Festveranstaltung und Premiere 13.09.2013
zum 100. Geburtstag des Schauspielhauses › Schauspielhaus
zum 100. Geburtstag des Schauspielhauses › Schauspielhaus
King Arthur
Semiopera von John Dryden und Henry Purcell
Deutsch von Renate und Wolfgang Wiens
Prolog und Epilog in einer Bearbeitung von Armin Petras
eine Produktion des Staatsschauspiels Dresden und der Semperoper Dresden
Deutsch von Renate und Wolfgang Wiens
Prolog und Epilog in einer Bearbeitung von Armin Petras
eine Produktion des Staatsschauspiels Dresden und der Semperoper Dresden
Handlung
Anlässlich des 100. Geburtstags des Schauspielhauses vereinen das Staatsschauspiel und die Semperoper ihr Können und ihre Künste. Schauspieler und Sänger der beiden Häuser stehen in der Semiopera „King Arthur“ gemeinsam auf der Bühne. König Arthur führt Krieg gegen den sächsischen König Oswald. Die Sachsen versuchen, mit Menschenopfern und Zauberei den Sieg zu zwingen, und auch Arthur hat mit Merlin einen großen Zauberer an seiner Seite. Aber nicht nur im Krieg sind Arthur und Oswald Gegner, sondern auch in der Liebe: Die blinde Emmeline ist Arthur versprochen, doch ihre Schönheit hat auch Oswald betört. Er versucht kurzerhand, seinem Glück nachzuhelfen und entführt Emmeline, die nun auch noch ein Dritter begehrt: Osmond, der böse Zauberer der Sachsen. Zwischen Schlachtenlärm, Geisterbeschwörung und Schäferidylle und mit Purcells zauberhafter Musik triumphiert die Zivilisation schließlich über die Barbaren: König Arthur erhält die Hand der schönen Emmeline, die Verhältnisse sind wiederhergestellt – und das Reich kann sich feiern.
Die Semiopera „King Arthur“ entstand 1691 mit der Musik von Henry Purcell und dem Text von John Dryden. Dryden hat sein Stück „A Dramatick Opera“ genannt, der Begriff „Sempiopera“ wurde erst später für eine Gattung geprägt, in der Schauspiel, Oper und Tanz eine einmalige Symbiose eingehen und die großes Spektakel ist.
Die Semiopera „King Arthur“ entstand 1691 mit der Musik von Henry Purcell und dem Text von John Dryden. Dryden hat sein Stück „A Dramatick Opera“ genannt, der Begriff „Sempiopera“ wurde erst später für eine Gattung geprägt, in der Schauspiel, Oper und Tanz eine einmalige Symbiose eingehen und die großes Spektakel ist.
Besetzung
Regie
Musikalische Leitung
Felice Venanzoni
Bühne
Kostüme
Licht
Michael Gööck
Chor
Christiane Büttig
Dramaturgie
Felicitas Zürcher, Valeska Stern
König Arthur
Merlin, ein berühmter Magier
Conon, Herzog von Cornwall, Vasall Arthurs
Aurelius, Arthurs Freund
André Kaczmarczyk
Albanact, Hauptmann von Arthurs Garde / Waldgeist
Hagen Matzeit / Matthias Rexroth
Oswald, König von Kent, Sachse
Christian Erdmann
Osmond, ein sächsischer Zauberer
Benjamin Pauquet
Emmeline, Conons Tochter
Yohanna Schwertfeger
Matilda, Emmelines Dienerin / Sirene / Venus
Nadja Mchantaf
Philidel, ein Luftgeist
Sonja Beißwenger
Grimbald, ein Erdgeist
Peter Lobert
Cupido / Nereide
Romy Petrick
Luftgeist / Sirene / She
Arantza Ezenarro / Norma Nahoun / Akiho Tsujii
Herold / Schäfer / Waldgeist / Comus
Simeon Esper / Aaron Pegram
Waldgeist / Aeolus / Pan / He
Ilhun Jung / Julian Arsenault
Sinfoniechor Dresden
Extrachor der Semperoper Dresden
Orchester Collegium 1704
Teorbe / Erzlaute / Gitarre
Andrew Maginley
Teorbe / Gitarre
Josep Maria Martí Duran
Cello
James Bush
Viola da gamba
Diethard Krause
Cembalo
Felice Venanzoni, Johannes Wulff-Woesten / Clemens Posselt
Video
Musik und Schauspiel
Die Saison 2013/2014 wird mit einem besonderen Werk eröffnet, das Sprech- und Musiktheater in sich vereint – „King Arthur“ von Henry Purcell und John Dryden
Das Staatsschauspiel und die Semperoper führen in einem großen Jubiläumsprojekt ihre Kräfte zusammen, Schauspieler und Sänger stehen in dieser Koproduktion gemeinsam auf der Bühne. Hausregisseur Tilmann Köhler wird die Geschichte von zwei feindlichen Lagern, den christlichen Briten und den barbarischen Sachsen, erzählen, die sich um die Herrschaft, ein Reich und ein schönes Mädchen schlagen. Diese kriegerische Geschichte ist garniert mit Zauberei, mit mythischen und allegorischen Figuren und natürlich mit Purcells verzaubernder Musik.
Das E-Mail-Interview zwischen Dresden und den USA führte die Dramaturgin Felicitas Zürcher mit dem Musikalischen Leiter Felice Venanzoni.
Felice Venanzoni, Sie sind ein Spezialist für Alte Musik. Wieso haben Sie sich der Barockmusik verschrieben? Was ist das Besondere an dieser Musik?
Felice Venanzoni: Ich bin kein Spezialist. Ich bin Musiker. Die Barockmusik ist mir vor mehreren Jahren begegnet, seither sind wir sehr gute Freunde. Im Barock sind Genie, Kreativität, Einfallsreichtum, Liebe und Wirkung das Eigentliche der Musik. Sehr wenig ist in den Partituren festgeschrieben, alles muss (wieder-)gefunden werden. Eine faszinierende Herausforderung.
Legen Sie als Musikalischer Leiter diese Dinge fest oder sind die Musiker an dem Prozess beteiligt? Und wird dann festgeschrieben oder gibt es Spielraum, um jeden Abend neu zu interpretieren?
Auf jeden Fall gibt es Raum! Ich schreibe etwas nur fest, wenn die Musiker oder Sänger sich nicht gut mit dem Stil auskennen oder wenn jemand wenig Fantasie hat. Ich versuche, die Kreativität der Musiker zu stimulieren, um persönliche Lösungen zu finden. Ungern komme ich mit vorgefertigten Verzierungen oder Arrangements.
„King Arthur“ ist eine sogenannte Semiopera – Schauspiel, Musik und Tanz. Ist es nichts Halbes und nichts Ganzes?
Instinktiv würde ich „Ja“ sagen, falls man nach einer „geraden Kurve“, der perfekten Form sucht. Allerdings handelt es sich bei genauem Hinschauen um eine stimulierende Form diverser Ausdrucksweisen. Die Perspektiven artistischen Ausdrucks sind auf jeden Fall weiter als die einer definierten Form wie der Oper oder eines Theaterstücks.
Welcher Teil des Werks ist für Sie der wichtigste?
Die Frostgeist-Arie. Es war wie ein richtiger Donnerschlag, als ich sie zum ersten Mal hörte, mächtig, extrem modern und suggestiv. Sie ist auch nicht umsonst das Herzstück des ganzen Werks.
Meinen Sie das auf den musikalischen Ausdruck und Bogen bezogen oder auch auf die Handlung?
Musikalisch, klar. Ich bin nur Dirigent …
Ist es Ihre erste Arbeit mit Schauspielern? Ist es etwas Besonderes, ein Stück mit so vielen Schauspielern zu erarbeiten?
Ja, diese Arbeit ist meine erste Zusammenarbeit mit Schauspielern. Es ist das Kernanliegen eines Künstlers, etwas (oder sich) zu erzählen, und somit sind Musiker und Schauspieler nicht weit voneinander entfernt. Es ist eine besondere Herausforderung, so verschiedene künstlerische Ausdrucksformen koordinieren zu lernen.
Das E-Mail-Interview zwischen Dresden und den USA führte die Dramaturgin Felicitas Zürcher mit dem Musikalischen Leiter Felice Venanzoni.
Felice Venanzoni, Sie sind ein Spezialist für Alte Musik. Wieso haben Sie sich der Barockmusik verschrieben? Was ist das Besondere an dieser Musik?
Felice Venanzoni: Ich bin kein Spezialist. Ich bin Musiker. Die Barockmusik ist mir vor mehreren Jahren begegnet, seither sind wir sehr gute Freunde. Im Barock sind Genie, Kreativität, Einfallsreichtum, Liebe und Wirkung das Eigentliche der Musik. Sehr wenig ist in den Partituren festgeschrieben, alles muss (wieder-)gefunden werden. Eine faszinierende Herausforderung.
Legen Sie als Musikalischer Leiter diese Dinge fest oder sind die Musiker an dem Prozess beteiligt? Und wird dann festgeschrieben oder gibt es Spielraum, um jeden Abend neu zu interpretieren?
Auf jeden Fall gibt es Raum! Ich schreibe etwas nur fest, wenn die Musiker oder Sänger sich nicht gut mit dem Stil auskennen oder wenn jemand wenig Fantasie hat. Ich versuche, die Kreativität der Musiker zu stimulieren, um persönliche Lösungen zu finden. Ungern komme ich mit vorgefertigten Verzierungen oder Arrangements.
„King Arthur“ ist eine sogenannte Semiopera – Schauspiel, Musik und Tanz. Ist es nichts Halbes und nichts Ganzes?
Instinktiv würde ich „Ja“ sagen, falls man nach einer „geraden Kurve“, der perfekten Form sucht. Allerdings handelt es sich bei genauem Hinschauen um eine stimulierende Form diverser Ausdrucksweisen. Die Perspektiven artistischen Ausdrucks sind auf jeden Fall weiter als die einer definierten Form wie der Oper oder eines Theaterstücks.
Welcher Teil des Werks ist für Sie der wichtigste?
Die Frostgeist-Arie. Es war wie ein richtiger Donnerschlag, als ich sie zum ersten Mal hörte, mächtig, extrem modern und suggestiv. Sie ist auch nicht umsonst das Herzstück des ganzen Werks.
Meinen Sie das auf den musikalischen Ausdruck und Bogen bezogen oder auch auf die Handlung?
Musikalisch, klar. Ich bin nur Dirigent …
Ist es Ihre erste Arbeit mit Schauspielern? Ist es etwas Besonderes, ein Stück mit so vielen Schauspielern zu erarbeiten?
Ja, diese Arbeit ist meine erste Zusammenarbeit mit Schauspielern. Es ist das Kernanliegen eines Künstlers, etwas (oder sich) zu erzählen, und somit sind Musiker und Schauspieler nicht weit voneinander entfernt. Es ist eine besondere Herausforderung, so verschiedene künstlerische Ausdrucksformen koordinieren zu lernen.
Der Anteil der Musik ist klar umrissen. Ist das eine Beschränkung?
Es ist sogar ein Vorteil für unsere Kreativität: Wir sind gezwungen, diesem Teil eine klare und intensive Form zu geben.
In „King Arthur“ funktioniert die Musik relativ unabhängig vom Schauspiel, es treten allegorische und mythologische Figuren auf, sie sind aber kaum handlungstragend. Kommentiert und ergänzt die Musik die Parts der Schauspieler? Oder könnte man die beiden Teile unabhängig voneinander aufführen?
Ich würde es lieber so sehen, dass die Musik die Schauspieler ergänzt. Und umgekehrt. Die zwei Bereiche müssen anfangen, zusammen zu leben und eine verzauberte Verbindung einzugehen.
Zwei Figuren im Stück haben sowohl einen Sprech- als auch einen Gesangspart. Müssen sie besser sprechen oder besser singen können?
Auf jeden Fall meine ich, sie sollten besser singen können – damit ist aber bestimmt der Regisseur nicht einverstanden.
Im Barock hat sich das Publikum hauptsächlich im Foyer unterhalten und das Spektakel auf der Bühne nur sporadisch verfolgt. Halten die Stücke der geballten Aufmerksamkeit des Publikums heute noch stand?
Gott sei Dank haben wir heute ein besseres Publikum als vor 400 Jahren!
Die Zeit des Barock ist uns ziemlich fern. Können normale, heutige, an Popmusik gewöhnte Ohren diese Musik genießen oder muss man ein Spezialist sein?
Nein, man braucht bestimmt kein Spezialist zu sein! Ich muss ja auch nicht Techniker sein, um einen Film zu genießen, und auch nicht Athlet, um während eines Fußballspiels richtig mitzujubeln. Mehr als in alt und neu, glaube ich, sollte man Musik in gut oder schlecht einteilen.
Die inhaltliche Aussage des Stückes kann man in der Konstituierung des Staates und einer Feier der bestehenden Verhältnisse sehen: Der Feind ist besiegt, die Gefahr abgewendet, Britannien triumphiert. Kann man diese Aussage in der Musik auch ablesen?
Nein, meiner Meinung nach nicht. Die Musik ist überparteilich, und ich wünsche mir, dass sie es immer bleibt.
Felice Venanzoni wurde 1968 in Macerata/Italien geboren und ist seit 1999 an der Oper Frankfurt tätig. Dort dirigierte er u. a. Werke von Monteverdi, Händel und Vivaldi. Seit mehreren Jahren verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit dem französischen Barockdirigenten J. C. Spinosi und dessen Ensemble Matheus. Felice Venanzoni war an den Theatern in Como, Brescia, Bergamo, Pavia, Novara und Salerno sowie bei der Associazione Lirica Concertistica in Mailand engagiert.
In der Spielzeit 2011/2012 dirigierte er an der Semperoper Dresden „La Dirindina“ und war als Coach für das Junge Ensemble der Semperoper engagiert. 2012/2013 leitet er das Intermezzo „Dorina e Nibbio“.
Es ist sogar ein Vorteil für unsere Kreativität: Wir sind gezwungen, diesem Teil eine klare und intensive Form zu geben.
In „King Arthur“ funktioniert die Musik relativ unabhängig vom Schauspiel, es treten allegorische und mythologische Figuren auf, sie sind aber kaum handlungstragend. Kommentiert und ergänzt die Musik die Parts der Schauspieler? Oder könnte man die beiden Teile unabhängig voneinander aufführen?
Ich würde es lieber so sehen, dass die Musik die Schauspieler ergänzt. Und umgekehrt. Die zwei Bereiche müssen anfangen, zusammen zu leben und eine verzauberte Verbindung einzugehen.
Zwei Figuren im Stück haben sowohl einen Sprech- als auch einen Gesangspart. Müssen sie besser sprechen oder besser singen können?
Auf jeden Fall meine ich, sie sollten besser singen können – damit ist aber bestimmt der Regisseur nicht einverstanden.
Im Barock hat sich das Publikum hauptsächlich im Foyer unterhalten und das Spektakel auf der Bühne nur sporadisch verfolgt. Halten die Stücke der geballten Aufmerksamkeit des Publikums heute noch stand?
Gott sei Dank haben wir heute ein besseres Publikum als vor 400 Jahren!
Die Zeit des Barock ist uns ziemlich fern. Können normale, heutige, an Popmusik gewöhnte Ohren diese Musik genießen oder muss man ein Spezialist sein?
Nein, man braucht bestimmt kein Spezialist zu sein! Ich muss ja auch nicht Techniker sein, um einen Film zu genießen, und auch nicht Athlet, um während eines Fußballspiels richtig mitzujubeln. Mehr als in alt und neu, glaube ich, sollte man Musik in gut oder schlecht einteilen.
Die inhaltliche Aussage des Stückes kann man in der Konstituierung des Staates und einer Feier der bestehenden Verhältnisse sehen: Der Feind ist besiegt, die Gefahr abgewendet, Britannien triumphiert. Kann man diese Aussage in der Musik auch ablesen?
Nein, meiner Meinung nach nicht. Die Musik ist überparteilich, und ich wünsche mir, dass sie es immer bleibt.
Felice Venanzoni wurde 1968 in Macerata/Italien geboren und ist seit 1999 an der Oper Frankfurt tätig. Dort dirigierte er u. a. Werke von Monteverdi, Händel und Vivaldi. Seit mehreren Jahren verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit dem französischen Barockdirigenten J. C. Spinosi und dessen Ensemble Matheus. Felice Venanzoni war an den Theatern in Como, Brescia, Bergamo, Pavia, Novara und Salerno sowie bei der Associazione Lirica Concertistica in Mailand engagiert.
In der Spielzeit 2011/2012 dirigierte er an der Semperoper Dresden „La Dirindina“ und war als Coach für das Junge Ensemble der Semperoper engagiert. 2012/2013 leitet er das Intermezzo „Dorina e Nibbio“.
Repräsentation und Sehnsucht
Repräsentation und Sehnsucht in „King Arthur“
Schlachten und Zauberei, Schäfer und Nixen, ein verzauberter Wald und ein blindes Mädchen, Aeolus und Venus, Cupido und ein Frostgeist, das alles und noch viel mehr, Tanz, Märchen und Musik, eine barocke Fülle, ein Übermaß und Überfluss an Figuren, Ideen und Mitteln, die alle in ein Ziel münden und einen Zweck haben: Sich selbst zu feiern und den anderen zu beweisen – ja, was denn? Dass man der Beste ist. Dass man es richtig macht. Und dass man es sich leisten kann.
„King Arthur“ wurde 1691 uraufgeführt und war klassische Herrscherhuldigung. Das war auch die Aufgabe des Dichters John Dryden, seit 1668 offizieller Hofdichter und Historiograf der Stuarts, der seine Werke hauptsächlich für den Hof und zu dessen Erbauung geschrieben hat, zur Verteidigung und Legitimierung der Monarchie. Bereits 1685 fasste Dryden den Plan, eine große Hymne auf Britannien zu schreiben, eine Nationaloper, die schließlich 1691 als „King Arthur“ mit der Musik von Henry Purcell uraufgeführt wurde. Zu diesem Zweck bediente er sich einer Folie, die größer nicht hätte sein können: Der Sagenkönig Artus musste herhalten, um dem aktuellen König ein Denkmal zu setzen. Dabei ging Dryden äußerst frei um mit dem Stoff. Zwar tritt der Druide Merlin auf, sonst aber kommen weder die Ritter der Tafelrunde vor noch der Gral oder die eigentliche Gattin Arthurs, Guinevere. Einzig den historischen Ursprung des Sagenkomplexes griff Dryden auf: die zahlreichen und langen Kriege um die Mitte des 5. Jahrhunderts, in denen die britischen Könige die Stämme der Pikten und der Sachsen zurückzudrängen versuchten, die im Zuge der Völkerwanderung aus Nord- und Osteuropa eingedrungen waren und nach dem Abzug der Römer auf der Insel ein Machtvakuum angetroffen hatten. Artus, nach der Legende der König, der endlich einen langanhaltenden Frieden für Britannien stiften konnte, passte für Drydens Zweck der Verherrlichung seines Königs sowie des prosperierenden Reichs.
Ansonsten ließ der gebildete Dichter seiner Phantasie freien Lauf und richtete mit der großen Kelle an. Er griff bald in diesen, bald in jenen Märchentopf und erfand auch selber dazu: Entsprechend der neuen Gattung der Semiopera treten zahlreiche allegorische Figuren wie Cupido, Venus, Pan und Aeolus, der Gott der Winde, auf, Fabelwesen wie Luftgeister, Erdgeister, Waldgeister, Nixen und Sirenen, aber auch Vertreter der anderen Stände – Bauern, Schäfer und Fischer. In diese überbordende Bildwelt verpackt Dryden philosophische und theologische Themen seiner Zeit, nicht ohne ab und zu kritische Kommentare einzubauen. So kommt der Herzog von Cornwall zu der blinden Tochter Emmeline, die schön ist, weil sie reich ist („alle Erbinnen sind schön“), und die aufgrund ihrer Blindheit im Gespräch mit Arthur ein paar zentrale erkenntnistheoretische Fragen aufwirft. Die beiden Geister Grimbald und Philidel liefern sich ein Streitgespräch um Himmel und Hölle, und bei Merlin erzählt Philidel vom Engelssturz und erfährt Wege zu Erlösung und Seelenheil. Keines der Themen wird vertieft, auch die Kriegsmüdigkeit der Briten, die Menschenopfer der barbarischen Sachsen oder die Entführung von Emmeline werden kaum hinterfragt. Aber wie auch? Das Werk war ja vom König bezahlt und diente zu seinem Lob und zur Erbauung seines Hofes.
Inmitten dieser Herrscherhuldigung aber kristallisiert sich eine ganz persönliche und allgemein gültige Geschichte um drei Männer und eine Frau heraus, die die mittleren drei Akte komplett beherrscht. Die staatliche Ebene wird gespiegelt in der privaten, und der Krieg, den die Briten bereits im ersten Akt gewonnen haben, geht mit dem Raub der Braut weiter als Kampf zwischen zwei Männern um eine Frau – in den sich mit Osmond bald ein dritter mischt. Arthur und Oswald sind Konkurrenten auf dem Schlachtfeld und dem Feld der Liebe, sie streiten um Britannien und um das Herz Emmelines, die mit ihrer Blindheit zum eigentlichen Lichtpunkt des Stückes wird – ein heller Stern, unberührt von Kampf und Krieg, unbeschadet vom Schmutz der Welt und Sehnsuchtsort für alle Männer. Im Kampf um die Frau verschwinden alle anderen Machtansprüche. Arthur setzt für Emmeline ohne zu zögern das Reich und seine Krone als Preis, doch auch für Oswald zählt nur noch die Liebe: „Bis morgen früh bin ich vielleicht ein Gott, / Wenn Emmeline geneigt ist“. Deutlicher, plumper formuliert auch der böse Zauberer dieselbe Sehnsucht: „Osmond heiß ich, und ich will Liebe“ – und setzt dafür alle Zauberkünste ein.
„King Arthur“ wurde 1691 uraufgeführt und war klassische Herrscherhuldigung. Das war auch die Aufgabe des Dichters John Dryden, seit 1668 offizieller Hofdichter und Historiograf der Stuarts, der seine Werke hauptsächlich für den Hof und zu dessen Erbauung geschrieben hat, zur Verteidigung und Legitimierung der Monarchie. Bereits 1685 fasste Dryden den Plan, eine große Hymne auf Britannien zu schreiben, eine Nationaloper, die schließlich 1691 als „King Arthur“ mit der Musik von Henry Purcell uraufgeführt wurde. Zu diesem Zweck bediente er sich einer Folie, die größer nicht hätte sein können: Der Sagenkönig Artus musste herhalten, um dem aktuellen König ein Denkmal zu setzen. Dabei ging Dryden äußerst frei um mit dem Stoff. Zwar tritt der Druide Merlin auf, sonst aber kommen weder die Ritter der Tafelrunde vor noch der Gral oder die eigentliche Gattin Arthurs, Guinevere. Einzig den historischen Ursprung des Sagenkomplexes griff Dryden auf: die zahlreichen und langen Kriege um die Mitte des 5. Jahrhunderts, in denen die britischen Könige die Stämme der Pikten und der Sachsen zurückzudrängen versuchten, die im Zuge der Völkerwanderung aus Nord- und Osteuropa eingedrungen waren und nach dem Abzug der Römer auf der Insel ein Machtvakuum angetroffen hatten. Artus, nach der Legende der König, der endlich einen langanhaltenden Frieden für Britannien stiften konnte, passte für Drydens Zweck der Verherrlichung seines Königs sowie des prosperierenden Reichs.
Ansonsten ließ der gebildete Dichter seiner Phantasie freien Lauf und richtete mit der großen Kelle an. Er griff bald in diesen, bald in jenen Märchentopf und erfand auch selber dazu: Entsprechend der neuen Gattung der Semiopera treten zahlreiche allegorische Figuren wie Cupido, Venus, Pan und Aeolus, der Gott der Winde, auf, Fabelwesen wie Luftgeister, Erdgeister, Waldgeister, Nixen und Sirenen, aber auch Vertreter der anderen Stände – Bauern, Schäfer und Fischer. In diese überbordende Bildwelt verpackt Dryden philosophische und theologische Themen seiner Zeit, nicht ohne ab und zu kritische Kommentare einzubauen. So kommt der Herzog von Cornwall zu der blinden Tochter Emmeline, die schön ist, weil sie reich ist („alle Erbinnen sind schön“), und die aufgrund ihrer Blindheit im Gespräch mit Arthur ein paar zentrale erkenntnistheoretische Fragen aufwirft. Die beiden Geister Grimbald und Philidel liefern sich ein Streitgespräch um Himmel und Hölle, und bei Merlin erzählt Philidel vom Engelssturz und erfährt Wege zu Erlösung und Seelenheil. Keines der Themen wird vertieft, auch die Kriegsmüdigkeit der Briten, die Menschenopfer der barbarischen Sachsen oder die Entführung von Emmeline werden kaum hinterfragt. Aber wie auch? Das Werk war ja vom König bezahlt und diente zu seinem Lob und zur Erbauung seines Hofes.
Inmitten dieser Herrscherhuldigung aber kristallisiert sich eine ganz persönliche und allgemein gültige Geschichte um drei Männer und eine Frau heraus, die die mittleren drei Akte komplett beherrscht. Die staatliche Ebene wird gespiegelt in der privaten, und der Krieg, den die Briten bereits im ersten Akt gewonnen haben, geht mit dem Raub der Braut weiter als Kampf zwischen zwei Männern um eine Frau – in den sich mit Osmond bald ein dritter mischt. Arthur und Oswald sind Konkurrenten auf dem Schlachtfeld und dem Feld der Liebe, sie streiten um Britannien und um das Herz Emmelines, die mit ihrer Blindheit zum eigentlichen Lichtpunkt des Stückes wird – ein heller Stern, unberührt von Kampf und Krieg, unbeschadet vom Schmutz der Welt und Sehnsuchtsort für alle Männer. Im Kampf um die Frau verschwinden alle anderen Machtansprüche. Arthur setzt für Emmeline ohne zu zögern das Reich und seine Krone als Preis, doch auch für Oswald zählt nur noch die Liebe: „Bis morgen früh bin ich vielleicht ein Gott, / Wenn Emmeline geneigt ist“. Deutlicher, plumper formuliert auch der böse Zauberer dieselbe Sehnsucht: „Osmond heiß ich, und ich will Liebe“ – und setzt dafür alle Zauberkünste ein.
Doch Arthur und seine Briten erkennen Emmelines Blindheit nicht als ihre eigentliche Stärke, sie erhält das Augenlicht und verliert damit ihren Schutzort und im wörtlichen Sinn ihre Sicht auf die Welt. Wenn sie am Schluss die Braut des Königs wird und das Stück im letzten Akt mit der Feier des Braut- und Königspaars wieder in die klassische Herrscherhuldigung und Feier des Reiches mündet, hat sie den höchsten Preis bezahlt.
John Dryden hat in seinen kritischen Schriften immer wieder die belehrende Aufgabe von Kunst betont und die Zwänge seiner Position beschrieben. Auch „King Arthur“ hat er einen Prolog vorangestellt, in dem er die Stadt und den Adel angreift und auch die schwierige Position des Hofdichters reflektiert. Armin Petras hat diesen sowie den Epilog für Dresden neu gefasst: „Gewiss gibt es in dieser stadt nur wenig hirn / Dafür viel eitelkeit und dicke stirn / ... Und gerade hier, auf der lichten höhe eures verstands / Soll man nun schreiben ...“
In der barocken Handlungsfülle aber war dieser kritische Prolog bestimmt schnell vergessen, ebenso wie dem neuen König William III. vor lauter Feier- und Festlichkeit auch entgangen sein dürfte, dass bei der ganzen Herrscherhuldigung wahrscheinlich gar nicht er gemeint war.
Denn 1685, als Dryden die erste Version „King Arthur, or The British Worthy“ schrieb, regierte Charles II., der aus dem französischen Exil zurückgekehrt war und als Befreier des Landes von der Diktatur Oliver Cromwells gefeiert werden sollte. Charles II. aber starb, bevor die Musik zum Text fertig war, und das Stück landete in der Schublade. Dort blieb es auch während der gesamten Regierungszeit des katholischen Königs James II. Als dieser 1688 gestürzt wurde und der angeheiratete Holländer William von Oranje auf den Thron kam, nahm Dryden seinen Plan einer Nationaloper wieder auf und schrieb das Werk auf den neuen König um.
Fast beiläufig schlichen sich dabei Störgeräusche in die Herrscherhuldigung ein, die wahrscheinlich nicht zufällig sind: Passt auf den gebürtigen Holländer William nicht eher der Sachsenkönig Oswald, der Eindringling? Und hat der Katholik John Dryden mit dem christlichen König Arthur vielleicht seinem ehemaligen König, dem katholischen James II., ein Denkmal gesetzt? Steigt am Ende vielleicht gar nicht Arthur auf den Thron, sondern der Barbar, fix zum Engländer gemacht? Doch auch diese zugegeben sehr versteckte Kritik haben der neue König und sein Hof wahrscheinlich einfach übersehen und in aller Pracht und Herrlichkeit weiter gefeiert.
Am Ende wird man dem falschen König ebenso zujubeln wie man sich selbst feiert. Hauptsache, man geht nicht unter, und die Ordnung bleibt bestehen. „den triumph in seiner grösse zeigt ihr ganz / das leid die tränen blut und galle sind wie weggewischt / doch was solls hochzufrieden sind wir und ihr mit diesem unsrem los“, heißt es nach geschlagener Schlacht und gefeiertem Fest im Epilog von Petras. „löscht das licht jetzt langsam / lasst uns träumen von den gewonnenen schlachten / bevor die dämmerung beschwört auf diesem alten spiegel / die anderen die wüsten schatten unseres lebens.“
So sehnt man sich vielleicht auch heute noch bisweilen in eine Welt, in der es wunderbar zugeht, in der man bösen Zauber mit Zauberei besiegen kann, in der einem gute Engel den richtigen Weg weisen und die falschen Teufel mit einem Knall im Orchestergraben verschwinden, aus dem die herrlichste Musik erklingt.
Felicitas Zürcher
John Dryden hat in seinen kritischen Schriften immer wieder die belehrende Aufgabe von Kunst betont und die Zwänge seiner Position beschrieben. Auch „King Arthur“ hat er einen Prolog vorangestellt, in dem er die Stadt und den Adel angreift und auch die schwierige Position des Hofdichters reflektiert. Armin Petras hat diesen sowie den Epilog für Dresden neu gefasst: „Gewiss gibt es in dieser stadt nur wenig hirn / Dafür viel eitelkeit und dicke stirn / ... Und gerade hier, auf der lichten höhe eures verstands / Soll man nun schreiben ...“
In der barocken Handlungsfülle aber war dieser kritische Prolog bestimmt schnell vergessen, ebenso wie dem neuen König William III. vor lauter Feier- und Festlichkeit auch entgangen sein dürfte, dass bei der ganzen Herrscherhuldigung wahrscheinlich gar nicht er gemeint war.
Denn 1685, als Dryden die erste Version „King Arthur, or The British Worthy“ schrieb, regierte Charles II., der aus dem französischen Exil zurückgekehrt war und als Befreier des Landes von der Diktatur Oliver Cromwells gefeiert werden sollte. Charles II. aber starb, bevor die Musik zum Text fertig war, und das Stück landete in der Schublade. Dort blieb es auch während der gesamten Regierungszeit des katholischen Königs James II. Als dieser 1688 gestürzt wurde und der angeheiratete Holländer William von Oranje auf den Thron kam, nahm Dryden seinen Plan einer Nationaloper wieder auf und schrieb das Werk auf den neuen König um.
Fast beiläufig schlichen sich dabei Störgeräusche in die Herrscherhuldigung ein, die wahrscheinlich nicht zufällig sind: Passt auf den gebürtigen Holländer William nicht eher der Sachsenkönig Oswald, der Eindringling? Und hat der Katholik John Dryden mit dem christlichen König Arthur vielleicht seinem ehemaligen König, dem katholischen James II., ein Denkmal gesetzt? Steigt am Ende vielleicht gar nicht Arthur auf den Thron, sondern der Barbar, fix zum Engländer gemacht? Doch auch diese zugegeben sehr versteckte Kritik haben der neue König und sein Hof wahrscheinlich einfach übersehen und in aller Pracht und Herrlichkeit weiter gefeiert.
Am Ende wird man dem falschen König ebenso zujubeln wie man sich selbst feiert. Hauptsache, man geht nicht unter, und die Ordnung bleibt bestehen. „den triumph in seiner grösse zeigt ihr ganz / das leid die tränen blut und galle sind wie weggewischt / doch was solls hochzufrieden sind wir und ihr mit diesem unsrem los“, heißt es nach geschlagener Schlacht und gefeiertem Fest im Epilog von Petras. „löscht das licht jetzt langsam / lasst uns träumen von den gewonnenen schlachten / bevor die dämmerung beschwört auf diesem alten spiegel / die anderen die wüsten schatten unseres lebens.“
So sehnt man sich vielleicht auch heute noch bisweilen in eine Welt, in der es wunderbar zugeht, in der man bösen Zauber mit Zauberei besiegen kann, in der einem gute Engel den richtigen Weg weisen und die falschen Teufel mit einem Knall im Orchestergraben verschwinden, aus dem die herrlichste Musik erklingt.
Felicitas Zürcher