Handlung
„So geht’s nicht weiter. Etwas muss sich ändern. Grundlegend und sofort.“ Davon überzeugt, bricht eine Gruppe Dresdner Bürger zu neuen Ufern auf. Natürlich per Schiff; die Dresdner sind erfahrene Dampfschifffahrer. Der Kurs ihrer Reise geht hart nach rechts, ihr Logbuch ist das „Blaue Buch“, in dem die Grundlinien für eine alternative Zukunft beschrieben werden.
Verrückt, auf wie viele Fragen dieses Buch eine Antwort hat! Natürlich darauf, wie das Zusammenleben auf dem Schiff organisiert werden muss, und was dabei die Frauen zu tun und zu lassen haben, und wie man die Geburtenrate steigert, damit am Ende der Reise die Richtigen in der Mehrzahl sind. Steht alles drin im „Blauen Buch“. Ebenso, was man mit einer erfahrende Schiffsmannschaft macht, von denen keiner eine Deutsche oder ein Deutscher ist ...
Das „Blaue Buch“ gibt Antworten, wo andere nur Fragen stellen. Mit Fragen aber kommt keiner zu neuen Ufern. Ressentiments und Zweifel bringen vom rechten Kurs ab! Gut, dass die Passagiere davon nicht gequält werden. Sie kämpfen dafür, dass das „Blaue Buch“ konsequent umgesetzt wird.
Wenn einigen das übertrieben und radikal erscheint, sei’s drum: Für einen Kurswechsel braucht es Entschlossenheit. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, und wenn Dresden die Hauptstadt der Bewegung werden soll, dann darf nicht gekleckert werden.
Volker Löschs neue Inszenierung spielt mit grotesker Überzeichnung durch, was passiert, wenn die politischen Forderungen der neuen Rechten kompromisslos umgesetzt werden. Und fragt: Wer leistet in Dresden Widerstand dagegen?
Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass in den Vorstellungen Stroboskopeffekte eingesetzt werden, die bei Epileptikern oder epilepsiegefährdeten Personen unter Umständen Anfälle auslösen können. Wir bitten Sie um Beachtung.
Verrückt, auf wie viele Fragen dieses Buch eine Antwort hat! Natürlich darauf, wie das Zusammenleben auf dem Schiff organisiert werden muss, und was dabei die Frauen zu tun und zu lassen haben, und wie man die Geburtenrate steigert, damit am Ende der Reise die Richtigen in der Mehrzahl sind. Steht alles drin im „Blauen Buch“. Ebenso, was man mit einer erfahrende Schiffsmannschaft macht, von denen keiner eine Deutsche oder ein Deutscher ist ...
Das „Blaue Buch“ gibt Antworten, wo andere nur Fragen stellen. Mit Fragen aber kommt keiner zu neuen Ufern. Ressentiments und Zweifel bringen vom rechten Kurs ab! Gut, dass die Passagiere davon nicht gequält werden. Sie kämpfen dafür, dass das „Blaue Buch“ konsequent umgesetzt wird.
Wenn einigen das übertrieben und radikal erscheint, sei’s drum: Für einen Kurswechsel braucht es Entschlossenheit. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, und wenn Dresden die Hauptstadt der Bewegung werden soll, dann darf nicht gekleckert werden.
Volker Löschs neue Inszenierung spielt mit grotesker Überzeichnung durch, was passiert, wenn die politischen Forderungen der neuen Rechten kompromisslos umgesetzt werden. Und fragt: Wer leistet in Dresden Widerstand dagegen?
Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass in den Vorstellungen Stroboskopeffekte eingesetzt werden, die bei Epileptikern oder epilepsiegefährdeten Personen unter Umständen Anfälle auslösen können. Wir bitten Sie um Beachtung.
Dauer der Aufführung: ca. 2 Stunden.
Keine Pause.
Keine Pause.
Besetzung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Mit
Leo Goldberg, Ursula Hobmair, Holger Hübner, Hannah Jaitner, Karina Plachetka, Matthias Reichwald, Daniel Séjourné, Oliver Simon, Nadja Stübiger, Yassin Trabelsi
sowie mit den Initiativen
Mission Lifeline e. V., Tolerave e. V., Bündnis gegen Rassismus. Für ein gerechtes und menschenwürdiges Sachsen., Herz statt Hetze, Dresdner Antifaschist*innen, Straßengezwitscher e. V., Banda Internationale, Dresden kippt!, Nationalismus raus aus den Köpfen
Das Blaue Buch versammelt Zitate die in AfD-Kreisen gesagt oder geschrieben wurden, auf der Bühnen bilden sie die Grundlage der neuen Gesellschaft.
Regisseur Volker Lösch treibt das Spiel mit den AfD-Zitaten auf die Spitze. Das Stück spielt alles fiktiv bis zur schlimmsten denkbaren Konsequenz durch und der Regisseur fragt, warum man das eigentlich nicht tun sollte.
Wie es auf der Bühne dann weitergeht, das überrascht dann nicht. Die Gesellschaft kollabiert natürlich erst wirtschaftlich, dann moralisch. Parallel zu diesem Niedergang bietet das Theater dann denen eine Bühne, die sich gegen Gewalt oder Fremdenhass in Dresden engagieren. Für vielen von ihnen ist klar: Mit Rechten reden, diese Zeiten sind für sie vorbei.
Am Ende verbrüdert sich die Schiffsbesatzung mit muslimischen Extremisten und die Dresdner Initiativen wenden sich stimmgewaltig gegen eine Koalition mit der AfD. Das Publikum zeigt sich mehrheitlich begeistert aber auch vereinzelt nachdenklich.
Dresden erlebte einen lauten, bildgewaltigen Theaterabend mit einer wirklich überdeutlichen politischen Botschaft.“
Wohin würde die Reise gehen, wenn man das Parteiprogramm der AfD ernst nähme? Volker Lösch hat diese Frage am Staatsschauspiel Dresden inszeniert. Der Kritiker war von DAS BLAUE WUNDER begeistert.
Volker Lösch kontrastiert diese AfD-Groteske mit neun kurzen Szenen, die zwischen die Schiffshandlung geschnitten werden. In ihnen treten reale Protagonisten für ein weltoffenes Dresden vor den Vorhang und sprechen sich unter anderem gegen schärfere Polizeigesetze aus. Immer aber auch gegen eine Politik, die das AfD-Problem in Sachsen klein rede. Von Seenotrettern, ‚Mission Lifeline‘, über ‚Herz statt Hetze‘ bis ‚Banda Internationale‘ reicht das Spektrum. Die Sprecherin, die zuletzt auftritt, wünscht sich ‚vor allem‘, dass man in Dresden ‚raus aus der Opferrolle‘ komme und ‚dass wir die Geschichte kritisch reflektieren‘.
Am Ende des knapp zweieinhalbstündigen Theaterabends steht ein bunter Chor realer Bürger auf der Bühne. Es sind viele, die trotzdem fordern: ‚Wir müssen mehr werden‘. Und: ‚Mischt Euch ein!‘ Sie fordern die Parteien für den bevorstehenden Landtagswahlkampf auf, sich glaubwürdig gegen eine Koalition mit der AfD auszusprechen. Der Schlusssatz lautet – und ist auch eine Vision: ‚Sachsen kann richtig geil FÜR ALLE werden!‘
Hingehen und sich selbst ein Bild machen. Das Format Theater, jenseits aller wertenden Maßstäbe, was eine Bühne darf oder nicht, ist groß genug. Auch für diesen Abend, der schauspielerisch, inszenatorisch, bühnen- und kostümbildnerisch, lichttechnisch, aber auch ton- und bühnentechnisch – wie hier das Schiff sich dreht und wendet, auf- und abtaucht – auf einem exzellenten Niveau stattfindet.
Volker Lösch hat 15 Jahre lang die Dresdner Befindlichkeiten immer wieder klug und ausgewogen auf die Bühne gebracht. Und die Mechanik hinter den Ideologien entlarvt, wo er hier, in dieser Inszenierung, aus dem ‚Spiegel‘ vom Februar 1990 zitieren lässt – offenkundig sind es West-Leser, die es in Leserbriefen eine Schande nennen, wie DDR-Flüchtlinge mit Geschenken überhäuft würden.“
Lösch, der Agita-Torhüter, der keine Wattebällchen in sein Theater hereinlässt. Wieder gelingen ihm grandios greifende Choreografien. Dieser Regisseur verdirbt. Er schnitzt mit der Axt. Er ist ein hemmungsloser Hintertreiber aller unkämpferischen Opulenz.
Dieses Theater ist unangenehm deutlich, es schrotet, es kantet, es schreddert den zeitverlorenen Feinsinn, wo immer der keimt. Geradezu grässlich. Also unverzichtbar. Darin schön. Schön ist, aufgebracht, nervös, zerrissen zu werden.
Schauspielerisch eine Parade der Folien, der lebenden Austauschbarkeiten – was den dynamisch, quirlig, grell agierenden Akteuren wenig Möglichkeiten bietet, aber eine Typisierung etabliert, die den Schauerstoff präzis parodierend in den Saal knallt. Es geht nicht um die berührende Ausformung von Schicksalen, es geht um einen Zorn, der vielleicht schon in vielen Köpfen und Gemütern hockt, ängstlich, mutlos, noch allein. Rückt zusammen! – Entrücktheit mag woanders stattfinden.
Die Inszenierung ist derb, sie verhindert nicht Differenzierung, sie kennt keine. Die Aufführung besitzt einen rasanten Rhythmus, sie setzt sich kraftsouverän einer Monotonie des Absehbaren aus, Lösch weiß aufzupulvern. Der Dampf, der hier abgelassen wird, hat seine Temperatur von dem, was draußen kocht.“
Lösch forciert ein Sketch- und Typenkabarett zwischen Groteske, Satire und Agitprop, bei dem es nur selten was zu lachen gibt. Aber auch, wenn sich Publikum und Bühne im Wesentlichen einig sein dürften, dass die AfD keine normale, sondern eine rechtsradikale Partei ist, wagt das Dresdner Haus mit dieser Premiere etwas. Schließlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass die AfD nach der Landtagswahl im Spätsommer Teil der Regierung wird, vielleicht sogar stärkste Kraft im Parlament. Was dann?
Das malt DAS BLAUE WUNDER grell aus, an dessen Ende ein offenbar bürgerlich-konservativer Politiker der Schiffsbesatzung freundlich die Stadt übergibt. Auf seinem Weg dahin hat das Stück fiese AfD-Zitate auf seiner Seite, aus Parteiprogrammen, Aufsätzen, Reden. Außerdem haben die Autoren die eine oder andere überraschende Perspektivenverschiebung eingebaut wie die mit dem Spiegel-Pamphlet. Dazu punktet Cary Gaylers Titanic-Bug, der mit seinem Gerüst Dresdens berühmte Hängebrücke (Das Blaue Wunder) zitiert, mühelos im Boden verschwindet und wieder auftaucht, sich dreht und wendet und auch als Schattenriss vorm leuchtenden Rundhorizont für spektakuläre Bilder sorgt.
Die zehn Schauspieler setzen auf genaues Text-Stakkato, chorischen Druck, satirische Zuspitzungen.
Der eigentliche Clou sind die Vertreter der Initiativen, die gegen Nazis kämpfen und gegen Ende hin immer öfter die Szenenfolge mit ihren Statements unterbrechen. Nach drögem Einstieg wird ihr Ton authentischer, mischen sich kämpferische Parolen mit der Utopie eines Dresdens, eines Sachsens, das für alle da ist. Zum Schluss treten sie als Chor auf, rufen: ‚Mischt euch ein!‘
Ist das Kunst? Soziale Plastik? Agitation? Auf jeden Fall ist es ein entschiedener, vielleicht ein wenig hilfloser, aber empathischer Versuch, der politischen Entwicklung etwas entgegenzusetzen, zu mehr sichtbarem Widerstand gegen eine menschenverachtende Partei auch außerhalb des Theaters aufzurufen. Damit Dresden kein blaues Wunder erlebt.“
Es gibt viele groteske, sketchartige Szenen und allerlei Eindeutigkeits-Typen, wenn auch einiges arg plakativ wirkt.
Aber zugleich entsteht auch eine Art Psychogramm der AfD. Und ein Bild von den Möglichkeiten, sich zu wehren. Dafür stehen immer wieder Aktivisten und Aktivistinnen zu kurzen Selbstdarstellungs-Statements im Scheinwerferlicht und bieten eine positive Gegendarstellung. Wunderbar sind die Auftritte vom Schauspieler Holger Hübner, der sich vor dem Eisernen, die Zeitschrift Spiegel in der Hand, über die Tatsache aufregt, dass in Heimen und Lagern gesoffen und sich geprügelt wird. Auch gab es sexuelle Belästigungen von Frauen. Manche Männer seien direkt aus dem Gefängnis auf der Flucht vor den Kosten für Alimente gekommen. 13.000 habe das im Jahr gekostet. Doch der Spiegel-Text stammt von 1990 und agitiert gegen die Übersiedler aus der DDR in den Westen. Als Gegenmodell gegen die Ausländerfeindlichkeit der AfD kommen schließlich nacheinander noch viele junge Menschen auf die Bühne, die ihre eigenen Wertvorstellungen einsetzen für ein Gegenmodell der Verhaltensmöglichkeiten. Und wenn ganz am Schluss ein riesiger Chor an Menschen, alles Aktivisten, die nicht in Uniformen kommen, sondern in je individueller Kleidung auch als ein Beispiel für Diversität und Offenheit stehen, dann ist auch dies ein starkes Statement eines kräftigen Abends.“
DAS BLAUE WUNDER ist weder eine perfekte Theatercollage noch eine subtile Andeutung von Missständen. Aber die politische Relevanz ist großartig. Die Entscheidung, diesen zweistündigen Aufrüttlungsversuch derartig in Szene zu setzen, ist respekteinflößend. Und wenn er dann auch noch Hoffnung ausstrahlt, reißt er mit. Stehen doch zum Schluss auf der Bühne couragierte Menschen, die den Zuschauern entgegenschreien: ‚Sachsen kann richtig geil für alle werden!‘ Zugegeben, das klingt naiv. Muss aber mit dem richtigen Kreuz auf dem Wahlzettel keine idealistische Utopie sein.“
Zur Musik von Wagners ‚Fliegendem Holländer‘ taucht aus dem Bühnenboden ein dreistöckiges Schiffsgerüst aus Stahlstreben auf. Ein beeindruckendes Bühnenbild von Cary Gayler.“
Lösch hält den Bürgern der Stadt – aber nicht nur ihnen – einen Spiegel vor. Mehrmals wird die Groteske durch Auftritte von Protagonisten Dresdner Initiativen für Flüchtlinge und gegen Rechts unterbrochen. Sie machen nicht nur deutlich, wofür das ‚andere Dresden‘ steht, sondern äußern zugleich ihre Sorgen über einen möglichen Rechtsruck nach den Kommunal- und Landtagswahlen in diesem Jahr.“