Premiere 17.01.2015
› Schauspielhaus
Wie es euch gefällt (2015)
Komödie von William Shakespeare
Deutsch von Jürgen Gosch und Angela Schanelec
Deutsch von Jürgen Gosch und Angela Schanelec
Handlung
Sie haben es ja meist in sich, Shakespeares Wälder. Sie sind undurchschaubar und fiebrig wie der Athener Wald des „Sommernachtstraum“ oder Boten des Todes wie Birnams Wald im „Macbeth“. Auch in „Wie es euch gefällt“ lässt Shakespeare seine Figuren unter Bäumen wandeln – doch dieser Wald von Arden ist kein Dickicht, keine Falle. Es ist der vielleicht schönste Ort der Freiheit, den der Autor je erfand. Der Wald von Arden löst seine neuen Bewohner aus ihren Zwängen und Nöten. Der verfolgte Herzog, der sich unter sein Blätterdach flüchtet, lässt alle Last von Politik und Macht von sich abfallen und widmet sich stattdessen dem Schwelgen und Singen. Auch die anderen von der höfischen Gesellschaft Ausgestoßenen – Orlando, Rosalinde, Celia – finden in der Natur mehr als nur Asyl. Sie finden ein Schäferleben, tauschen Rollen, spielen verliebt ein Spiel um Identitäten und Anziehungen. Alles ist möglich im Wald von Arden, alles erlaubt, und so begegnen sich vom Herzog bis zur Hirtin die Menschen an diesem seltsam poetischen Ort. Nirgendwo, so erzählt uns Shakespeare, ist der Mensch so nah bei sich wie dort, wo er singt, wo er spielt, wo er liebt, wo er kann und nicht muss, wo er darf und nicht soll. Und mitten hindurch durch dieses Reich der Freiheit wandelt Touchstone, der Narr, der weiß, dass es zum Erkennen der Welt den Witz braucht. Und mit ihm eine der schönsten Figuren der Dramenwelt: Jaques, der Melancholiker, der noch einen Schritt weiter ist als der Narr. Jaques ist der Philosoph, der ans Ende des Denkens gelangt ist, der die Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit des Daseins vor Augen hat und doch nicht verzweifeln mag unter dem Dach der Blätter, unter dem Zelt des Himmels, unter dem Meer der Sterne.
Regie führt Jan Gehler, der seit 2013 Hausregisseur am Staatsschauspiel Dresden ist, unter anderem inszenierte er hier „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf und „Supergute Tage“ von Mark Haddon/Simon Stephens. Regiearbeiten führten ihn außerdem ans Hamburger Thalia Theater und das Stuttgarter Schauspielhaus.
Regie führt Jan Gehler, der seit 2013 Hausregisseur am Staatsschauspiel Dresden ist, unter anderem inszenierte er hier „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf und „Supergute Tage“ von Mark Haddon/Simon Stephens. Regiearbeiten führten ihn außerdem ans Hamburger Thalia Theater und das Stuttgarter Schauspielhaus.
Besetzung
Regie
Jan Gehler
Bühne
Kostüme
Irène Favre de Lucascaz
Musik
Dramaturgie
Robert Koall
Licht
Michael Gööck
Frederick, Bruder des Herzogs und Usurpator seines Gebiets / Der Herzog, in der Verbannung
Amiens, Edelmann, der den Herzog in der Verbannung begleitet / Le Beau, ein Hofmann in Fredericks Diensten
Christian Clauß
Jaques, Edelmann, der den Herzog in der Verbannung begleitet
Charles, Fredericks Ringer / Silvius, Schäfer
Valentin Kleinschmidt
Oliver, Sohn des Freiherrn Rowland de Boys / Corin, Schäfer
Thomas Schumacher
Orlando, Sohn des Freiherrn Rowland de Boys
Benjamin Pauquet
Touchstone, der Narr
André Kaczmarczyk
Rosalinde, Tochter des vertriebenen Herzogs
Sonja Beißwenger
Celia, Fredericks Tochter
Yohanna Schwertfeger
Phebe, eine Schäferin
Alexandra Sinelnikova
Adam, Bedienter Olivers / Audrey, ein Bauernmädchen
Henriette Hölzel
Musiker
Vredeber Albrecht, Lars Precht
Video
Einen Blick hinter die bunten Kulissen
Der Shakespeare-Spezialist Norbert Kentrup wirft einen Blick hinter die bunten Kulissen der elisabethanischen Verwechslungskomödie
Geburtstag! Der 450., die ganze Welt feiert William Shakespeare. Belegt ist im Taufregister, dass am 26. April 1564 ein „Gulielmus filius Johannes Shakspere“ getauft wurde. Man nimmt an, dass er drei Tage vorher, also am 23. April, geboren wurde. Der Todestag nach 52 Jahren ist dagegen mit Sicherheit belegt: der 23. April 1616.
Man weiß sehr wenig über diesen Mann aus Stratford-upon-Avon. Der größte Dichter der Welt, und nur Vermutungen, Spekulationen, Ungewissheiten, kaum Fakten.
Wie wurde Shakespeare Shakespeare? Die Wissenschaftler interpretieren die wenigen Fakten immer wieder auf neue Art, aber dadurch wird nicht deutlicher, wer er war.
Seine Theaterstücke fand er nicht wichtig, oder vielleicht wollte er, dass kein Beweismaterial gegen ihn vorlag. War er womöglich heimlicher Papist? Er verlegte seine Stücke nicht. Nur die Sonette, die er unter seinem Namen herausgab, schienen ihm kostbar. Seine Stücke kennen wir nur durch die „First Folio“-Ausgabe, die seine Freunde 1623, sieben Jahre nach Shakespeares Tod, herausgaben.
Als der junge William etwa 1580 nach London kam, war das Medium Theater das Aufregendste, Neueste. Man hatte entdeckt, dass man, wenn man beim Eintritt kassierte, mit Theater Geld verdienen konnte.
Dafür brauchte man Gebäude und neue Stücke. 1562 boomte Londons Theaterwelt, zu jener Zeit war die Stadt etwa halb so groß wie heute Dresden mit seinen 500000 Einwohnern. Hier gibt es in der Semperoper 1300 Plätze, im Schauspielhaus 800 und in der Staatsoperette 600. London aber hatte mit nur etwa 250000 Einwohnern sechs bis zehn große Theater, die ständig bespielt wurden. Es gab jeden Nachmittag ein Platzangebot für 6000 bis 10000 Zuschauer.
Die Architektur der Theater war aus den Gasthof-Innenhöfen und den Bärenhatz-Arenen entwickelt worden. Die Schauspieltruppen bestanden aus zwölf Männern und drei Knaben, es gab keine Regie, dafür war der Souffleur mit der wichtigste Mann, denn der hatte als Einziger das komplette Textbuch.
Um 14 Uhr läuteten die Glocken zum Nachmittagsgottesdienst, und Tausende nahmen das als Zeichen. Die Lehrlinge, Angestellten, Handwerker, Buchhalter, Höflinge, Mägde und Handwerkerfrauen ließen sehr zum Ärger der Kirchen und Unternehmer Arbeit Arbeit sein. Sie ruderten über die Elbe – nein, die Themse – zur Bankside ins außerhalb der Stadt liegende Vergnügungsviertel mit seinen Kneipen, Bordellen und Theatern.
Neugierig wollte man die neuesten Geschichten anschauen, den Klatsch und Tratsch vom jüdischen Kaufmann, der
einem Christen das Herz rausschneiden will, oder vom schwarzen Krieger, der eine weiße Senatorentochter heiratet und sie umbringt, oder von der gefährlichen Flucht von Rosalind und Celia und dem Werben von Orlando im Wald von Arden.
„Wie es euch gefällt“, das nicht nur in Deutschland so beliebte Burgruinen-, Park- und Freiluft-Sommertheaterstück. „As You Like It“, um 1599 entstanden, das heitere Verkleidungsspiel, das liebenswerte Schäferstück aus der guten
alten Zeit, die Pastorale mit Musik und Tanz über das Leben auf dem Land und in der Stadt mit den witzigen Liebeständeln der bunten Komiker.
Der Zuschauerraum und die Bühne im hellen Tageslicht verschmelzen zu einem gemeinsamen Erlebnisraum, einem Event, wenn Jacques in gutem Englisch so amüsant über unsere sieben Lebensalter philosophiert. Der dekorative Wald von Arden gibt eine prachtvolle Kulisse für die Komödie mit ihren Irrungen und Wirrungen in schönen historischen Kostümen.
Das ist eine Lesart dieses Stückes.
Aber wenn man anlässlich der Dresdner Premiere an einem nasskalten Januartag 2015 gedanklich in das 1997 rekonstruierte Globe Theatre an der Themse zurückkehrt, im menschenleeren Zuschauerraum steht, in den es durch das große Loch in der Decke reinregnet, und die leere, nackte erhöhte Bühne ohne Dekoration nur mit ihren bemalten Säulen ansieht, diesen runden Holzbau, in dem die Wucht der Shakespeare’schen Sprache, seine Wort,- Ton- und Spielkulisse, die Einheit von Bühne und Zuschauerraum, das gemeinsam gelebte und erlittene Leben der Schauspieler und Zuschauer alles erfüllte, dann entsteht im Kopf eine Reise in Shakespeares Zeit, in der das Stück wohl nicht nur nett und komisch war. Man blickt auf die damalige Zeit, auf eine Welt voller Umbrüche.
Man weiß sehr wenig über diesen Mann aus Stratford-upon-Avon. Der größte Dichter der Welt, und nur Vermutungen, Spekulationen, Ungewissheiten, kaum Fakten.
Wie wurde Shakespeare Shakespeare? Die Wissenschaftler interpretieren die wenigen Fakten immer wieder auf neue Art, aber dadurch wird nicht deutlicher, wer er war.
Seine Theaterstücke fand er nicht wichtig, oder vielleicht wollte er, dass kein Beweismaterial gegen ihn vorlag. War er womöglich heimlicher Papist? Er verlegte seine Stücke nicht. Nur die Sonette, die er unter seinem Namen herausgab, schienen ihm kostbar. Seine Stücke kennen wir nur durch die „First Folio“-Ausgabe, die seine Freunde 1623, sieben Jahre nach Shakespeares Tod, herausgaben.
Als der junge William etwa 1580 nach London kam, war das Medium Theater das Aufregendste, Neueste. Man hatte entdeckt, dass man, wenn man beim Eintritt kassierte, mit Theater Geld verdienen konnte.
Dafür brauchte man Gebäude und neue Stücke. 1562 boomte Londons Theaterwelt, zu jener Zeit war die Stadt etwa halb so groß wie heute Dresden mit seinen 500000 Einwohnern. Hier gibt es in der Semperoper 1300 Plätze, im Schauspielhaus 800 und in der Staatsoperette 600. London aber hatte mit nur etwa 250000 Einwohnern sechs bis zehn große Theater, die ständig bespielt wurden. Es gab jeden Nachmittag ein Platzangebot für 6000 bis 10000 Zuschauer.
Die Architektur der Theater war aus den Gasthof-Innenhöfen und den Bärenhatz-Arenen entwickelt worden. Die Schauspieltruppen bestanden aus zwölf Männern und drei Knaben, es gab keine Regie, dafür war der Souffleur mit der wichtigste Mann, denn der hatte als Einziger das komplette Textbuch.
Um 14 Uhr läuteten die Glocken zum Nachmittagsgottesdienst, und Tausende nahmen das als Zeichen. Die Lehrlinge, Angestellten, Handwerker, Buchhalter, Höflinge, Mägde und Handwerkerfrauen ließen sehr zum Ärger der Kirchen und Unternehmer Arbeit Arbeit sein. Sie ruderten über die Elbe – nein, die Themse – zur Bankside ins außerhalb der Stadt liegende Vergnügungsviertel mit seinen Kneipen, Bordellen und Theatern.
Neugierig wollte man die neuesten Geschichten anschauen, den Klatsch und Tratsch vom jüdischen Kaufmann, der
einem Christen das Herz rausschneiden will, oder vom schwarzen Krieger, der eine weiße Senatorentochter heiratet und sie umbringt, oder von der gefährlichen Flucht von Rosalind und Celia und dem Werben von Orlando im Wald von Arden.
„Wie es euch gefällt“, das nicht nur in Deutschland so beliebte Burgruinen-, Park- und Freiluft-Sommertheaterstück. „As You Like It“, um 1599 entstanden, das heitere Verkleidungsspiel, das liebenswerte Schäferstück aus der guten
alten Zeit, die Pastorale mit Musik und Tanz über das Leben auf dem Land und in der Stadt mit den witzigen Liebeständeln der bunten Komiker.
Der Zuschauerraum und die Bühne im hellen Tageslicht verschmelzen zu einem gemeinsamen Erlebnisraum, einem Event, wenn Jacques in gutem Englisch so amüsant über unsere sieben Lebensalter philosophiert. Der dekorative Wald von Arden gibt eine prachtvolle Kulisse für die Komödie mit ihren Irrungen und Wirrungen in schönen historischen Kostümen.
Das ist eine Lesart dieses Stückes.
Aber wenn man anlässlich der Dresdner Premiere an einem nasskalten Januartag 2015 gedanklich in das 1997 rekonstruierte Globe Theatre an der Themse zurückkehrt, im menschenleeren Zuschauerraum steht, in den es durch das große Loch in der Decke reinregnet, und die leere, nackte erhöhte Bühne ohne Dekoration nur mit ihren bemalten Säulen ansieht, diesen runden Holzbau, in dem die Wucht der Shakespeare’schen Sprache, seine Wort,- Ton- und Spielkulisse, die Einheit von Bühne und Zuschauerraum, das gemeinsam gelebte und erlittene Leben der Schauspieler und Zuschauer alles erfüllte, dann entsteht im Kopf eine Reise in Shakespeares Zeit, in der das Stück wohl nicht nur nett und komisch war. Man blickt auf die damalige Zeit, auf eine Welt voller Umbrüche.
England war bis 1531 katholisch, dann kam unter Heinrich viii. die Loslösung von Rom. Die Katholiken wurden verfolgt, ebenso unter Edward VI., der, als Neunjähriger zum König geworden, nur von 1547 bis 1553 regierte. Die katholische Maria machte alles wieder rückgängig, sie regierte fünf Jahre, nun wurden die Protestanten gejagt, gefoltert und hingerichtet. Unter Elisabeth I. ging es ab 1558 wieder andersrum, nun waren die Papstanhänger wieder das Ziel des Hasses.
Eine gefährliche, aufregende Zeit. Die spanische Armada wurde besiegt, die Welt wurde neu vermessen, Amerika und Indien wurden entdeckt, Musik, Theater, Malerei waren Tagesgespräch. Die Angst, was wird, wenn die Königin stirbt oder umgebracht wird und alles wieder anders ist, war fühlbar. Die Debatte darüber aber war gesetzlich verboten.
Ein funktionierendes System von Spitzel- und Geheimdiensten deckte verschiedene Verschwörungen und Komplotte auf, die Missetäter wurden unter großem Jubel hingerichtet. Schon ein Verdacht – trinkt der Gläubige beim pflichtgemäßen sonntäglichen Kirchenbesuch, wie es sich nun nach dem neuen Ritus gehört, mit aus dem Kelch oder vermeidet er es, ist er vielleicht ein verdeckter verkleideter Katholik, kein loyaler Untertan? –, eine Verleumdung vom Pfarrer, der als staatstragendes Organ seine Gemein-de kontrollierte, konnte eine Anklage nach sich ziehen und unausweichlich ohne juristische Verteidigung zum Schafott führen.
Die Zuschauer, geifernd und von Grusel erfasst, hörten die letzten Worte des Delinquenten, sahen, wie der Kopf abgehackt und auf einem Spieß an der London Bridge zur Warnung für Nachahmer aufgestellt wurde. In so einer Zeit spielt „Wie es euch gefällt“.
Schon beim ersten Auftritt breitet sich eine repressive Welt aus, wie unter einer Diktatur. Zwei junge Frauen (von jungen Männern gespielt, denn damals war es Frauen bei Strafe verboten, auf einer Bühne zu stehen), zitternd vor Angst, planen ihre Flucht vom Hof. Ein alter treuer Diener wird von seinem jungen Herrn auf die Straße zu den Bettlern geworfen. Ein gewissenloser Jüngling engagiert einen Killer, um seinen von der Erbfolge benachteiligten Bruder bei einem öffentlichen Ringkampf töten zu lassen. Der weggeputschte alte Herzog flieht mit seinen letzten Getreuen in den unwirtlichen, kalten Wald von Arden. Der Darsteller der Rosalind, verkleidet als Frau, verwandelt sich wieder zurück in einen Mann, um nicht auf der Reise überfallen zu werden. Die männliche Verkleidung ist kein Spaß, sondern der einzige Schutz vor Verfolgung und Vergewaltigung. Der Schauspieler nimmt sich vielleicht von einem an der Bühne stehenden Zuschauer den Hut, damit er nicht mehr adelig aussieht, sondern so wie die für einen Penny stehenden armen Leute aus der Menschenmenge vor der Bühne, die sogenannten Groundlings. Es gab damals eine klare, kontrollierte hierarchische Kleiderordnung, man durfte nur die seinem Rang oder seiner Profession vorgeschriebenen Gewänder und Hüte tragen.
Theater in Shakespeares Zeit war etwas Direktes, etwas zum Anfassen. Es war voller Überraschungen, Wunder, Unwahrscheinlichkeiten und Monstrositäten, wüst, blutig, grausam und brachial komisch, denn die Liebesszenen der Landbevölkerung waren sicherlich nicht politisch korrekt.
Wenn Jacques über die sieben Lebensalter spricht, sieht er vielleicht im Zuschauerraum eine Amme, die ein quäkendes Kind stillt, im Gentlemen-Room seitwärts hinter der Bühne einen dicken Richter, den er anspielt, oder ihm gegenüber, im ersten Rang, einen hageren Greis im Jugendwahn und unten als Groundling einen bärtigen Soldaten mit stolzgeschwellter Brust, mit dem er Einverständnis über unsere Reise zum Tod herstellt.
Wie überlebte man in einer Welt voller Spione, kirchlicher Kontrollen und staatlicher und gesellschaftlicher Gebote und Strafen? Wer ist wer, wie ist und wie scheint man – das war zumindest zu Shakespeares Zeiten mehr als ein Verwechslungsspiel.
Norbert Kentrup ist Schauspieler, Regisseur und Mitbegründer des Theaterensembles „Shakespeare und Partner“. Er war Vorstandsmitglied der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, und hat – als bisher einziger Deutscher – im Globe Theater in London den Shylock gespielt.
Eine gefährliche, aufregende Zeit. Die spanische Armada wurde besiegt, die Welt wurde neu vermessen, Amerika und Indien wurden entdeckt, Musik, Theater, Malerei waren Tagesgespräch. Die Angst, was wird, wenn die Königin stirbt oder umgebracht wird und alles wieder anders ist, war fühlbar. Die Debatte darüber aber war gesetzlich verboten.
Ein funktionierendes System von Spitzel- und Geheimdiensten deckte verschiedene Verschwörungen und Komplotte auf, die Missetäter wurden unter großem Jubel hingerichtet. Schon ein Verdacht – trinkt der Gläubige beim pflichtgemäßen sonntäglichen Kirchenbesuch, wie es sich nun nach dem neuen Ritus gehört, mit aus dem Kelch oder vermeidet er es, ist er vielleicht ein verdeckter verkleideter Katholik, kein loyaler Untertan? –, eine Verleumdung vom Pfarrer, der als staatstragendes Organ seine Gemein-de kontrollierte, konnte eine Anklage nach sich ziehen und unausweichlich ohne juristische Verteidigung zum Schafott führen.
Die Zuschauer, geifernd und von Grusel erfasst, hörten die letzten Worte des Delinquenten, sahen, wie der Kopf abgehackt und auf einem Spieß an der London Bridge zur Warnung für Nachahmer aufgestellt wurde. In so einer Zeit spielt „Wie es euch gefällt“.
Schon beim ersten Auftritt breitet sich eine repressive Welt aus, wie unter einer Diktatur. Zwei junge Frauen (von jungen Männern gespielt, denn damals war es Frauen bei Strafe verboten, auf einer Bühne zu stehen), zitternd vor Angst, planen ihre Flucht vom Hof. Ein alter treuer Diener wird von seinem jungen Herrn auf die Straße zu den Bettlern geworfen. Ein gewissenloser Jüngling engagiert einen Killer, um seinen von der Erbfolge benachteiligten Bruder bei einem öffentlichen Ringkampf töten zu lassen. Der weggeputschte alte Herzog flieht mit seinen letzten Getreuen in den unwirtlichen, kalten Wald von Arden. Der Darsteller der Rosalind, verkleidet als Frau, verwandelt sich wieder zurück in einen Mann, um nicht auf der Reise überfallen zu werden. Die männliche Verkleidung ist kein Spaß, sondern der einzige Schutz vor Verfolgung und Vergewaltigung. Der Schauspieler nimmt sich vielleicht von einem an der Bühne stehenden Zuschauer den Hut, damit er nicht mehr adelig aussieht, sondern so wie die für einen Penny stehenden armen Leute aus der Menschenmenge vor der Bühne, die sogenannten Groundlings. Es gab damals eine klare, kontrollierte hierarchische Kleiderordnung, man durfte nur die seinem Rang oder seiner Profession vorgeschriebenen Gewänder und Hüte tragen.
Theater in Shakespeares Zeit war etwas Direktes, etwas zum Anfassen. Es war voller Überraschungen, Wunder, Unwahrscheinlichkeiten und Monstrositäten, wüst, blutig, grausam und brachial komisch, denn die Liebesszenen der Landbevölkerung waren sicherlich nicht politisch korrekt.
Wenn Jacques über die sieben Lebensalter spricht, sieht er vielleicht im Zuschauerraum eine Amme, die ein quäkendes Kind stillt, im Gentlemen-Room seitwärts hinter der Bühne einen dicken Richter, den er anspielt, oder ihm gegenüber, im ersten Rang, einen hageren Greis im Jugendwahn und unten als Groundling einen bärtigen Soldaten mit stolzgeschwellter Brust, mit dem er Einverständnis über unsere Reise zum Tod herstellt.
Wie überlebte man in einer Welt voller Spione, kirchlicher Kontrollen und staatlicher und gesellschaftlicher Gebote und Strafen? Wer ist wer, wie ist und wie scheint man – das war zumindest zu Shakespeares Zeiten mehr als ein Verwechslungsspiel.
Norbert Kentrup ist Schauspieler, Regisseur und Mitbegründer des Theaterensembles „Shakespeare und Partner“. Er war Vorstandsmitglied der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, und hat – als bisher einziger Deutscher – im Globe Theater in London den Shylock gespielt.