Premiere 27.04.2018
› Schauspielhaus
Yerma
Handlung
Er ist einer der bedeutendsten Dichter Spaniens des 20. Jahrhunderts: Federico García Lorca, geboren 1898 im andalusischen Weiler Fuente Vaqueros nahe Granada; seine Stücke schmücken die Spielpläne von New York bis Berlin noch heute – über 80 Jahre nach seiner Ermordung durch die nationalistischen und erzkatholischen Falangisten.
Der renommierte Regisseur Andreas Kriegenburg, der am Staatsschauspiel Dresden bereits BERNARDA ALBAS HAUS gezeigt hat, wird nun Lorcas Tragödie YERMA aus dem Jahre 1934 über das ausweglose Leid der Kinderlosigkeit in Szene setzen.
Es ist ein Stück über Unerfülltheit: Lorcas Heldin, Yerma – schon der Name bedeutet in seiner literarischen Übersetzung „Die Brache“ –, ist die Frau eines einfachen Bauern. Anfänglich glücklich verheiratet, droht sie schon bald über der vermeintlichen Schande, nicht schwanger zu sein, verrückt zu werden; Kinder gebären wird schließlich als raison d’etre vorausgesetzt. Doch Yermas Liebesleben ist so körperbetont wie das der Hildegard von Bingen. So gehen die Jahre dahin und ihr Wunsch nach Kindern und der Druck der Gesellschaft, in der sie lebt, werden unerträglich. Dumm nur, dass ihr Mann Juan seinerseits so gar kein Interesse an der Reproduktion hat. Zudem erlaubt Yerma der Ehrenkodex keinen Treuebruch. Ihre Verfasstheit und die Umstände zwingen sie schließlich zu einer unwiderruflichen Tat – der Ermordung ihres Ehemanns.
Lorcas dunkle Poesie rückt die Not Yermas in die Sphären des Traumhaften, die im Symbolischen verhaftet sind; er zeigt uns eine Frau, die außerhalb des Lebens steht. Eine zutiefst menschliche Erfahrung – eben darin ist sie uns so nah.
Der renommierte Regisseur Andreas Kriegenburg, der am Staatsschauspiel Dresden bereits BERNARDA ALBAS HAUS gezeigt hat, wird nun Lorcas Tragödie YERMA aus dem Jahre 1934 über das ausweglose Leid der Kinderlosigkeit in Szene setzen.
Es ist ein Stück über Unerfülltheit: Lorcas Heldin, Yerma – schon der Name bedeutet in seiner literarischen Übersetzung „Die Brache“ –, ist die Frau eines einfachen Bauern. Anfänglich glücklich verheiratet, droht sie schon bald über der vermeintlichen Schande, nicht schwanger zu sein, verrückt zu werden; Kinder gebären wird schließlich als raison d’etre vorausgesetzt. Doch Yermas Liebesleben ist so körperbetont wie das der Hildegard von Bingen. So gehen die Jahre dahin und ihr Wunsch nach Kindern und der Druck der Gesellschaft, in der sie lebt, werden unerträglich. Dumm nur, dass ihr Mann Juan seinerseits so gar kein Interesse an der Reproduktion hat. Zudem erlaubt Yerma der Ehrenkodex keinen Treuebruch. Ihre Verfasstheit und die Umstände zwingen sie schließlich zu einer unwiderruflichen Tat – der Ermordung ihres Ehemanns.
Lorcas dunkle Poesie rückt die Not Yermas in die Sphären des Traumhaften, die im Symbolischen verhaftet sind; er zeigt uns eine Frau, die außerhalb des Lebens steht. Eine zutiefst menschliche Erfahrung – eben darin ist sie uns so nah.
Dauer der Aufführung ca. 3 Stunden.
Eine Pause.
Eine Pause.
Besetzung
Regie
Andreas Kriegenburg
Bühne
Harald Thor
Kostüme
Musik
Marcel Blatti
Licht
Dramaturgie
Yerma
Deleila Piasko
Maria
Tabitha Frehner
Maria alternierend
Marie Jordan
Alte
Dolores
Juan
Victor
Mathis Reinhardt
1. Wäscherin / 1. Schwägerin
2. Wäscherin / 1. Mädchen
Claudia Korneev
3. Wäscherin / 2. Mädchen
Marina Poltmann
4. Wäscherin / 2. Schwägerin
5. Wäscherin / 4. Mädchen
Tammy Girke
Statistinnen
Marlen Bieber, Mae Dettenborn, Paula Götz, Klara Hofmann, Anne Rotzsch, Elisabeth Helene Sperfeld
Ein weißer leerer Kasten, gleißendes Licht. Als symbolisches Gefängnis für die Hauptfigur Yerma hat Bühnenbildner Harald Thor einen minimalistischen Guckkasten hingezimmert. In dieser kalten Welt ist viel Platz für das 17-köpfige Ensemble. Eindrucksvoll fährt oft ein zweiter drehbarer Puppenstuben-Würfel nach vorn. Noch tanzt Yerma exzessiv, biegsam, mit fliegenden Haaren. Aber immer dichter rücken ihr die Wäscherinnen auf den Leib.
Auf schwarze Stühle gestützt, geben sie krachend den Tanzrhythmus vor und bedrängen sie körperlich sowie chorisch sprechend: ‚Wo ist dein Kind?‘ In einem Kosmos, der aus tradierter Züchtigkeit und öder Hausarbeit besteht, ist Mutter-Sein der einzige Lebenssinn.
Das ist ihre erste große Rolle am Staatsschauspiel. Und bei dieser Energie und Überzeugungskraft sicher nicht die letzte. Voller Zorn quetscht sie als Yerma ihren Mann Juan, den Simon Werdelis tapfer spielt, an die Wand und schreit ihm in den Mund. Oder sie bekriecht, bedrängt und bekämpft ihn wie besessen. Alles an ihr ist verzweifelter Vorwurf.
Grandios körperlich und tänzerisch ist die gesamte Inszenierung angelegt. Choreografien und streng komponierte Abläufe zeigen einen dominanten Regie-Duktus voller Einfälle und Spannungsaufheller. In blau gedimmten Traumsequenzen entstehen die sinnlichsten Bilder, wenn Yerma sich in die Arme des Schäfers Victor wünscht. Überzeugend verkörpert Gastdarsteller Mathis Reinhardt diesen männlichen Gegenpart.
Ästhetisch auf höchstem Niveau durchziehen chorische Gesänge und Arrangements von Marcel Blatti den Abend. Und doch wird man nie eingelullt, Brüche setzen gezielte Wahrnehmungsspitzen.
Generell zeigt der Abend eine gestrige ehrverkrustete Gesellschaft. So entflieht Yerma ihrer Familienhölle nicht: Sie erwürgt den Hausherren am Ende in einem Berg aus Männerhemden. Wunderbar wäre es, wenn gerade die emanzipationsverängstigten Bürger ‚Yerma‘ sähen und ernsthaft überlegten: Sind diese Rollenbilder die Basis einer funktionierenden Gesellschaft?“
Andreas Kriegenburgs Inszenierung ist in einer fein gearbeiteten Abfolge der Choreografien, der Farbdramaturgie, der klaren Architekturen und Lichtstimmungen immer gediegene Unterhaltung. Die aufgeschlagene blutrote Wassermelone vor dem blütenweißen Kleidchen; die alten Jungfern, die Juan zur Überwachung seiner Frau ins Haus holt, wie bizarre Todesvögel in langen zotteligen Kleidern.“
Diese Traumsequenzen inszeniert Kriegenburg ganz großartig. Die Bühne in sanftes Blau getaucht, lässt er den Hauptdarstellern nur ihr eigentliches Instrument, um sich auszudrücken: den Körper. Zwischen Piasko und Simon Werdelis als Yermas Ehemann Juan sowie Mathis Reinhardt als ihre Jugendliebe Victor entstehen so kraftvolle und poetische Choreografien. Mal werden ihre Bewegungen wie Marionetten von den zwölf Frauen geführt, mal tanzen und kämpfen sie selbst. Auch ihre Dialoge übernehmen zuweilen die Frauen wie im Kanon, was zusätzlich sphärisch entrückt wirkt. Als Kontrast folgt dieselbe Szene noch einmal in der Realität, ganz gewöhnlich gespielt von den Darstellern. Was diese in ‚Yerma‘ leisten, ist ein wahrer Kraftakt, dem man hohen Tribut zollen muss.“
Die Ausstattung ist karg, doch überaus effektvoll. Regieeinfälle wie der Tanz der Hände der aufgereiht am Tisch sitzenden Frauen oder die Choreografie der Wäscherinnen fesseln mit szenischer Raffinesse und starken Bildern.
Kriegenburgs ‚Yerma‘ ist ein packendes, bühnenästhetisch überzeugend inszeniertes Stück Theater, von einem famosen Ensemble gespielt.“
Im Stück ist ein leidenschaftlicher Aufruf zu einem lustvolleren Leben versteckt. Die in Dresden von Hannelore Koch gespielte Alte ist die eigentliche Fürsprecherin des Autors: Sie plädiert gegen die Kindersucht der Frauen und gegen den machohaften Ehrbegriff der Männer für ein unbefangenes Ausleben der sexuellen Begierden und Phantasien.“
Alles vorhanden: der Weiberpulk als aggressives Elend der öffentlichen Meinung; die südliche Gemütswelt als schön bewusster, bewusst schöner Wechsel von Weiß zu Blau, von Weiß zu Rot, von Keckheit zu Klage; das Sprechen aufgefangen vom weiblichen Tanz, der Tanz hinübergeleitet zur männlichen Erschöpfung, die an hoher Wand zu Boden sinkt. … Kriegenburg kann das, er konnte das schon immer: Schmetterlinge aufspießen, die zu ihrem Glück nicht mehr leben. …Dieser Regisseur düstert stets nur so viel ein, dass es brillant skurril bleiben darf.
Yerma und ihr Mann, das sind zwei Menschen, die jeweils sehr prinzipienfest einzig auf sich selbst bestehen. So, wie Yerma kampfhaft am Kinderwunsch festhält, kann sie auch der unheilvollen Beziehung zu ihrem Mann kein Ende setzen. Nichts ist schwerer zu lernen: Auch Stärke kann ein Elend sein.“