versucht, allen vorzuspielen, dass sie selbst die Suchtabhängigkeit überwunden hat. In einem großen nächtlichen Finale brechen die Lebenslügen in sich zusammen. O’Neills Stück ist einerseits ein realistisches Abbild einer Familientragödie, anderseits ist es durchzogen von Melancholie, grimmigem Humor und dunkler Romantik.
Sebastian Hartmanns Inszenierung geht dem Exemplarischen, dem geradezu Rituellen der Familienkonflikte der Tyrons nach. Er setzt dabei die handelnden Figuren in eine abstrakt-poetische Bühnenwelt und verzichtet auf eine naturalistische Ausgestaltung und chronologische Nacherzählung von O’Neills Dramentext. Die Darsteller*innen verfügen in seiner Inszenierung frei über die geprobten Situationen und Textpassagen und setzen sie in jeder Aufführung neu und live zusammen. Durch diese von Sebastian Hartmann entwickelte Spielweise wird jeder Theaterabend zu einer ‚Premiere‘ mit großer spielerischer Intensität.
Eine Pause.