Uraufführung 07.06.2013
› Kleines Haus 2
Vom Wandel der Wörter
Ein Deutschlandbericht
von Ingo Schulze
Handlung
Der neue Text von Ingo Schulze ist die Erzählung eines deutschen Künstlerlebens, ist ein Bericht über die Schwierigkeit, sich in der Kunst und im Leben zurechtzufinden. Ist ein Nachdenken über die Abgründe, die sich auftun können, wenn das Leben die Kunst überholt. Es ist die Geschichte eines Schriftstellers, den Ingo Schulze nur als „B.C.“ vorstellt. Ein anerkannter deutscher Autor, so lernen wir, der einst den Osten der Republik verließ und dessen Schreiberfolge weit zurückliegen. Mit dem Weggang aus dem Osten ist sein Leben in Schieflage geraten. Nur Elzbieta, seine Frau, unterstützt ihn. Sie ist es, die B. C. den nötigen Halt gibt in der „neuen Welt“, in der er nicht zurechtkommt. Und die er mit seiner Kunst, seinen Worten nicht mehr zu beschreiben, nicht mehr zu erfassen in der Lage ist. Schlimmer noch - auch seine früheren Bücher haben für ihn ihren Sinn verloren: Die Welt, die sie beschreiben, die gibt es so nicht mehr. Also beschreiben sie - nichts mehr? Aus diesem Strudel gibt es für B.C. kein Entrinnen. Außer mit Hilfe eines anderen Kunstwerks. Auf dem erzählerischen Höhepunkt von Schulzes Text wird von einem Museumsbesuch berichtet, bei dem wir von der Faszination erfahren, die eine raumgreifende Installation in der Düsseldorfer Kunstsammlung auf B.C. ausübt. In einem Kunstwerk, das er nicht erschaffen hat, sieht er sein verlorenes Heimatbild, sein zerstörtes Kunstbild und sein verrutschtes Lebensbild auf eindrucksvolle Weise zusammengefasst. In einer furiosen erzählerischen Volte schlägt Schulze hier Brücken zwischen Fiktion und Realität und Leben und Kunst. Denn diese Installation gibt es tatsächlich. Sie ist ein Werk des deutschen Künstlers Reinhard Mucha, geschaffen für die Biennale in Venedig 1990 und seither unter dem Titel „Das Deutschlandgerät“ im Düsseldorfer K21 zu sehen. Dieses Werk, seine Doppelbödigkeit, sein Spiel mit Kunst, Zeit und gelebtem Leben wurde für Ingo Schulze zu einer Inspiration und zum Schreibanlass. Entstanden ist daraus ein Text über eine seltsame Künstlerfreundschaft, über Deutschland und die Brutalität der Geschichte, den Ingo Schulze dem Staatsschauspiel Dresden für das Theater zur Verfügung stellte.
Besetzung
Regie
Christoph Frick
Bühne und Kostüme
Alexander Wolf
Video
Sami Bill
Musik
Martin Schütz
Dramaturgie
Licht
Michael Gööck
Regisseur Christoph Frick und Bühnenbildner Alexander Wolf stellen sich in den Dienst der literarischen Vorlage, versuchen mit fantasievollen Einfällen den Text bühnengerecht umzusetzen. In eindringlichen Szenen sprengend die drei Schauspieler das Korsett, treten erzählend und kommentierend aus den Rollen: Holger Hübner als nachdenklicher und aufbegehrender B.C., Sonja Beißwenger als seine starke, mitfühlende Frau und Matthias Reichwald als stürmischer Jungautor und Ich-Erzähler. Ihr Engagement zahlt sich aus. Ein Vorzug der Aufführung: Die Personen werden in Eigen- und Fremdsicht gezeigt, das schafft Spannung und Widerspruch.
Als in einer Talkshow mit Anne Will wieder mal lang und breit über den Unrechtsstaat DDR diskutiert wird, steigt bei B.C. der Blutdruck. Der Autor rettet sich in Ironie, Holger Hübner grüßt ehrerbietig in die TV-Runde, verbeugt sich tief: ‚Ich begrüße seine Majestät, die Freiheit!‘ Schließlich formuliert er wütend und verzweifelt das ‚Grundgesetz des Opportunismus‘: ‚Widerspruch wird bestraft. Anpassung belohnt.‘ Die Feier der Freiheit erstarrt oft zum bloßen Ritual, aber die Begriffe müssen immer wieder neu befragt und in ihre Zeit gestellt werden. In diesen Szenen gelangt die Aufführung zum Höhepunkt des mit viel Beifall aufgenommenen Abends.“
Der Autor steckt spürbar in beiden Figuren seiner schreibenden Zunft, im scheiternden B.C. und in dem erwachsenen Jungautor.“