Handlung
„Und gäbe es nicht Strebertum, Parlamentarismus, menschliche Gemeinheit – Politik mit einem Wort, wäre es jemals möglich gewesen, aus diesem Fall eine Affäre zu machen?“ Der Arzt Bernhardi ist mit Leib und Seele Diagnostiker. Vor 15 Jahren hat er mit Kollegen ein privates Klinikum gegründet: das Elisabethinum, ein Lebenswerk, dem Bernhardi nun als Direktor vorsteht. Dort, im sichersten Winkel seiner Wissenschaftswelt, wird seine ärztliche Kompetenz durch ein Ereignis grundlegend in Frage gestellt. Eine junge Frau ist nach einer illegalen Abtreibung an Blutvergiftung erkrankt. Ein hoffnungsloser Fall, Bernhardi sieht es sofort, während seine Patientin in einem letzten Fieberrausch völlig anders fühlt und an Genesung glaubt. Als ein Pfarrer Zutritt zur Sterbenden verlangt, um ihr die heiligen Sakramente zu spenden, verweigert er diesen. Warum den schönen Selbstbetrug durch eine letzte Beichte in Todesangst verwandeln? Der Streit zwischen Seelenfrieden und Seelenheil wird zum erbitterten Kampf um Wahrheit, Recht und Existenz. Die Neider Bernhardis bauschen den Zusammenstoß mit dem Pfarrer auf. Die Geldspenden für das Klinikum bleiben aus. Bernhardi wird zum Rücktritt gezwungen. Das Parlament beschäftigt sich mit seinem Fall, bis ihm der Prozess gemacht und er wegen Religionsstörung ins Gefängnis geworfen werden kann. Längst zählt nicht mehr, was wirklich war. Die Fakten haben ausgespielt. Allein der Umstand, dass der Arzt ein Jude ist, hat noch Gewicht.
Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass in den Vorstellungen Stroboskopeffekte eingesetzt werden, die bei Epileptikern oder epilepsiegefährdeten Personen unter Umständen Anfälle auslösen können. Wir bitten Sie um Beachtung.
Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass in den Vorstellungen Stroboskopeffekte eingesetzt werden, die bei Epileptikern oder epilepsiegefährdeten Personen unter Umständen Anfälle auslösen können. Wir bitten Sie um Beachtung.
Dauer der Aufführung: ca. 3 Stunden und 15 Minuten.
Eine Pause.
Eine Pause.
Besetzung
Regie
Bühne
Matthias Werner
Kostüme
Musik
Licht
Dramaturgie
Dr. Bernhardi
Dr. Ebenwald
Dominik Maringer
Dr. Cyprian
Dr. Pflugfelder
Dr. Filitz
Dr. Tugendvetter
Dr. Löwenstein
Dr. Schreimann
Dr. Adler
Dr. Oskar Bernhardi
Dr. Wenger
Thomas Schumacher
Hochroitzpointner
Lukas Rüppel
Ludmilla, Krankenschwester
Dr. Feuermann
Thomas Schumacher
Franz Reder, Pfarrer
Dr. Flint, Gesundheitsministerin
Birte Leest
Dr. Winkler, Staatssekretär
Hendrik Heutmann
Kulka, Journalistin
In Spiel und Regie herausragend gut.“
Hausregisseurin Daniela Löffner ist sich dabei noch einer anderen Verantwortung bewusst. 18 Rollen lässt sie von 16 Schauspielern bewältigen – es ist das erste große Zusammengehen des neuen Ensembles auf der Bühne. Intendant Klement hatte vor Saisonbeginn im DNN-Interview erzählt, dass er von der respektvollen Art und Weise, wie sich das Ensemble finde, beeindruckt sei. Löffners Inszenierung liest sich wie eine Bestätigung dessen. In mehr als drei Stunden Netto-Spielzeit packt sie Schnitzlers große Mischung: Religion, Politik, Freund-Feind-Schemata, Linien- und Frontverläufe, Selbstvergewisserung der Wissenschaft, Individualität, Scheitern, Aufstehen, wieder Scheitern.
Der Beifall hält trotz der besagten späten Längen sehr berechtigt an. Ensemble und Inszenierungsteam nehmen den Applaus bis zum Schluss gemeinsam entgegen, auch wenn sich Küster ohne weiteres seine Bravos hätte abholen können. Ein Auftakt in Arztgewittern. Ein guter.“
Schnitzler thematisierte deutlich den grassierenden Antisemitismus, das Aufkommen einer rechtsnationalen Ideologie und das Scheitern Andersdenkender.
Im Schauspielhaus findet die systematische Ausgrenzung des Bernhardi in der Mitte der Gesellschaft statt. Die Zuschauer gruppieren sich von zwei Seiten um die dadurch recht schmal gewordene Bühne. Das Geschehen spielt sich also unter uns ab, wir alle sind Zeugen – und greifen doch nicht ein. Eine starke These, die gerade am Wahlwochenende von Brisanz ist.
Raiko Küster, neu am Ensemble, spielt Bernhardi schwermütig, manchmal cholerisch. Philipp Lux ist der penetrant-reaktionäre Pfarrer, Christine Hoppe die kühle Frau Dr. Adler. Eine Reihe an neuen Schauspielern beweist sich: Lukas Rüppel, ein Riesentalent, spielt den übermotivierten Jungarzt Hochroitzointner, Dominik Maringer ist ein schmieriger Karrierist und Philipp Grimm Bernhardis sensibler Sohn.“
Ein solches Stück lebt mit und von den Figuren – und Löffner eröffnet dem Ensemble mit ihrer Inszenierung großzügig die Bühne für sensible Charakterdarstellungen.
Großartig gelingt das vor allem Raiko Küster in der Rolle des Bernhardi. Er zeigt den Professor als smarten, humorvollen Mann, verleiht der Figur Natürlichkeit. Es ist großartig zu sehen, wie Raiko Küster den Bernhardi ruhiger, sprachloser werden lässt, angesichts des Gesinnungshagels, der immer heftiger auf ihn einprasselt. Sein Spiel wirkt nie künstlich, nie übertrieben. Über diesen Zugang am Staatsschauspiel darf man in die Hände klatschen! Raiko Küster– ein großer Gewinn für Dresden.“