Handlung
Die Konjunktur liegt am Boden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Doch was ist der Mensch ohne Arbeit? Wie sollen sich Sehnsüchte und Träume verwirklichen lassen, wenn sich jedes Gefühl den Gesetzen der Ökonomie unterwerfen und genauestens kalkuliert werden muss? In Horváths Volksstück KASIMIR UND KAROLINE sind alle überfordert. Dabei wollte Karoline doch nur ein wenig Spaß haben und sich auf dem Rummel amüsieren. Doch ihrem Freund Kasimir ist nicht nach Feiern zumute. Er hat seine Stelle verloren. Dass Karoline sich gleich nach etwas Besserem umsieht, macht die Sache nur noch schlimmer: Wütend tigert er zwischen Karoline und Kleinkriminalität umher. Er will mehr vom Leben und weiß doch, er wird es nicht bekommen. Frust macht sich breit inmitten von Verrat und Isolation, der gern mal in Gewalt mündet: Kasimir – der Prototyp eines Wutbürgers?
In Horváths sozialkritischem Drama von 1932, das die Endphase der Weimarer Republik beschreibt und sich zwischen Weltwirtschaftskrise und Kapitalismuskritik bewegt, sind Sätze wie „Die Staaten müssen wieder radikal national werden“ Einfallstore für die Aktualität des Stoffes, ihre Bezüge zum Hier und Jetzt liegen auf der Hand.
In Horváths sozialkritischem Drama von 1932, das die Endphase der Weimarer Republik beschreibt und sich zwischen Weltwirtschaftskrise und Kapitalismuskritik bewegt, sind Sätze wie „Die Staaten müssen wieder radikal national werden“ Einfallstore für die Aktualität des Stoffes, ihre Bezüge zum Hier und Jetzt liegen auf der Hand.
Dauer der Aufführung: 2 Stunden und 20 Minuten.
Eine Pause.
Eine Pause.
Besetzung
Regie
Nora Schlocker
Bühne
Jessica Rockstroh
Kostüme
Caroline Rössle Harper
Musik
Marcel Blatti
Licht
Dramaturgie
Kasimir
Karoline
Anja Laïs
Schürzinger
Der Merkl Franz
Ingo Tomi
Dem Merkl Franz seine Erna
Rauch
Speer
Elli
Maria
Juanita
Der Ausrufer / Der Sanitäter / Der Kellner
Richard Feist
Musiker
Kontrabass / Cello / Tuba
Violine
Florian Mayer
Viola
Filip Sommer
Cello
Benjamin Arnold
Bassklarinette
Georg Wettin
In der Inszenierung von Nora Schlocker werden die Figuren, bekleidet mit Dirndl und Lederhose, mit ihren Stärken und Schwächen in all ihrer Tragik gezeigt.
Gespielt wird auf einer breiten, vielstufigen Treppe von Bühnenbildnerin Jessica Rockstroh. Je nach Bedarf wird die Treppe zur schrägen Rutsche, auf der die ausgelassenen Wiesn-Besucher hinabschlittern. Auf der Rutschbahn des Lebens landen die kleinen Leute immer unten. Die Regisseurin hält sich weitgehend an die Hinweise des Autors: ‚Vergessen Sie nicht, dass die Stücke mit dem Dialog stehen und fallen.‘ Horváth revolutionierte das Genre des Volksstücks, karikierte die Figuren nicht, kannte die Sorgen der Menschen. Das stilisierte Spiel der Aufführung entspricht seinem Konzept. Eine fünfköpfige Kapelle liefert die Musik zum Oktoberfest: mitreißend und launig, verhalten und innig. Abrupt bricht sie plötzlich ab, mitten im Takt. Das Prinzip der Stille gehört zur Horvátschen Dramatik.
Anja Laïs ist Karoline, findet einen starken Gestus für ihre Figur. Der Körper ist ständig in Bewegung: ein lebensfrohes, verletzliches Wesen. Sie streckt die Arme selbstbewusst in die Hüfte, starrt nach oben, möchte fliegen, den Sternen entgegen, als käme vom Himmel die Erlösung.
Viktor Tremmel als Kasimir steht ihr nicht nach. Kasimir ist jähzornig und kraftvoll, zutiefst verzweifelt, denkt ans Sterben, folgt widerwillig dem Kleinkriminellen Franz. Er fühlt sich als Ausgestoßener, sucht Trost im Alkohol, begreift, dass die Liebe nach Geld geht. Innerlich leer nimmt er Abschied von seiner Braut: ‚Du hast in mir drinnen gewohnt und bist aber seit heute ausgezogen aus mir.‘ Eine andere Verlorene und Einsame klammert sich an ihn: Erna, die Freundin von Franz, der nach Autodiebstählen im Gefängnis landet. Erna, von Franz gedemütigt und geschlagen, kann von ihm nicht lassen, vergeht an seinen Küssen. Großartig, wie Karin Plachetka diese starkschwache Frau verkörpert.
Gelungen die Darstellung der Frauen, die ihre Körper und Reize verkaufen müssen, um in der Männergesellschaft zu überleben. Das gilt besonders für ein vermeintliches ‚Gorillamädchen‘, das als fremdes Wesen zum Angaffen ausgestellt wird. Eine bemerkenswerte und sinnliche Aufführung. Sie wirkt heutig, ohne jede Vordergründigkeit.“
Die Entdeckung der Langsamkeit in den Dialogen folgt bewusst originalen Regieanweisungen Horváths.“
Die Überzeugungskraft der Spielenden ist das stärkste Argument für diese Theaterarbeit.“