Dresdner Reden 2025
Seit nunmehr 34 Jahren laden die Sächsische Zeitung und das Staatsschauspiel Dresden Persönlichkeiten des nationalen und internationalen Kultur- und Geisteslebens ein, die an einem Sonntagvormittag im Schauspielhaus eine Dresdner Rede halten. Menschen aus Politik, Kunst, Sport, Wissenschaft und Journalismus sprechen zu einem Thema ihrer Wahl und leisten damit einen Beitrag zum Diskurs der Gegenwart. Verbunden sind diese Beiträge durch den „Gedanken zur Zeit“. Wir freuen uns, Ihnen die Redner*innen der diesjährigen Ausgabe unseres beliebten Formats verkünden und näher vorstellen zu dürfen.
Termine
Redner*innen
Sonntag, 02.03.2025, 11.00 Uhr
Natalie Amiri
deutsch-iranische Journalistin
„Pulverfass Naher Osten & Iran – Die Auswirkungen und Herausforderungen für Europa“
Den Auftakt zur traditionsreichen Reihe macht am 2. März 2025 die deutsch-iranische Journalistin Natalie Amiri. Diese reist immer wieder in kriegsgeschädigte Regionen wie Syrien und Afghanistan, um der Öffentlichkeit ein sachliches Verständnis komplexer Krisenherde vermitteln zu können. Dabei erläutert die versierte Auslandskorrespondentin politische Zusammenhänge, ohne je den humanistischen Bezug auszuklammern. Das politische Geschehen im Nahen Osten ist seit Jahren von Repression und Gewalt geprägt. In vielen Ländern unterdrücken autokratische Regierungsformen die eigene Bevölkerung. Der nach dem brutalen Terroranschlag der Hamas auf Israel einsetzende Krieg Israels in Gaza hat mehr als 40.000 Tote gefordert, und in den angrenzenden Regionen beschleunigen islamistische Milizen die Flächenbrände. Inzwischen ist die sogenannte „Achse des Widerstands“ nahezu pulverisiert, die Sicherheitsarchitektur der Islamischen Republik Iran marode geworden. Nach dem überraschenden Sturz des syrischen Machthabers Assad macht sich nun Hoffnung breit. Seit diesem revolutionären Regimewechsel ist auch der Iran geschwächt. So konnte die deutsch-iranische Journalistin und Korrespondentin Natalie Amiri wieder nach Damaskus reisen und dort mit den vorerst befreiten Menschen sprechen. Mit diesen Eindrücken im Gepäck vermittelt die Buchautorin und Trägerin des Walter-Lübcke-Demokratie-Preises mit ihrer Rede unter dem Titel „Pulverfass Naher Osten & Iran – Die Auswirkungen und Herausforderungen für Europa“ einen Einblick in eine hochkomplexe Situation und zeigt, welche internationalen Folgen diese Konfliktdimension auch für Europa haben kann.
Sonntag, 09.03.2025, 11.00 Uhr
Steffen Mau
Soziologe und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin
„Warum fallen uns gesellschaftliche Veränderungen so schwer?“
Eine Woche später, am 9. März 2025 wird Steffen Mau im Schauspielhaus sprechen. Der Rostocker Soziologe und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin lieferte kürzlich mit seiner Bestseller-Analyse UNGLEICH VEREINT. WARUM DER OSTEN ANDERS BLEIBT einen konstruktiven Beitrag zur Ost-West-Debatte, indem er sich dafür aussprach, Unterschiede zwischen den Bundesländern nicht restlos auflösen zu müssen. In einer Zeit der Überforderung und des Entweder-Oder zwischen den Meinungsfronten erinnert Maus Plädoyer daran, dass auch in der Einheit Unterschiedliches fortbestehen dürfe. Aus seiner differenzierten und stets zugewandten Beobachtung leitet Mau zudem praktische Vorschläge ab, wie man in Zukunft den Menschen zu einer direkteren Teilhabe an der Demokratie verhelfen könne. Im Jahr 2021 wurde Steffen Mau durch die Bundesregierung in den Sachverständigenrat für Integration und Migration berufen. Für UNGLEICH VEREINT erhielt er 2024 den Bayerischen Buchpreis.
Gesellschaftliche Veränderungen bringen viele Spannungen und Konflikte mit sich. Manchen geht der soziale Wandel nicht schnell genug, andere wollen ihn in jedem Fall verhindern und stemmen sich mit aller Kraft dagegen. Die gesellschaftlichen Fliehkräfte nehmen zu. In seinem Vortrag mit dem Titel „Warum fallen uns gesellschaftliche Veränderungen so schwer?“ fragt Steffen Mau, warum Wandlungsgesellschaften in so großen Stress geraten und warum es so schwerfällt, sich umzustellen. Anhand von Beispielen zeigt er, warum Wandel oft misslingt und was die Gelingensbedingungen erfolgreicher Veränderungen sein könnten. Er fragt auch danach, wie sich unter den gegenwärtigen Bedingungen unser Begriff von Fortschritt verändert und was das für die Veränderungsbereitschaften in der Gesellschaft bedeutet.
Sonntag, 16.03.2025, 11.00 Uhr
Charly Hübner
Schauspieler
„‚Wahnsinn in Tüten‘? – Narrenfigur und Öffentlichkeit im Wandel“
Die Reihe der DRESDNER REDEN 2025 beschließt am 16. März 2025 der Schauspieler Charly Hübner mit seiner Rede „‚Wahnsinn in Tüten‘? – Narrenfigur und Öffentlichkeit im Wandel.“
Jahrgang 1972, hat er seine Schauspielausbildung an der renommierten Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ absolviert. Er spielte u. a. an der Schaubühne in Berlin, am Schauspielhaus Zürich sowie für das Schauspiel Köln. Einem breiten Publikum ist er durch seine Rolle als Kommissar Bukow im Rostocker POLIZEIRUF 110 bekannt und erhielt dafür 2013 den Bayerischen Filmpreis. Für seine Rolle als Oberstleutnant Schäfer im Fernsehfilm BORNHOLMER STRASSE erhielt er 2015 den Grimme-Preis. Seine Arbeiten am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg brachten ihm die Auszeichnung mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring ein. 2023 gab Hübner sein Regiedebüt mit dem Spielfilm SOPHIA, DER TOD UND ICH. Seit 2024 kann man Hübners Dokumentation über die Band „Element of Crime“ sehen. Ebenfalls in diesem Jahr veröffentlichte Charly Hübner WENN DU WÜSSTEST, WAS ICH WEISS ... DER AUTOR MEINES LEBENS, eine sehr persönliche Hommage an seinen Lieblingsschriftsteller Uwe Johnson.
„Wahnsinn in Tüten“ ist eine in Norddeutschland verbreitete Redewendung, die verwendet wird, um eine unglaubliche bis verrückt anmutende Entwicklung der Ereignisse oder Verhältnisse zu bezeichnen. Charly Hübner nutzt diesen Ausdruck, um in seiner Rede die Veränderung der Narrenfigur und ihrer Rolle im öffentlichen Raum zu diskutieren. Der Narr hatte historisch immer eine kommentierende, spiegelnde Funktion, ob bei Hof oder auf dem Theater. Herausgehoben aus realen Entscheidungszusammenhängen bildete er damit ein gesellschaftliches Korrektiv. Der Narr auf der Bühne adressierte das Publikum direkt, verwob die Fiktion der Bühnenwelt mit der Realität der Zuschauenden. Was passiert aber, wenn die Mächtigen sich wie Narren verhalten oder des Narren Irrsinn einsetzen? Und was passiert mit den Narren selber? Sollen sie jetzt die Rolle des rechten Maßes oder der moralischen Hochwacht übernehmen? Besonders in Zeiten des Wahlkampfes werden die Agierenden zu Rollenträgern, komplexe Zusammenhänge werden auf einfachste Slogans reduziert und melodramatische Muster von Gut und Böse zitiert. Charly Hübner befragt in seiner Rede die neuen Formen der „Ästhetisierung der Politik“ (Walter Benjamin) sowie die Rollen- und Sprachbilder, die auf der politischen Bühne verwendet werden. Und er befragt die eigene Position als Künstler, der ähnlich wie Hamlet in Shakespeares Welt, versucht, Mittel und Wege zu finden, dem Wahnsinn des Realen zu begegnen.