Premiere 28.01.2016
› Schauspielhaus
Terror
Gerichtsdrama von Ferdinand von Schirach
Handlung
Ein Passagierflugzeug wird entführt, ein Terrorist will es über dem ausverkauften Münchner Fußballstadion zum Absturz bringen. Der Pilot eines Kampfjets schießt die Verkehrsmaschine gegen den ausdrücklichen Befehl seiner Vorgesetzten ab, um die 70.000 Menschen im Stadion zu retten; alle 164 Personen an Bord des Linienfluges sterben. Der Jurist und Autor Ferdinand von Schirach (seine Erzählungsbände „Verbrechen“ und „Schuld“ sind Bestseller, die auch verfilmt wurden) fordert mit seinem ersten Theaterstück „Terror“ dazu auf, gemeinsam über den Wert des Lebens und die Würde des Menschen nachzudenken. Von Schirach bringt einen Gerichtsprozess auf die Bühne, in dem der Pilot des vielfachen Mordes angeklagt wird. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Darf Leben gegen Leben abgewogen werden? War der Abschuss eine legitime militärische Aktion? Die Schöffen der Verhandlung, in diesem Falle das Publikum im Zuschauerraum, werden am Ende aufgefordert, ihr Urteil zu fällen.
Burghart Klaußner wird „Terror“ inszenieren und zugleich in der Rolle des Richters zu sehen sein. Klaußner wurde für seine Arbeit als Schauspieler vielfach ausgezeichnet. Er erhielt zweimal den Deutschen Filmpreis, u. a. für den Film „Das weiße Band“, der 2010 für den Oscar nominiert war. 2012 wurde Klaußner mit dem wichtigsten deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet. Aktuell ist er in der Titelrolle des Politthrillers „Der Staat gegen Fritz Bauer“ im Kino zu sehen. Am Staatsschauspiel Dresden spielte Burghart Klaußner Philipp II. in Schillers „Don Carlos“ sowie Dorfrichter Adam in Kleists „Der zerbrochne Krug“, beide in der Regie von Roger Vontobel. Seine eigenen Regiearbeiten führten ihn u. a. an Theater in Hamburg, Bochum und nach Dresden, wo er 2013 Ibsens „Baumeister Solness“ auf die Bühne brachte. Die Abstimmungsergebnisse der Zuschauer-Schöffen aller bundesweiten Aufführungen von „Terror“ werden vom Verlag Gustav Kiepenheuer Bühnenvertrieb dokumentiert und sind online einsehbar.
Burghart Klaußner wird „Terror“ inszenieren und zugleich in der Rolle des Richters zu sehen sein. Klaußner wurde für seine Arbeit als Schauspieler vielfach ausgezeichnet. Er erhielt zweimal den Deutschen Filmpreis, u. a. für den Film „Das weiße Band“, der 2010 für den Oscar nominiert war. 2012 wurde Klaußner mit dem wichtigsten deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet. Aktuell ist er in der Titelrolle des Politthrillers „Der Staat gegen Fritz Bauer“ im Kino zu sehen. Am Staatsschauspiel Dresden spielte Burghart Klaußner Philipp II. in Schillers „Don Carlos“ sowie Dorfrichter Adam in Kleists „Der zerbrochne Krug“, beide in der Regie von Roger Vontobel. Seine eigenen Regiearbeiten führten ihn u. a. an Theater in Hamburg, Bochum und nach Dresden, wo er 2013 Ibsens „Baumeister Solness“ auf die Bühne brachte. Die Abstimmungsergebnisse der Zuschauer-Schöffen aller bundesweiten Aufführungen von „Terror“ werden vom Verlag Gustav Kiepenheuer Bühnenvertrieb dokumentiert und sind online einsehbar.
Besetzung
Regie
Burghart Klaußner
Bühne
Bernhard Siegl
Kostüme
Marion Münch
Licht
Dramaturgie
Beret Evensen
Vorsitzender Richter
Burghart Klaußner
Lars Koch, Angeklagter
Matthias Luckey
Biegler, Verteidiger
Ben Daniel Jöhnk
Nelson, Staatsanwältin
Christian Lauterbach, Zeuge
Tom Quaas
Franziska Meiser, Zeugin
Ina Piontek
Protokollführerin
Henriette Kölbel
Wachtmeister
Alexander Herrmann, David Mielchen, Jörg Schwerdtfeger, Peter Schwill, Heike Walther
Video
Museumsdirektor Oberst Matthias Rogg beschreibt militärische Dilemmata
Soldat ist ein besonderer Beruf. Mit ihrem Eid verpflichten sich alle Soldatinnen und Soldaten, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Das hört sich einfach und leicht an, kann in der Praxis aber sehr kompliziert sein, und die damit verbundenen Entscheidungen können schwer wiegen. „Treue“ und „Tapferkeit“, das sind Begriffe, die man auch mit anderen Berufen in Verbindung bringen kann, z. B. mit der Diensttreue eines Finanzbeamten, der Tapferkeit eines Feuerwehrmannes oder eines Polizisten. Das Besondere beim Soldaten liegt in der weitreichend definierten Treuepflicht gegenüber Staat und Gesellschaft, die in letzter Konsequenz das Äußerste von ihm verlangen können, nämlich zur Erfüllung des militärischen Auftrags die eigene Gesundheit und das eigene Leben zu riskieren. Soldaten sind aber nicht nur Opfer, sie sind auch Gewaltakteure, die Gewaltmittel einsetzen, um politisch gewollte und vor allem legitimierte Ziele zu erreichen. Diese zwei Seiten der Medaille gehören untrennbar zusammen, denn der Soldat kann durch sein gewalttätiges Handeln selbst zum Opfer werden: durch physische Verletzungen, Schuldgefühle und posttraumatische Belastungsstörungen, die im schlimmsten Fall dauerhaft die Seele beschädigen. In letzter Konsequenz gilt das auch für die existenziellste Frage, mit der ein Mensch konfrontiert werden kann: die Entscheidung über Leben und Tod.
Diese grundlegende Entscheidung müssen Soldaten im Einsatz immer wieder fällen. Ist es gerechtfertigt zu schießen? Ist das Gewaltmittel angemessen? Handelt es sich um eine wirkliche Bedrohung? Was passiert mit den Kameraden, wenn die falsche Entscheidung getroffen wird? Am Ende ist der Soldat mit seinem Entschluss fast immer allein.
Mit Blick auf dieses Dilemma verweisen manche darauf, dass die Betroffenen sich ja aus freien Stücken entschieden hätten, Soldat zu werden, und nun die Konsequenzen tragen müssten. Diese Argumentation ist nicht nur wenig hilfreich, sie ist auch zynisch. Denn die Verantwortung von Staat und Gesellschaft für den Einsatz von Soldaten wird damit nur weitergeschoben, nach dem Motto „selber schuld“.
Besonders schwierig wird es, wenn der rechtliche Rahmen unklar oder umstritten ist. Eigentlich dürfte dieser Zustand gar nicht existieren. Das „Gesetz über die Rechtsstellung des Soldaten“, im allgemeinen Sprachgebrauch „Soldatengesetz“ genannt, sagt klipp und klar, was mit der Verpflichtung jedes Soldaten gemeint ist, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Befehle müssen sich nicht nur im rechtlichen Rahmen bewegen. Mehr noch: Wenn ein Befehl Recht und Gesetz, insbesondere auch das Völkerrecht, bricht oder gegen die Menschenwürde verstößt, dann muss der Soldat dessen Umsetzung verweigern. Diese kompromisslose Bindung des Befehls an das Gesetz ist in der deutschen Militärgeschichte einzigartig – und sie hat gegenüber vielen anderen Nationen immer noch ein Alleinstellungsmerkmal. „Right or wrong? My country!“ oder den berühmt-berüchtigten „Kadavergehorsam“ gibt es bei der Bundeswehr nicht.
Diese grundlegende Entscheidung müssen Soldaten im Einsatz immer wieder fällen. Ist es gerechtfertigt zu schießen? Ist das Gewaltmittel angemessen? Handelt es sich um eine wirkliche Bedrohung? Was passiert mit den Kameraden, wenn die falsche Entscheidung getroffen wird? Am Ende ist der Soldat mit seinem Entschluss fast immer allein.
Mit Blick auf dieses Dilemma verweisen manche darauf, dass die Betroffenen sich ja aus freien Stücken entschieden hätten, Soldat zu werden, und nun die Konsequenzen tragen müssten. Diese Argumentation ist nicht nur wenig hilfreich, sie ist auch zynisch. Denn die Verantwortung von Staat und Gesellschaft für den Einsatz von Soldaten wird damit nur weitergeschoben, nach dem Motto „selber schuld“.
Besonders schwierig wird es, wenn der rechtliche Rahmen unklar oder umstritten ist. Eigentlich dürfte dieser Zustand gar nicht existieren. Das „Gesetz über die Rechtsstellung des Soldaten“, im allgemeinen Sprachgebrauch „Soldatengesetz“ genannt, sagt klipp und klar, was mit der Verpflichtung jedes Soldaten gemeint ist, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Befehle müssen sich nicht nur im rechtlichen Rahmen bewegen. Mehr noch: Wenn ein Befehl Recht und Gesetz, insbesondere auch das Völkerrecht, bricht oder gegen die Menschenwürde verstößt, dann muss der Soldat dessen Umsetzung verweigern. Diese kompromisslose Bindung des Befehls an das Gesetz ist in der deutschen Militärgeschichte einzigartig – und sie hat gegenüber vielen anderen Nationen immer noch ein Alleinstellungsmerkmal. „Right or wrong? My country!“ oder den berühmt-berüchtigten „Kadavergehorsam“ gibt es bei der Bundeswehr nicht.
Der Rückgriff auf Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Unantastbarkeit der Würde des Menschen festschreibt, ist die Exit-Strategie für jeden Soldaten. Diese Letztentscheidung bleibt am Ende immer eine Gewissensentscheidung. Das ist alles andere als selbstverständlich, vor allem wenn man es aus historischer Perspektive betrachtet. Schon in der jüngeren Geschichte gibt es zahlreiche Beispiele für die Not von Soldaten, die zwischen Befehl und Gewissen stehen wie zwischen Skylla und Charybdis.
Beispielhaft ist die Entscheidung des Kommandeurs einer niederländischen UN-Blauhelmeinheit 1995 bei Srebrenica, der durch die Passivität seiner Soldaten die dortige bosnische Zivilbevölkerung schutzlos der serbischen Armee in die Hände spielte. Der verantwortliche Kommandeur hatte sich strikt an die „rules of engagement“ gehalten, wonach er sich nicht in die Kampfhandlungen einmischen durfte, und damit einem der schlimmsten Kriegsverbrechen der jüngeren europäischen Geschichte den Weg bereitet. Niemand weiß, ob ein entschiedenes Eingreifen den Geschehnissen einen anderen Lauf gegeben hätte, und bis heute wird das Verhalten der Blauhelmsoldaten kontrovers diskutiert. Aber das Beispiel steht auch zwanzig Jahre danach stellvertretend für die hohe Verantwortung und die Konsequenzen einer militärischen Entscheidung sowie für die Grundfrage, ob und wann das geltende Recht gebeugt werden darf.
In „Terror“ treibt Ferdinand von Schirach das Problem, zwischen gesetztem Recht und persönlichem Gewissen entscheiden zu müssen, auf die Spitze: Darf ein Bundeswehr-Pilot ein von Terroristen entführtes voll besetztes Flugzeug abschießen, das sich im Anflug auf ein voll besetztes Stadion befindet? Darf man 165 Menschen opfern, um 70 000 zu retten? Und darf ein Einzelner die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eine Aufrechnung von Menschenleben ausdrücklich zurückwies, einfach ignorieren? Wie würden Sie, wie würde ich entscheiden, würde meine Familie in dem Flugzeug sitzen? Von Schirachs Stück fordert heraus, und es fordert auf, Stellung zu beziehen: zur Rolle des übergesetzlichen Notstandsrechts in einer freiheitlich verfassten Grundordnung, zur Grundfrage nach der Würde des Menschen, die in unserer Verfassung als „Ewigkeitsrecht“ über allem steht, und schließlich zum Verhältnis von Recht und Moral.
Matthias Rogg, geboren in Wittmund/Ostfriesland, ist als aktiver Berufssoldat, Historiker und Hochschullehrer ein Grenzgänger zwischen Militär und Wissenschaft. Seit 2010 ist er Direktor des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr. In seinen Forschungen beschäftigt er sich mit der Frühen Neuzeit und der DDR-Geschichte sowie vor allem mit Fragen der Kulturgeschichte der Gewalt.
Beispielhaft ist die Entscheidung des Kommandeurs einer niederländischen UN-Blauhelmeinheit 1995 bei Srebrenica, der durch die Passivität seiner Soldaten die dortige bosnische Zivilbevölkerung schutzlos der serbischen Armee in die Hände spielte. Der verantwortliche Kommandeur hatte sich strikt an die „rules of engagement“ gehalten, wonach er sich nicht in die Kampfhandlungen einmischen durfte, und damit einem der schlimmsten Kriegsverbrechen der jüngeren europäischen Geschichte den Weg bereitet. Niemand weiß, ob ein entschiedenes Eingreifen den Geschehnissen einen anderen Lauf gegeben hätte, und bis heute wird das Verhalten der Blauhelmsoldaten kontrovers diskutiert. Aber das Beispiel steht auch zwanzig Jahre danach stellvertretend für die hohe Verantwortung und die Konsequenzen einer militärischen Entscheidung sowie für die Grundfrage, ob und wann das geltende Recht gebeugt werden darf.
In „Terror“ treibt Ferdinand von Schirach das Problem, zwischen gesetztem Recht und persönlichem Gewissen entscheiden zu müssen, auf die Spitze: Darf ein Bundeswehr-Pilot ein von Terroristen entführtes voll besetztes Flugzeug abschießen, das sich im Anflug auf ein voll besetztes Stadion befindet? Darf man 165 Menschen opfern, um 70 000 zu retten? Und darf ein Einzelner die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eine Aufrechnung von Menschenleben ausdrücklich zurückwies, einfach ignorieren? Wie würden Sie, wie würde ich entscheiden, würde meine Familie in dem Flugzeug sitzen? Von Schirachs Stück fordert heraus, und es fordert auf, Stellung zu beziehen: zur Rolle des übergesetzlichen Notstandsrechts in einer freiheitlich verfassten Grundordnung, zur Grundfrage nach der Würde des Menschen, die in unserer Verfassung als „Ewigkeitsrecht“ über allem steht, und schließlich zum Verhältnis von Recht und Moral.
Matthias Rogg, geboren in Wittmund/Ostfriesland, ist als aktiver Berufssoldat, Historiker und Hochschullehrer ein Grenzgänger zwischen Militär und Wissenschaft. Seit 2010 ist er Direktor des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr. In seinen Forschungen beschäftigt er sich mit der Frühen Neuzeit und der DDR-Geschichte sowie vor allem mit Fragen der Kulturgeschichte der Gewalt.