Dresdner Premiere 07.10.2017
› Kleines Haus 1
Minna von Barnhelm (2017)
Handlung
Der Krieg ist vorbei. Major von Tellheim erweist sich den Kriegsverlierern gegenüber mild und zahlt die Gelder, die er bei ihnen eintreiben soll, kurzerhand selbst. Daraufhin wird er unehrenhaft aus der Armee entlassen. Verletzt an Körper, Ehre und Würde kommt er nach Berlin, um seine Angelegenheiten zu klären.
Minna von Barnhelm, Tellheims Verlobte, ist ihm nachgereist. Nach Kriegsende will sie ihn nun endlich heiraten. Aber Tellheim weist sie zurück und gibt sie um ihres Glückes willen frei. Doch das mit dem Glück sieht Minna anders, denn „Gleichheit ist allein das feste Band der Liebe.“ Listig gibt sie sich als mittellos aus, entfacht neue Verwicklungen und lässt nicht von Tellheim ab.
Minna von Barnhelm, Tellheims Verlobte, ist ihm nachgereist. Nach Kriegsende will sie ihn nun endlich heiraten. Aber Tellheim weist sie zurück und gibt sie um ihres Glückes willen frei. Doch das mit dem Glück sieht Minna anders, denn „Gleichheit ist allein das feste Band der Liebe.“ Listig gibt sie sich als mittellos aus, entfacht neue Verwicklungen und lässt nicht von Tellheim ab.
Dauer der Aufführung: 2 Stunden und 45 Minuten.
Eine Pause.
Eine Pause.
Besetzung
Regie
Bühne und Kostüme
Komposition und Musik
Licht
Dramaturgie
Major von Tellheim, verabschiedet
Minna von Barnhelm
Ursula Hobmair
Franziska, Minnas Mädchen
Birte Leest
Just, Bedienter des Majors / Eine Dame in Trauer
Paul Werner, gewesener Wachtmeister des Majors
Der Wirt / Riccaut de la Marlinière
So herzerfrischend munter, wie das Spiel um Selbstlosigkeit, Geld, Grundsätze mitmenschlichen Verhaltens und Liebe hier daherkommt, scheint der Staub der Zeiten wie weggeblasen. Da funkelt der Lessingsche Witz.
Minnas Bemerkung im 4. Aufzug, ob man denn nicht auch lachend ‚sehr ernsthaft‘ sein könne, bestätigt sich hier aufs Beste. Denn bei allem Spaß, der da nicht zu knapp auf der Bühne getrieben wird, der gedankliche Kern gerät nie aus dem Blick. Prinzipientreue, der Versuch, höchste moralische Maßstäbe praktisch zu leben, kann leicht in menschenfeindliche Starre umkippen. Dies, so zeigt uns die Aufführung ohne aufdringliche Aktualisierung, ist auch ein Problem von heute.
Weiß geschminkte Gesichter mit geschwärzten Augenhöhlen, bizarre Perücken, expressive Gesten – diese Aufführung bedient sich der Elemente des Stummfilms, setzt immer wieder halsbrecherischste, perfekt durchchoreografierte Slapsticks in Szene. Verwegen geht sie mit ihrem Humor bis an die Grenzen, stürzt aber nie in den platten Klamauk ab. Es ist ein Abend der selbstbewussten, hinreißend witzigen Frauen; auch darin ist er ganz Lessings Intention verpflichtet. Ursula Hobmair ist eine vielschichtige Minna. Wir sehen sie als zappelndes, zartes Mädchen, als liebende Frau, die keck ihrem Tellheim den Spiegel seiner Prinzipienreiterei auf ‚Vernunft und Notwendigkeit‘ vorhält. Eine, die leidenschaftlich um ihn kämpft und beileibe nicht auf den Mund gefallen ist. Auch sie besitzt hohe Ideale, glaubt bis zur Realitätsblindheit an das Gute noch im schlechtesten Menschen, ist damit Tellheims Geistesverwandte, die allerdings Verstand mit Seele und Gefühl komplettiert. Sie vermag sich puppenhaft zu bewegen, dann wieder macht sie uns in feinem psychologischem Spiel auf realistische Weise den bitteren Ernst ihrer verfahrenen Lage deutlich, als die Komödie gegen Ende zur selbst verschuldeten Tragödie zu werden, sie Tellheim zu verlieren droht.
Birte Leest als Minnas Mädchen Franziska ist eine hinreißend komische Dame mit energisch wippendem Haarturm. Eine, die Minna handfest, mit ordentlichem Zack den Rücken frei hält, die weiß, was sie will, vor allem ihren Wachtmeister und möglichst rasch die große Party des Happy Ends. Sie zieht alle Register, seufzt, schluchzt, fällt in mehrere Ohnmachten oder tanzt selig vor Glück.
Von Nebenrollen mag man gar nicht sprechen. Denn alle haben ihre großen Auftritte. Oliver Simon als Bedienter Just etwa in der anrührenden Szene, in der er Tellheim die Geschichte von dem geretteten, hoffnungslos anhänglichen Pudel mit viel pantomimischem Geschick vorspielt und ihn so für sich gewinnt. Sven Hönig ist ein schmierig sich windender, geldgieriger Wirt und allgegenwärtiger Spitzel. In der Zweitrolle als französelnder Riccaut de la Marlinière in goldener Glitzerhose allerdings beschränkt er sich auf die Karikatur.
Darstellerisch äußerst einfallsreich tritt Thomas Eisen als Wachtmeister Paul Werner auf. Als er von Franziska den Leuchter über den Kopf gezogen bekommt, legt er eine atemberaubend-irrwitzige Taumel-Nummer hin, die ihm spontanen Szenenapplaus beschert.
Philipp Grimm als Tellheim darf nach der Pause sich seines Armverbands entledigend, aus dem Korsett des nervenden Tugendboldes steigen und recht munter in temporeichen Tür-auf-Tür-zu-Szenen zu Höchstform auflaufen. Allerdings verliert er das Zwanghafte nie so ganz. Auch wenn er aus seinem Angsttraum aufwacht, sehen wir immer noch einen Melancholiker; konsequent bis zum Schluss, wo die Rückwand nach vorn fährt und auf dem verkleinerten Spielraum ein unschlüssig seiner Minna hinterherblickender Zauderer zurückbleibt.
Aufgemuntert erlebt man fast drei Stunden, die einem zu keinem Moment lang werden. Am Ende wohlverdienter stürmischer Applaus.“
Philipp Grimm (Tellheim), Ursula Hobmair (Minna), Birte Leest (Franzsika), Oliver Simon (Just), Thomas Eisen (Paul Werner) und Sven Hönig (der Wirt) geben ein famoses Ensemble ab. Kabinettstücken, wie Eisens akrobatisch taumelnde Bewusstlosigkeit nach Attacke mit Kerzenleuchter, inklusive. Ein schriller, kluger Theaterspaß.“
Alle Spieler haben die Gesichter weiß geschminkt und die Augen schwarz umrandet, was das Schaurige unterstreicht und das Klamaukige umso mehr leuchten lässt. Zum Beispiel beim Wirt. Sven Hönig spielt ihn als geldgierigen Türlauscher, der sich eine blutige Nase holt. Thomas Eisen lässt Tellheims früheren Wachtmeister wie eine steife Puppe über die Bühne stolpern und kriegt dafür sogar Szenenapplaus. Wenn er sich entrüstet, quetscht er die Namen von AfD-Politikern durch die Zähne. Eine hübsche Aktualisierung in diesen Tagen: Schon der gebürtige Kamenzer Lessing hatte sein Stück nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges mit sachsenkritischen Tönen verfasst.
Die humoristische Königin des Abends ist eindeutig Birte Leest.“