Handlung
Eingeladen zum 6. Eurokontext-Festival in Bratislava
Homers ODYSSEE ist das früheste große europäische Epos über eine Kolonialisierung und ihre Folgen. In ihm schlägt sich zugleich, wie Horkheimer und Adorno anmerkten, „die Erinnerung an Geschichte nieder, welche Sesshaftigkeit, die Voraussetzung aller Heimat, aufs nomadische Zeitalter folgen ließ.“ Die zehnjähre Irrfahrt des mythischen Helden Odysseus, der durch seine List den Krieg gegen Troja entschieden hatte und danach über das Mittelmeer trieb, um seine Heimatstadt Ithaka zu erreichen, zeigt, wie der Krieg in der Fremde die Kolonisatoren selbst zu Nomaden und Migranten macht. Odysseus ist sich selbst, seiner Heimat und seiner Frau Penelope fremd geworden, und als Fremder kehrt er zurück – aber wohin?
Roland Schimmelpfennig, dessen Texte eine neue Form dramatischer Literatur bilden und weit über den deutschsprachigen Raum gespielt werden, hat im Auftrag des Staatsschauspiels Dresden die ODYSSEE neu und für die Bühne des Schauspielhauses geschrieben. Wie auch bei Homer werden in seiner ODYSSEE viele der Ereignisse nicht unmittelbar dargestellt, sondern als bereits vergangene erzählt oder auch erfunden. Penelope liebt einen Lehrer in dessen Kleinwagen, der Lehrer erzählt immer neue Geschichte von Odysseus, bis dieser schließlich heimkehrt nach Ithaka. Auf dem Weg dorthin fragen sich Odysseus und seine Begleiter, was das eigentlich ist, Heimat, und ob es ein Grundrecht darauf gibt. Sie begegnen dem Zyklopen, der die Eindringlinge vernichten will, andere nehmen sie auf und feiern mit ihnen, aber der kurze Willkommensrausch ist schnell vorbei.
Homers ODYSSEE ist das früheste große europäische Epos über eine Kolonialisierung und ihre Folgen. In ihm schlägt sich zugleich, wie Horkheimer und Adorno anmerkten, „die Erinnerung an Geschichte nieder, welche Sesshaftigkeit, die Voraussetzung aller Heimat, aufs nomadische Zeitalter folgen ließ.“ Die zehnjähre Irrfahrt des mythischen Helden Odysseus, der durch seine List den Krieg gegen Troja entschieden hatte und danach über das Mittelmeer trieb, um seine Heimatstadt Ithaka zu erreichen, zeigt, wie der Krieg in der Fremde die Kolonisatoren selbst zu Nomaden und Migranten macht. Odysseus ist sich selbst, seiner Heimat und seiner Frau Penelope fremd geworden, und als Fremder kehrt er zurück – aber wohin?
Roland Schimmelpfennig, dessen Texte eine neue Form dramatischer Literatur bilden und weit über den deutschsprachigen Raum gespielt werden, hat im Auftrag des Staatsschauspiels Dresden die ODYSSEE neu und für die Bühne des Schauspielhauses geschrieben. Wie auch bei Homer werden in seiner ODYSSEE viele der Ereignisse nicht unmittelbar dargestellt, sondern als bereits vergangene erzählt oder auch erfunden. Penelope liebt einen Lehrer in dessen Kleinwagen, der Lehrer erzählt immer neue Geschichte von Odysseus, bis dieser schließlich heimkehrt nach Ithaka. Auf dem Weg dorthin fragen sich Odysseus und seine Begleiter, was das eigentlich ist, Heimat, und ob es ein Grundrecht darauf gibt. Sie begegnen dem Zyklopen, der die Eindringlinge vernichten will, andere nehmen sie auf und feiern mit ihnen, aber der kurze Willkommensrausch ist schnell vorbei.
Dauer der Aufführung: 1 Stunde und 45 Minuten.
Keine Pause.
Keine Pause.
Besetzung
Regie
Bühne
Kostüme
Musik
Jörg-Martin Wagner
Licht
Michael Gööck
Dramaturgie
Mit
Luise Aschenbrenner, Albrecht Goette, Eva Hüster, Moritz Kienemann, Hannelore Koch, Philipp Lux, Karina Plachetka, Matthias Reichwald
Wer spricht? Ein zentrales Thema in Roland Schimmelpfennigs Theaterarbeiten ist das Aufbrechen von narrativen Strukturen. Statt geradlinigem Erzählen geht es ihm um Rollen- und Ebenenwechsel und das Verschieben, ja Verwischen der Erzählerposition. Da eignet sich Homers Stoff, der seinen Odysseus ja Münchhausen gleich am eigenen Mythos stricken lässt, bestens für diesen Autorenzugriff.
Karoly Risz’ Bühne bleibt fast komplett leer. Das Publikum schaut ins Innere eines holzgetäfelten Würfels, der fast schon wie ein Spielbrett aus Holzquadraten konstruiert ist. Über dieses Tableau bewegt sich das Ensemble, bestehend aus Luise Aschenbrenner, Albrecht Goette, Eva Hüster, Moritz Kienemann, Hannelore Koch, Philipp Lux, Karina Plachetka und Matthias Reichwald. Die Spieler sprechen wechselnd und gemeinsam die Rollen, mal berichten sie aus der Ich-Perspektive, dann in dritter Person. Dialoge deuten ein vermeintliches Hier und Jetzt an, dann ist man wieder weit weg. Handlungs- und Sprechorte werden knapp wie Kapitelüberschriften aufgesagt, schon wechselt wieder die Position. Zum Schluss treten zwei weitere Schauspieler hinzu, die kurz als Odysseus und Penelope personifiziert erscheinen. Doch sogleich mischen sich die Charakterkarten wieder neu. Dass das nicht ermüdend wirkt, liegt am hoch konzentrierten Vortrag aller sechs Darsteller. Präzise werden die Worte gesprochen, erklingen aber ganz ungekünstelt. Miniaturen von Spielszenen oder besser: Szenische Gesten unterstreichen das gesprochene Wort.
Um Antworten geht es im permanenten Perspektivwechsel der Erzählungen nicht, vielmehr steht dieser selbst im Zentrum. Und vielleicht eine Einsicht: Alles Menschliche ist in Geschichten verstrickt.“
Roland Schimmelpfennig hat den Stoff bearbeitet und in den Vorab-Interviews aktuell-politische Bezüge zu seinem Dresdner Auftragswerk hergestellt, Pegida eingeschlossen. Im Grunde aber formt er in seiner Version nur aus, was wir umgangssprachlich mit einer Odyssee assoziieren und was einst Goethe mit dem Satz ‚Es irrt der Mensch so lang er strebt‘ beschrieben hat. Sein achtköpfiges Personarium ist unterwegs zu einem Sehnsuchtsort, auf dem Rückweg in die Heimat, wo das ‚Grundrecht auf Land unter den Füßen‘ verwirklicht ist.
Schimmelpfennig spielt mit dem Stoff, und wie! Die ungesicherte Autorenschaft Homers liefert ihm die erste Vorlage, die Mischung aus historisch belegbaren Fakten und Märchenfantasien die zweite.
Mit Hintersinn untergräbt Schimmelpfennig die Legende von der zwanzig Jahre treuen daheim gebliebenen Ehefrau Penelope.
Auch in dieser Uraufführung am Dresdner Staatsschauspiel bleibt Schimmelpfennig seinem narrativen Stil treu. Es wird viel berichtet, aber auch an passenden Stellen verkörpert.
Regisseur Tilmann Köhler vertraut auf die Imaginationskraft des Textes, erspart dem Publikum naturalistische Illustrationsversuche. Im Text geht es ohnehin weniger um Action als um Innenwelten der Irrfahrer, ihre Reflexionen und verallgemeinerbare menschliche Verhaltensmuster. Köhler fügt dem keine eigenen Mätzchen hinzu, arrangiert und choreografiert eher sparsame Bilder im Dienst am Text. Die aber sind dynamisch genug, um der entgegengesetzten Gefahr eines deklamierenden Stehtheaters zu entgehen.
Weniger ist mehr, das gilt auch für das klare Bühnenbild von Karoly Risz. Zwei bühnenhohe holzgetäfelte Wände bilden die Rückwand eines nach vorn offenen Kubus. An seinen Wänden können die Akteure entlangstreichen und den Wind imitieren oder aber vergeblich gegen dieses Gefängnis anrennen. Denn die heimwärts Irrenden gehen nur scheinbar auf eine Abenteuerreise, bleiben nach Wunsch und Vermögen vielmehr im eigenen Ghetto gefangen. Die Hermetik des Bühnenraumes kollidiert mit der postulierten Mobilität.
Ein betont leise oder schreiend, aber immer eindringlich agierendes Ensemble hatte den langen Premierenapplaus redlich verdient.“
Wenn der meistgespielte deutsche Dramatiker Roland Schimmelpfennig vom Staatsschauspiel Dresden den Auftrag erhält, aus Homers Versen einen neuen „Odyssee“-Text zu kreieren, so gibt es nicht einfach ein Update des alten Epos’, sondern ein Stück über eine Sinnsuche auf dem Meer der Schlagwörter wie Flüchtlingskrise, Mythenmissbrauch, Entfremdung und natürlich: Heimat. Vielumjubelte Uraufführung der neuen ODYSSEE war am vergangenen Sonnabend im Dresdner Schauspielhaus.
Wie immer lässt Karoly Risz’ Bühnenbild viel Raum zum Assoziieren und fürs Spiel, der vom hochgradig energetischen Ensemble auch benötigt wird.
Von Beginn an entmythologisiert Schimmelpfennig herzerfrischend. Orientiert an Homers Stationen wirft er Figuren und Probleme der Gegenwart in die Geschichten-Maschine, die auch das Erzählen selbst thematisiert. Und immer wieder skizziert sie den Heimatbegriff. Vom allabendlichen Seriengucken bis zum Traum vom Geräteschuppenbau ist alles dabei. Sprachwitz und Tragik geben sich die Hand, Brüche und Widersprüche füttern fortwährend neue Assoziationen. Nur schlaglichtartig dürfen dabei die Schauspieler zu Figuren werden. Bevor sie wieder emotionsgeladene Erzähler sind, die vom unfreiwilligen Aufbrechen und Ankommen berichten.
Beim Spiel stechen Luise Aschenbrenner und Moritz Kienemann noch einmal aus dem starken Ensemble hervor. Mit jeder Faser ihrer Körper leben sie den vielschichtigen Text Schimmelpfennigs. Subtil, aber deutlich blitzt Gesellschaftskritik hindurch: ‚Grundrecht auf Heimat, Grundrecht auf einen Rettungsring‘, fordern die Schauspieler vom Publikum.
Für dieses kluge und fantasiereiche Erzähltheaterstück hat Regisseur Tilmann Köhler auch die passenden Inszenierungsideen. Ohne aufgeregte Kostüme und überflüssige Requisiten zelebriert er körperliches Spiel, arbeitet mit Verfremdung. So schaben die Spieler mit ihren Körpern an den Holzwänden entlang, um durch zusätzliche Aufnahmetechnik Sturmgeheul zu erzeugen. Oder in der Höhle des Zyklopen erzeugen absolute Dunkelheit und einige Streichhölzer ein simples Horrorszenario, dazu die rhythmischen Schreie der Schauspieler, und dieser Erzählstrang lässt Bilder eines entfesselten Mobs auf Flüchtlingshetzjagd entstehen – nur im Kopf des Zuschauers, ohne Sozialrealismus.“
Erfolgsautor Roland Schimmelpfennig gewinnt dem Stoff in seinem Auftragswerk für das Dresdner Staatsschauspiel denn auch die metaphorischen Züge, die paradigmatische Seite ab. Seine Version ist voll von multivalenten Anspielungen und Bezügen auf uns heute, auf menschliche Verhaltensmuster generell.
Die Unzahl verwendeter Koffer symbolisiert die Reise schlechthin. Dass diese ersehnte neue oder alte Heimat auch nach der Rückkehr des ‚Städtezerstörers‘ nach Ithaka nicht die statische finale Erfüllung garantiert, lehrt dieses Spiel des Autors mit dem antiken Stoff auch. ‚Es gibt keinen Ort für uns‘, klingt die ewige Suche an. Also auch keinen ewigen Frieden für uns?
Der ehemalige Hausregisseur Tilmann Köhler vertraut auf die Imaginationskraft des Textgemäldes, erspart dem Publikum naturalistische Illustrationsversuche.
Hermetik versus Mobilität. Der Sehnsuchtsort Heimat ist mit Geräteschuppen, Fernsehen und Blasmusik nicht spießiger vorstellbar. Nicht anders geht es in der Höhle des einfältigen Zyklopen zu. Die Gespräche vor Abfahrt offenbaren überhaupt nichts Heldisches. Unüberhörbar klingen Fragen von Fremdheit und Asyl an. Die Seefahrer einerseits malen sich ihre Invasionen aus, besorgte Bürger zeigen hingegen Angst, von ungebetenen Gästen ausgeraubt zu werden. Köstlich, wie der Windgott Äolus Mühe hat, die ihm zugewehten Nachrichten von Fake News zu unterscheiden.
Im betont leise oder schreiend, aber immer eindringlich agierenden Ensemble überwiegen diesmal die niemals alten, aber teils schon Jahrzehnte bewährten Mitglieder. Mit ihrem subtilen, disziplinierten Spiel hatten sie durchweg den langen Premierenapplaus am Sonnabend verdient.
Das Staatsschauspiel ein bisschen auch für diese dritte gelungene große Premiere zum Spielzeitauftakt.“
Diese Odyssee ist die einer ganzen Gesellschaft. Das macht diesen uralten Text politisch so hochaktuell.
Diese ODYSSEE ist auch ein großes Schauspielfest. Eingeklammert durch Dialoge von Albrecht Goette und Hannelore Koch spielen sich alle die Seele aus dem Leib: Luise Aschenbrenner, Eva Hüster und Karina Plachetka hier; Philipp Lux, Matthias Reichwald und der famose Moritz Kienemann dort. Allesamt gleichberechtigt nebeneinander. Folgerichtig großer Beifall für eine exzellente Ensembleleistung.“
Für oder wider gibt es nicht. Schimmelpfennigs Sicht ist dennoch eindeutig: Soldaten, die aus dem Krieg zurückkommen, werden genauso zu Flüchtlingen wie die, die ihr Land wegen des Krieges verlassen müssen. … Es braucht keiner Kommentare, um die Irrfahrten der Heimatlosen bis in die Gegenwart zu verfolgen – bestenfalls ab und an aufkommender Klagegesänge (Musik: Jörg-Martin Wagner).
Als Bühnenbild (Karoly Risz) reichen Tilman Köhler ein immer größer werdender Berg an Koffern, die hin- und hergeschoben werden, und zwei riesige holzgetäfelte Wände, die die Irrenden einschließen. Ein Gefängnis, das sie höchstens nutzen können, um an den Wänden aufkommende Winde zu imitieren, die ihnen immer neue Nachrichten zuraunen. Fake? Echt? Keiner weiß es.
Viel Beifall für eine gelungene Irrfahrt, die mitten in Dresden endet.“
Das Stück in der gelungenen Regie von Tilmann Köhler ist ideal für die großartigen Schauspieler: Luise Aschenbrenner, Albrecht Goette, Eva Hüster, Moritz Kienemann, Hannelore Koch, Philipp Lux, Karina Plachetka und Matthias Reichwald machen den Besuch des Stücks zu einem grandiosen Theater-Erlebnis. Nahezu pures Sprechtheater ist hier zu genießen.
Die mit hohen Holzwänden und -boden zurückhaltend gestaltete Bühne (Karoly Risz) öffnet und schließt sich im Verlauf des Stücks wie ein riesiges Tor. Der Einsatz von Licht (Michael Gööck) und Kostümen (Susanne Uhl) ist zurückhaltend und so perfekt, nichts lenkt ab von den Schauspielern. Einzige Requisiten sind eine Vielzahl bunter Koffer – das Erkennungsmerkmal von Reisenden –, die im Laufe des Stücks gerollt, geschwungen und geworfen werden.
Einen Besuch des Stückes sollten Sie unbedingt einplanen.“
Die Odyssee, das ist die Erfindung eines Lehrers. Penelope, die einsame Gattin des Odysseus, hat sich diesen Lehrer als Liebhaber genommen. Der erzählt ihr nach dem Beischlaf in seinem Kleinwagen oben in den Bergen, fernab der Stadt, Geschichten ihres verschollenen Mannes. Diesen Zugang zum Epos wählt Roland Schimmelpfennig in seiner Überschreibung des Sagenstoffs. Wie auch das antike Original ein aus unterschiedlichen Erzählperspektiven, Rückblenden und Einschüben komplex zusammengesetztes Gefüge ist, so ist auch bei Schimmelpfennig jeder Erzählstrang, jede Einstellung, jede Meinung immer nur eine mögliche Variante.
Figuren treten in dem achtköpfigen Ensemble immer nur sporadisch in Erscheinung, in dem die Akteurinnen und Akteure aus der Erzählerrolle aus- und in eine kurz skizzierte Figurenrolle eintreten.“
Köhlers Inszenierung stellt sich ganz in den Dienst des Textes. Kein schmückendes Beiwerk und bebildernde Regieeinfälle lenken ab. Nur umherirrende, sich mal aneinander klammernde und wieder fliehende Körper und die Sprache. Das Reiben der Hemden beim Gehen an der Wand erzeugt magische Windgeräusche. Ansonsten wird auch mal Down in the River to Pray gesungen. Ein Song aus dem Film der Coen-Bruder O Brother, Where Art Thou?, der in Szenen auf die Irrfahrten des Odysseus anspielt. Rollkoffer, das Vehikel des modernen Weltreisenden, werden auf die Bühne getragen, geschichtet und geworfen. Niederlassen oder Weiterziehen? Odysseus wird zum Dauerreisenden in Sachen Entdeckung neuer Welten, Krieg und Eroberung.
Gibt es ein Grundrecht auf trockene Füße, auf Heimat, oder darauf nicht abgeschlachtet zu werden? Schimmelpfennigs Text regt das immer wieder an und schlägt so den Bogen zu heutigen Fluchtbewegungen.“