Premiere 28.11.2015 › Schauspielhaus

Graf Öderland / Wir sind das Volk

von Max Frisch / mit Texten von Dresdnerinnen und Dresdnern
Textfassung von Volker Lösch, Robert Koall und Stefan Schnabel
Auf dem Bild: Benjamin Pauquet, Ben Daniel Jöhnk, Antje Trautmann, Lea Ruckpaul, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ensemble
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ben Daniel Jöhnk, Antje Trautmann
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Thomas Braungardt (Der Mörder), Benjamin Pauquet (Doktor Hahn), Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Antje Trautmann, Albrecht Goette, Benjamin Pauquet
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Auf dem Bild: Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk, Dresdner Bürgerchor
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Auf dem Bild: Jannik Hinsch, Alexandra Weis, Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Alexandra Weis, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Alexandra Weis, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Benjamin Pauquet, Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul, Antje Trautmann
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Benjamin Pauquet, Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Benjamin Pauquet, Ben Daniel Jöhnk, Antje Trautmann, Lea Ruckpaul
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Benjamin Pauquet, Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul, Antje Trautmann
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul, Antje Trautmann, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Annedore Bauer, Thomas Braungardt, Torsten Ranft
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Annedore Bauer, Joussef Safok, Torsten Ranft
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Annedore Bauer, Torsten Ranft
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Torsten Ranft, Annedore Bauer
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Torsten Ranft, Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul, Annedore Bauer, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Jannik Hinsch, Alexandra Weis, Ben Daniel Jöhnk, Lea Ruckpaul, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ben Daniel Jöhnk, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk, Dresdner Bürgerchor
Foto: Matthias Horn

Handlung

Die Inszenierungen von Volker Lösch orientieren sich oft an den großen Themen der Städte, in denen sie gezeigt werden – sie politisieren, sie polemisieren, sie fordern heraus zur Auseinandersetzung. Am Staatsschauspiel waren dies z. B. seine „Dresdner Weber“ nach Gerhart Hauptmann oder „Die Wunde Dresden“. Der „Bürgerchor“ wurde ebenfalls hier als stilbildendes Element von Volker Löschs Arbeit erfunden.
„Herrlich sind wir und frei!“, sagt mit der Axt in der Hand Graf Öderland. Der gar kein Graf ist. Max Frisch erzählt in seinem Drama die Geschichte des Staatsanwalts Martin, der sich unfähig sieht, einen Mörder anzuklagen. Denn der Mord an einem Hauswart geschah ohne Motiv, er wurde einzig aus dem Grund begangen, der dem Staatsanwalt nur zu gut einleuchtet: Weltekel. Der Staatsanwalt teilt dieses Gefühl mit dem Mörder: „In dieser Welt der Papiere, in diesem Dschungel von Grenzen und Gesetzen, in diesem Irrenhaus der Ordnung. Ich kenne eure Ordnung. Ich bin in Öderland geboren. Wo der Mensch nicht hingehört, wo er nie gedeiht. Wo man die Schöpfung bekämpfen muss, damit man nicht erfriert oder verhungert.“ Und so lässt er sein bürger­liches Leben hinter sich, zieht in die Wälder, wird mehr aus Versehen Anführer einer Rebellion und sieht sich schließlich vor die Frage gestellt, ob er den letzten Schritt gehen und die Macht im Land ergreifen soll.
In GRAF ÖDERLAND, das für Max Frisch selbst eine zentrale Rolle in seinem Werk einnahm, bringt er einen Kessel zum Überkochen, in dem ein Gebräu aus diffuser Angst, unklarer Sehnsucht und Ignoranz brodelt – er lässt eine ganze Gesellschaft das Gleichgewicht verlieren. Volker Lösch wird Max Frischs Drama mit Texten anreichern, die er Dresdner Bürgern ablauscht, und dadurch die Ängste dieser Stadt hörbar machen.

Besetzung

Bühne
Kostüme
Chorleitung
Bernd Freytag
Licht
Michael Gööck, Andreas Barkleit
Dramaturgie
Robert Koall, Stefan Schnabel
Der Staatsanwalt
Ben Daniel Jöhnk
Elsa
Antje Trautmann
Doktor Hahn
Benjamin Pauquet
Hilde / Inge / Coco
Lea Ruckpaul
Der Mörder
Thomas Braungardt
Mario, ein Hellseher
Die Mutter / Die Kommissarin
Annedore Bauer
Der Vater / Der Innenminister / Der Staatspräsident
Concierge / Studentin
Alexandra Weis
Gendarm / Sträfling
Dresdner Bürgerchor
Hartmut Arnstadt, Grit Buchmann, Gunther Ermlich, Friederike Feldmann, Berndt Fröbel, Katrin Hanschmann, Franziska Hauer, Christine Hrzan, Mario Jäkel, Katrin Kaden, Stephanie Kölling, Luise Körber, Gisela Liscovius, Bertolt List, Hans-Joachim Neubert, Bernd Oppermann, Ivaylo Petrov, Andreas Richter, Annabell Schmieder, Ingrid Schulz, Mario Spanninger, Jana Sperling, Hans Strehlow, Günter Tannert, Claudia Weltz, Manja Wildenhain, Sandro Zimmermann
und
Joussef Safok

Video

Pressestimmen

„Die wohl meistbeachtete Theaterinszenierung des Jahres. Löschs düstere Bilder entfalten ihre Wirkung. Der Regisseur zwingt seine Zuschauer dazu, Stellung zu nehmen.“
Der Spiegel, Anke Dürr, 05.12.2016
„Theater ist Konflikt. In dieser Aufführung ist der Konflikt nicht dargestellt, sondern präsent. Das ist ihre Kraft.“
Neue Zürcher Zeitung, Peter Michalzik, 30.11.2015
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30.11.2015
„Eines hat der Regisseur Volker Lösch mit den Schauspielern und dem Bürgerchor gewiss geschafft, er hat der Verunsicherung, der Ratlosigkeit, dem Hass, dem Druck und der Aufregung eine Form gegeben. Die typische Bewegung der Aufführung ist das rennende Hin und Her, Geste der Erregung und der Hilflosigkeit Es gärt, qualmt und brennt in Dresden, und es brennt in dieser Aufführung – und das nicht nur wegen des Bühnenbildes, in dem es überall raucht und züngelt und lodert. Der etwa dreißig Personen umfassende Chor verkörpert umfassend die Haltungen der Dresdner Bevölkerung, bis hin zum Hass Pegidas. Es ist erstaunlich, wie engagiert und emphatisch dieser Chor das hinbekommt. Er ist geschmeidig geworden. Wenn er in kleinen Gruppen nach vorne drängt, hat er nicht nur demonstrative, sondern theatrale Qualität. Noch stärker wirken halb improvisierte Zwischenspiele der Schauspieler. Sie leben vom Widerspruch gegen Pegida, gegen Dresdner ‚Weggucker‘, gegen die Unentschiedenheit der CDU-Politik. Sie leben im Selbstwiderspruch, politisch wirken zu wollen, aber Theater zu machen, zwischen Distanz und Engagement zu sich zu kommen. Am stärksten ist die Aufführung, wenn sich die Ratlosigkeit des Theaters und das Brodeln in der Stadt mischen.
Volker Lösch hat eine fast diabolische Lust, die gärenden Widersprüche der Gesellschaft an die Oberfläche des Theaters zu ziehen. Manchmal wirkt das gewollt, hier ist es notwendig.
Theater ist Konflikt. In dieser Aufführung ist der Konflikt nicht dargestellt, sondern präsent. Das ist ihre Kraft.“
Peter Michalzik, Neue Zürcher Zeitung
„Volker Lösch ist mit seinen Schauspielern und dem Bürgerchor eine virtuose Inszenierung mit vielen aufklärerischen Effekten gelungen.“
Deutschlandradio Kultur, Hartmut Krug, 29.11.2015
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29.11.2015
„Der Abend ist eine kluge Montage über das Entstehen einer gesellschaftlichen Bewegung, der deren Gefühlsentwicklungen verstehbar macht, ohne sie zu akzeptieren. Da werden Pegida-Mitglieder mit vielen schlimmen Zitaten vorgeführt .Aber auch einzelne Schauspieler treten mit ihren Meinungen vor den Vorhang.
Da wird von einem Gefühl der totalen Unsicherheit in der Stadt berichtet. Und Annedore Bauer tobt sich in einer nicht enden wollenden furiosen Wutrede über die schweigende, brave Bürgerschaft aus. Dabei greift sie massiv die Inaktivität und Phrasen des Dresdner Bürgermeisters und des sächsischen Ministerpräsidenten an.
Torsten Ranft stellt virtuos eine traurig-komische Angela Merkel auf die Bühne und entlarvt dabei die Hohlheit ihrer Worte. Während seine Kollegin, die Sigmar Gabriel verkörpert, mit diesem das gleiche tut. Während der 17-jährige Syrer Joussef Safok still und eindringlich von seiner Flucht erzählt.
Mit diesem Panorama der Wahrnehmungen und Meinungen wird eine Haltungsentschiedenheit gefordert.
Fazit: Volker Lösch ist mit seinen Schauspielern und dem Bürgerchor eine virtuose Inszenierung mit vielen aufklärerischen Effekten gelungen. Natürlich, und das muss kein Nachteil sein, fand sie vor einem einverständigen Publikum statt, das mit Standing Ovations reagierte.“
Hartmut Krug, Deutschlandradio Kultur
„Gut gebaut und toll gespielt, bleibt vom Abend der Charakter eines Lehrstücks zurück, das die Mühen knallharter Agitation mit Leichtigkeit nimmt.“
Die deutsche Bühne, Tobias Prüwer, 29.11.2015
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29.11.2015
„Immer wieder schieben sich die 27 Männer und Frauen nach vorn, formieren sich zu verschiedenen Gruppenkonstellationen und geben einen konzentrierten, wuchtigen Vortrag. Inhaltlich steigert er sich von Klagen über Hartz-IV, empfundene Übervorteilung durch Westdeutsche und Selbstmitleid zu Rassismus, Homophobie und Gewaltfantasien. Das dokumentiert die tatsächliche Pegida-Radikalisierung, fügt sich aber auch zu einer dramaturgisch geschickten Zuspitzung, die den anschwellenden Bocksgesang des Grafen Öderland spiegelt. Unterstrichen wird dies zusätzlich durch das zunehmende komische, ja kabarettistische Spiel der Darsteller, das sich zur Farce inklusive Merkel-Parodie entwickelt. Auf allen Ebenen steuert die Dramaturgie dem Ausnahmezustand entgegen.
Mehr und mehr wird das Publikum direkt involviert und unmittelbar einbezogen. Hierzu fallen einige Spieler vorm heruntergelassenen Vorhang aus ihren Rollen zur Zuschaueransprache, schildern ihre persönlichen Erfahrungen im gegenwärtigen Dresden, ihre Meinung über Pegida. Schauspielstudentin Andrea Weis will nur noch die Ausbildung abschließen, dann Reißaus nehmen. Antje Trautmann hält einen eindrücklich-anklagenden Monolog über das allumfassende Schweigen, das Nichtaufstehen und das Versagen der sächsischen CDU-Landespolitik. Das führt zu zahleichen Szenenapplausen, wobei dem Publikum angeraten wird, nicht zu klatschen, sondern montags lieber zur Gegendemo zu gehen. Zum Schluss hin steigern sich Ben Daniel Jöhnk – schon als Graf ein viriler Charismatiker – und Lea Ruckpaul zu einem absurd wirkenden Rededuett. Pegida sei das eigentliche Opfer eines ‚faschistischen‘ BRD-Systems, das das Land durch ‚ausländische Invasoren‘ vernichtet, ist da zum Beispiel zu hören. Wie sich Ruckpaul gestisch grotesk mit immer sexualisierter werdender Energie gegen ‚Gender-Wahnsinn‘ und ‚überzogenen Sexualscheiß‘ in die Hysterie geifert, ist großartig gespielt. Wenn man nicht wüsste, dass das alles Redefragmente der in Wahrheit noch vulgärer auftretenden Pegida-Galionsfiguren Lutz Bachmann und Tatjana Festerling sind, wäre das feinstes Kabarett.
Gut gebaut und toll gespielt, bleibt vom Abend der Charakter eines Lehrstücks zurück, das die Mühen knallharter Agitation mit Leichtigkeit nimmt. Hier muss keiner erst überzeugt werden. Der Saal feiert sich – und zu Recht Regie und Schauspieler – in der Selbstvergewisserung, dass es noch Widerspruch gibt. Pegida selbst wird man damit nicht erreichen. In Zeiten aber, wo hier Stadtspitze und residierende Landesregierung zu Aufmärschen und Übergriffen schweigen, ist das unerhört genug. ‚Ich will ein Theater, das die Wirklichkeit verunmöglicht‘, ruft Antje Trautmann frustriert wütend in den Saal. Hiervon, von einer neuen Form politischen Theaters, war beim perspektivisch etwas aufgefächertem alten Agitprop-Rezept nichts zu erfahren. Vielleicht aber ist es ein Anfang für Dresden, muss die Form auch einmal notwendig dem Inhalt folgen, wenn sich das Theater hier den demokratischen Ort und Akteur nicht nur behaupten will.“
Tobias Prüwer, Die deutsche Bühne
„Volker Lösch hat ein Drama von Max Frisch bearbeitet das auf beklemmende Weise auf die Stimmung in Dresden passt.“
ZDF aspekte, Dunja Stamer, 28.11.2015
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28.11.2015
„Volker Lösch hat ein Drama von Max Frisch bearbeitet das auf beklemmende Weise auf die Stimmung in Dresden passt. Es ist eine mehr als unheilvolle Gemeinschaft der Verbitterten, die hier auf dem Dresdner Theaterplatz ihren Ausgang nimmt. Nährboden für gesellschaftsfähigen Hass und die Politik schaut weg. Das macht auch das großartige Dresdner Stück von Volker Lösch unmissverständlich klar.“
Dunja Stamer, ZDF aspekte
„Das Theater versucht hier radikal der Wirklichkeit da draußen die Stirn zu bieten, gegen das bittere Gefühl, dass es da draußen immer dunkler wird. Vor allem am Montag.“
arte Metropolis, 28.11.2015
„Es ist ein Protest von der Bühne herab gegen die Aufkündigung bürgerlicher Übereinkunft, gegen das Wegeschleifen der offenen Gesellschaft.“
Theater heute, Christian Rakow, 01.01.2016
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01.01.2016
„Aber dann gibt es doch drei Momente, die diesen Abend unvergesslich machen. Da steht einmal der siebzehnjährige Syrer Joussef Safok allein auf der großen Bühne des Staatsschauspiels, ein ungewohntes Gesicht an diesem Ort. Mit gefasster Zurückhaltung, in klarem, eindringlichen Deutsch erzählt er die Geschichte seiner Flucht. Noch einmal wird der Abend einen ähnlich persönlichen Ausbruch aus dem angeschafft Zitathaften finden. In einer minutenlangen, furiosen Publikumsbeschimpfung rechnet die Schauspielerin Annedore Bauer mit der konservativen Politik in Stadt und Land ab. Szenenapplaus brandet auf. Er brandet nicht nur an dieser Stelle auf. Und das ist der dritte und fraglos größte Glücksmoment dieses Abends. Er fällt in einen Situation, in der man bereit ist, über alles Gekünstelte und Angeschaffte hinwegzuhören, weil der Kontext durchschlägt, weil die zugrundeliegende aufklärerische Haltung des Theaters doch eine Haltung ist, die es in diesem historischen Moment an diesem Ort braucht. Es ist ein Protest von der Bühne herab gegen die Aufkündigung bürgerlicher Übereinkunft, gegen das Wegeschleifen der offenen Gesellschaft.“
Christian Rakow, Theater heute
„Das Stück denkt zu Ende, was passieren könnte, wenn die Wutbürger die Macht ergreifen, wenn Führerfantasien gesellschaftsfähig werden und die bürgerliche Mitte distanziert gleichgültig bleibt.“
ARD Tagesthemen, Patricia Klieme, 28.11.2015
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28.11.2015
„Der Chor von Theaterlaien lässt die Bühne erschreckend real wirken. Er spricht deutlich aus, was montags in Dresden gebrüllt, geredet und getuschelt wird. Das Stück denkt zu Ende, was passieren könnte, wenn die Wutbürger die Macht ergreifen, wenn Führerfantasien gesellschaftsfähig werden und die bürgerliche Mitte distanziert gleichgültig bleibt.“
Patricia Klieme, ARD Tagesthemen
„Eine konsequente, mutige Inszenierung.“
MDR artour, Henrike Sandner, 28.11.2015
„Ein sehenswerter Theaterabend – ein politischer Abend – und ganz und gar kein Anti-Pegida-Stück im Zentrum, sondern eine Kritik an den Dresdnern, und an der Stadt- und Landespolitik.“
MDR Figaro, Stefan Petraschewsky, 30.11.2015
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30.11.2015
„Ein sehenswerter Theaterabend – ein politischer Abend – und ganz und gar kein Anti-Pegida-Stück im Zentrum, sondern eine Kritik an den Dresdnern, und an der Stadt- und Landespolitik, weil die keine Haltung beziehen und die Sache einfach aussitzen, zum Schaden der Stadt, zum Schaden der Demokratie und einer offenen Gesellschaft.“
Stefan Petraschewsky, MDR Figaro
„Die neue Inszenierung im Schauspielhaus beschwichtigt nicht, sie greift an, reißt mit, polarisiert. Diese Sicht auf ‚Graf Öderland‘ frei nach Max Frisch lässt niemanden kalt.“
MDR Sachsenspiegel, Adina Rieckmann, 29.11.2015
„Die Entschiedenheit, mit der sich das Theater hier positioniert, ist schon beeindruckend. Sehr beeindruckend sogar.“
nachtkritik.de, Wolfgang Behrens, 29.11.2015
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29.11.2015
„In wechselnden Gruppierungen trägt der Bürgerchor das Material vor, in dem auch vor widerwärtigsten Ressentiments nicht zurückgeschreckt wird. Auf der anderen Seite berichtet ein Frauenchor von einer jungen Frau, die einem Deutschtürken gegen zwei rechte Schläger zur Seite sprang und daraufhin ihrerseits um ein Haar totgeschlagen worden wäre.
In zwischengeschalteten Monologen geben die Schauspieler wiederum ihrer Empörung Raum: Sie klagen die Tatenlosigkeit an, die des Publikums, das sich montags keinen Gegendemonstrationen anschließt, die der Politiker, auch ihre eigene. Die Ansprache könnte nun direkter kaum sein, Öderland ist weit weg, es herrscht die aufgeheizte Atmosphäre der Gegenwart. Jedes Statement der Schauspieler wird beklatscht, eine grandiose Wutrede von Annedore Bauer, die immer wieder die Bühne entert und immer noch einen draufsetzt in ihrem Zorn über die halbherzige CDU-Politik in Stadt und Land, wird von Juchzern unterbrochen und zuletzt frenetisch bejubelt.
Torsten Ranft karikiert mit Merkel-Robe und -Raute die quietistisch angehauchte Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin. Und Ben Daniel Jöhnk, der in ‚Öderland‘ den Staatsanwalt gibt, und Lea Ruckpaul fetzen dem Publikum mit komischen Körperexplosionen und stimmlicher Selbstverausgabung einen grausig-grotesken Zusammenschnitt aus authentischen Pegida-Zitaten entgegen. Das stille Gegenprogramm schließlich liefert der 17-jährige Syrer Joussef Safok, der mit seinem Smiley-Shirt so gar nichts Bedrohliches ausstrahlt und mit ruhiger Dringlichkeit von den Motiven und Umständen seiner Flucht berichtet.
Die Entschiedenheit, mit der sich das Theater hier positioniert, ist schon beeindruckend. Sehr beeindruckend sogar.“
Wolfgang Behrens, nachtkritik.de
„Das Stück heizt am Dresdner Staatsschauspiel die Pegida-Debatte kräftig an. Ungeschönt, provokant und sinnstiftend.“
Sächsische Zeitung, Sebastian Thiele, 30.11.2015
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30.11.2015
„Das Stück ‚Graf Öderland / Wir sind das Volk‘ heizt am Dresdner Staatsschauspiel die Pegida-Debatte kräftig an. Ungeschönt, provokant und sinnstiftend.
Volker Lösch und sein grandioses Ensemble haben einen Abend der Sprach- und Bildgewalt geschaffen, wie ihn Dresden dringend braucht. Man polemisiert nicht einfach gegen Pegida. Hier kämpft man differenziert gegen politische Faulheit der Bevölkerung.
Zur Aktivierung steigen Lea Ruckpaul, Ben Daniel Jöhnk, Benjamin Pauquet oder Annedore Bauer bisweilen aus ihren Rollen aus, treten vor und offenbaren ihre persönlichen Gedanken, Anschuldigungen, Ängste.
Ganz im Brecht’schen Verfremdungssinn gelingt dieses Konzept. Der Zuschauer ist von Merkel-Parodien belustigt, von Flüchtlingsberichten betroffen und gibt spontanen Zwischenapplaus. Und ab und zu entlarvt sich das Publikum, wenn es an der falschen Stelle lacht. Denn ‚links-versiffte Schundblätter‘ und ‚verkorkste Gendertanten‘ sind Vokabeln der Montagshetzer.
Am Ende tragen die Wutbürger auf der Bühne barocke Tarnkleidung und haben Äxte sowie lodernde Fackeln in der Hand.
Dazu persifliert Torsten Ranft kontrastreich August den Starken. In sächsischdümmlicher Manier übergibt er dem Grafen ein riesiges Schwert als Machtsymbol.
Doch der hat die Kontrolle verloren, denn die Wutgeister, die er rief, kann er nicht mehr stoppen. Jetzt herrscht Bürgerkrieg.
Ja, das ist eine düstere Vision. Aber gibt es in unserer verfahrenen Situation noch eine Chance? Der lange Beifall des stehenden Publikums ist zumindest ein politischer Hoffnungsschimmer.“
Sebastian Thiele, Sächsische Zeitung
„Ein großer Abend für Ben Daniel Jöhnk als Staatsanwalt, der zunehmend diabolische Züge annimmt. So dominant, aber auch so erschreckend hat man ihn lange nicht gesehen.“
Dresdner Neueste Nachrichten, Michael Bartsch, 30.11.2015
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30.11.2015
„Nach langer Pause hat der Bürgerchor mit teils noch vertrauten Gesichtern einen leidenschaftlichen, aber in der bewährten Einstudierung von Bernd Freytag auch sprechtechnisch sehr geschlossenen und synchronen Auftritt. Ein großer Abend für Ben Daniel Jöhnk als Staatsanwalt, der zunehmend diabolische Züge annimmt. So dominant, aber auch so erschreckend hat man ihn lange nicht gesehen. An seiner Seite als Gräfin, Köhlertochter Hilde oder Kokotte Coco Lea Ruckpaul in ausgespielter Weiblichkeit.
Sechs Minuten stehende Ovationen nach dem Vorhang. Wenige blieben betroffen sitzen, noch weniger verließen schnell den Saal. Die Premiere war ein Heimspiel, bei den Repertoirevorstellungen könnte das Echo geteilter ausfallen. Was immer noch für diese fulminante Aufführung spräche, denn sie gestattet kein bequemes Zurücklehnen auf der ‚Reservebank‘, nicht einmal die im Erbauungstheater liebgewordene Beobachterposition. Eine ‚Moritat‘ nennt Max Frisch sein Stück. Wir sind umso mehr mittendrin in dieser Schauergeschichte, als die Truppe Lösch gar nichts löscht, sondern das Menetekel zu Ende spielt. Was ist, wenn die ‚Bewegung‘ tatsächlich zur Axt greift, der von Pegida heraufbeschworene Bürgerkrieg ganz Europa erfasst? Wer hält uns dann noch auf einer staatlich subventionierten Bühne den Spiegel vor?“
Michael Bartsch, Dresdner Neueste Nachrichten
„Wo, wenn nicht am Theater, sollte Zuspitzung legitim sein, zumal wenn sie zu demokratischer Teilhabe mobilisieren will. Ein Höhepunkt: die keifende Festerling-Parodie von Lea Ruckpaul.“
Dresdner Morgenpost, Jörg Schneider, 30.11.2015
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30.11.2015
„Wo, wenn nicht am Theater, sollte Zuspitzung legitim sein, zumal wenn sie zu demokratischer Teilhabe mobilisieren will. Ergreifend ist die Selbstbezeugung eines jungen syrischen Flüchtlings, der sogleich für ein Selfie mit der Kanzlerin (Torsten Ranft) herhalten muss. Der Hellseher Mario (Albrecht Goette) präsentiert seine eigene Theorie über die Wandlung des Soziologen Heinz Bude (‚Gesellschaft der Angst‘) aus seiner Dresdner Rede über Pegida. Ein Höhepunkt: die keifende Festerling-Parodie von Lea Ruckpaul.“
Jörg Schneider, Dresdner Morgenpost
„Vor allem aber beeindrucken die ensembleeigenen Stellungnahmen, wenn die Schauspieler immer wieder einzeln vor den Vorhang treten und sich in Empörungssuaden und Publikumsbeschimpfungen ergehen.“
Reutlinger Generalanzeiger, Verena Grosskreutz, 30.11.2015
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30.11.2015
„Vor allem aber beeindrucken die ensembleeigenen Stellungnahmen, wenn die Schauspieler immer wieder einzeln vor den Vorhang treten und sich in Empörungssuaden und Publikumsbeschimpfungen ergehen. Sich wie Benjamin Pauquet aufregen über die ‚Weggucker und Nichtverhalter‘ und eine klare Haltung und Widerstand gegen Pegida einfordern. Oder sich wie Annedore Bauer grandios echauffieren über die sächsische CDU-Regierung, die sich nicht distanziert von der Pegida.
Zwischendurch gibt’s eine lustige Merkel-Parodie (Torsten Ranft), die sich ob der Flüchtlingsschicksale Tränchen aus den Augen drückt: Rührend harmlos im Shirt mit einem großen Smiley erzählt der 17-jährige Syrer Joussef Safok seine Fluchtgeschichte. Und zum komödiantischen Höhepunkt wird die ‚Regierungserklärung‘ des Staatsanwalts (Ben Daniel Jöhnk) und seiner Partnerin (Lea Ruckpaul), die sich immer hitziger und neurotisch verdrehender hineinsteigern in ihre furchterregend schwachsinnige Rede, die aus Pegida-O-Tönen zusammengeschnitten ist.“
Verena Grosskreutz, Reutlinger Generalanzeiger
„‚Wir sind das Volk!‘, nicht die Wutbürger, sondern die WOD-Bürger, die wie das Staatsschauspiel die ‚Initiative weltoffenes Dresden‘ (#WOD) unterstützen.“
Tiroler Tageszeitung, Wolfgang Huber-Lang, 29.11.2015
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29.11.2015
„‚Graf Öderland / Wir sind das Volk‘ heißt der Abend, dessen Textfassung von Lösch gemeinsam mit seinen Dramaturgen Robert Koall und Stefan Schnabel erstellt wurde. Sie und die Ensemblemitglieder haben sich ausgiebig mit jenen Haltungen und Phrasen auseinandergesetzt, die sich auf den Demos, in Gesprächen und in Hass-Postings artikulieren. Der Bürgerchor, immer wieder auch als sich zunehmend vergrößernde Anhängerschaft des zum Volkshelden aufsteigenden Grafen Öderland eingesetzt, verleiht den dumpfen Ressentiments und der Unzufriedenheit Ausdruck.
Als Gegenposition setzt Lösch einzelne Statements von Ensemblemitgliedern, die sich in furiosen Monologen in Rage reden oder von schlimmen persönlichen Erfahrungen der vergangenen Wochen berichten. Immer wieder gibt es dabei auch ganz direkte Aufrufe an das Publikum, doch Flagge zu zeigen und die Straße nicht den Fremdenfeinden zu überlassen. Denn: ‚Wir sind das Volk!‘, nicht die Wutbürger, sondern die WOD-Bürger, die wie das Staatsschauspiel die ‚Initiative weltoffenes Dresden‘ (#WOD) unterstützen.“
Wolfgang Huber-Lang, Tiroler Tageszeitung
„Eine beeindruckend recherchierte Analyse.“
ZDF heute journal, 30.11.2015
„Eine fulminante Inszenierung, zu der man sich verhalten muss, die kein bequemes Zurücklehnen auf der ‚Reservebank‘ gestattet.“
die taz, Michael Bartsch, 01.12.2015
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01.12.2015
„Völker Lösch vertraut bei üblen Pegida-Originalzitaten auf der Bühne immer noch auf resistente Keime eines aufgeklärten und wachen Bewusstseins der Zuschauer. Auf der anderen Seite setzt er auf Empathiefähigkeit, wenn er die Berichte über Misshandlungen Jugendlicher und die schlichte Antwort des Syrers Yussef auf wüste Flüchtlingsbeschimpfungen einfach für sich sprechen lässt.
Für sich sprechen auch die Schauspieler. Sie würden gern für viel mehr Dresdner sprechen als für jene, die am Schluss sechs Minuten stehend applaudierten. Die Hauptdarsteller Ben Daniel Jöhnk und Lea Ruckpaul appellieren mit Verve, endlich etwas zu tun, den ‚Soziologenblick‘.
Annedore Bauer ätzt am unverblümtesten gegen 25 Jahre Ignoranz und schweigende Toleranz der CDU gegenüber dem Nazi-Gift, die der Radikalisierung Vorschub geleistet habe. Das kann man angesichts der Situation nicht als Agitprop abtun. Es ist auch kein Kabarett, wenn gegen Ende der Kommissar mit Sigmar-Gabriel-Bauch und der Innenminister im violetten Tantenkostüm der Kanzlerin auftreten. ‚Ihr gehört nicht zu uns!‘, rufen sie, aber in welch selbstgefälliger Weise sie sich teils schon im Führerduktus vom ‚Pack‘ distanzieren, schürt wiederum eher Empörung gegen ‚die da oben‘.
Eine fulminante Inszenierung, zu der man sich verhalten muss, die kein bequemes Zurücklehnen auf der ‚Reservebank‘ gestattet. Was ist, wenn die ‚Bewegung‘, wie im Stück, tatsächlich zur Axt greift, der von Pegida schon beschworene Bürgerkrieg ganz Europa erfasste?“
Michael Bartsch, die taz
„Das Großartige an diesem Abend ist wohl, dass er stattfindet. Man denkt an jene, die das ‚Lügentheater‘ ebenso abschaffen wollen wie die ‚Lügenpresse‘ und freut sich, dass es ihnen nicht gelingt.“
ZEIT online, Mounia Meiborg, 30.11.2015
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30.11.2015
„Immer wieder treten die Schauspieler vor den Vorhang, um persönliche Bekenntnisse abzulegen. ‚Ich schäme mich für diesen Osten, für diesen Geiz und Hass‘, sagt jemand. Eine andere fragt sich, warum sie in dieser Stadt überhaupt noch auf die Bühne geht; eigentlich müsste man ja demonstrieren. Eine Dritte greift den Bürgermeister und die Bildungspolitik an und fordert ‚radikal humane Entscheidungen‘. Es sind emotional vorgetragene Statements, die begeisterten Applaus bekommen. Schon merkwürdig: Man ärgert sich über die altbekannten Sätze und das niedrige Reflexionsniveau. Und bekommt zwischendurch trotzdem Gänsehaut. Das Großartige an diesem Abend ist wohl, dass er stattfindet. Man denkt an jene, die das ‚Lügentheater‘ ebenso abschaffen wollen wie die ‚Lügenpresse‘ und freut sich, dass es ihnen nicht gelingt.“
Mounia Meiborg, ZEIT online
„Gut und richtig, dass sich das Staatsschauspiel Dresden nicht nur mit dieser Inszenierung so unmissverständlich positioniert.“
Süddeutsche Zeitung, Peter Laudenbach, 01.12.2015
„Wirklich berührend wird dieser Abend, wenn die Wirklichkeit ganz individuell und direkt auf die Bühne trifft.“
Wiener Zeitung, Joachim Lange, 30.11.2015
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30.11.2015
„Wirklich berührend wird dieser Abend, wenn die Wirklichkeit ganz individuell und direkt auf die Bühne trifft. Etwa, wenn eine junge Frau davon erzählt, wie sie fast totgeschlagen worden wäre, weil sie einem Deutschtürken in einer brenzligen Situation geholfen hat. Vor allem aber, wenn der 17-jährige Syrer Joussef Safok in exzellentem Deutsch mit Smiley-T-Shirt ganz einfach von seiner Flucht, ihren Gründen und der Sehnsucht nach seiner Familie erzählt.“
Joachim Lange, Wiener Zeitung
„Lösch liefert – weit ausholend ein Zustandsbild von deutschem Geist und Politikverständnis, deutscher Seele und Moral, dass einem angst und bange wird um den Bestand der Demokratie.“
Die Welt, Reinhard Wengierek, 02.12.2015
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02.12.2015
„Regie und Dramaturgie waren klug genug, mit dokumentierten Aussagen aus der schweigenden, politisch sich wegduckenden, heimlich wutbürgerlichen Mehrheit aufzudecken, was da so an Ressentiment, Angst, Aggression, Hass und Neid herumspukt in den wohlfrisierten Köpfen aller Schichten, Lager, Milieus der Gesellschaft angesichts einer in CDU-SPD-Berlin wie CDU-Dresden diffusen Regierungspolitik, die allzu viele sorgenumwölkte Fragen beiseiteschiebt. Lösch liefert – weit ausholend ein Zustandsbild von deutschem Geist und Politikverständnis, deutscher Seele und Moral, dass einem angst und bange wird um den Bestand der Demokratie.
Viel Stoff zu nachhaltigem Nachdenken. Auch darüber, inwieweit das alles ein Zerrbild sei und allzu plakativ. Ein Schock ist es allemal. Obendrein im bravourösen Wechsel zwischen rasender Farce, greller Groteske und gellendem Kabarett toll gemacht von den Akteuren, die zwischendurch immer wieder aus ihren Rollen heraustreten und dem verblüfften Publikum ihre persönliche, schmerzliche Befindlichkeit im so zwielichtigen Elbtal vor den Kopf knallen.
Zum Finale schließlich, auch das noch, ein wuchtiges Menetekel: In der dicken braunen Luft von Öderelbeland eskaliert die Wutbewegung zum Bürgerkrieg. Stehende Ovationen. Dazu die Wutworte von der Rampe: Klatscht Euch bloß nicht frei von Verantwortlichkeit! Forscht nach dem korrekt verdrängten Fascho in Euch selbst! Werdet wachsam! Soviel Imperativ, soviel Agitprop muss sein. Von hehrer Kunst hat Dresden allemal im Übermaß, von Zivilcourage eher nicht.“
Reinhard Wengierek, Die Welt
„Lösch – der seine Aufführung in der Vision eines europäischen Bürgerkrieges enden lässt – zielt auf Grundsätzlicheres, das die Demokratie aushöhlt.“
Neues Deutschland, Hans-Dieter Schütt, 01.12.2015
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01.12.2015
„Lösch – der seine Aufführung in der Vision eines europäischen Bürgerkrieges enden lässt – zielt auf Grundsätzlicheres, das die Demokratie aushöhlt. In Karikatur, Klientelklötzern und gelingender plakativer Kerbkraft erzählt er von unglücklichen Charakterausprägungen, die jenen gemeinsamen Nenner haben, der in Frischs Stück anklingt. Funkstille eigener Gedanken und Gefühle, Stilllegung des Eigensinns – das sind die diskussionswerten Berührungspunkte zwischen Öderlands Axt-Armee und Pegida-Pulk.“
Hans-Dieter Schütt, Neues Deutschland
„Überzeugend wird das Gemeinschaftsgefühl der Gruppe um Öderland dargestellt. Besonders eindrucksvoll bleiben jedoch die Passagen, in denen Pegida-Reden interpretiert werden.“
WDR 5 Skala, Nadine Lindner, 30.11.2015
„Der Chor zeigt sich nicht nur leidenschaftlich, sondern in der bewährten Einstudierung von Bernd Freytag auch sprechtechnisch sehr synchron.“
Theater der Zeit, Michael Bartsch, 01.01.2016

Wir sind das Volk!

Schmachddschbladd!

In Max Frischs „Graf Öderland“ wird ein Brodeln und Gären in der Gesellschaft zur Rebellion. Aber es ist ein Aufstand der Bürger „ohne Programm, ohne Vokabeln des Heils“. Es ist der Aufstand als Ventil für eine diffuse Angst, für Verunsicherung und Überforderung. Diese Stimmung hat auch den Dresdner Winter 2014/2015 geprägt. Wir baten den Journalisten Cornelius Pollmer, dieser Atmosphäre nachzuspüren.
Gibt es in Dresden einen Widerspruchsgeist? Aus der jüngeren Vergangenheit sind mir diesbezüglich zwei kleine Begebenheiten besonders in Erinnerung: Jahre ist es her, dass der Lampionumzug einer Kindertagesstätte nicht genehmigt worden war. Die Kita reagierte souverän und meldete stattdessen eine Demonstration an, um auf diese Weise und natürlich mit Lampions gegen die Nichtgenehmigung des Umzugs zu protestieren. Wie schön das klang, als jeder sang.
Erinnerung zwei geht zurück auf den Februar dieses Jahres. Wie an praktisch jedem Montag der Gegenwart hatte das Zentralkomitee der Pegida eine Demonstration angemeldet, also kamen die Leute, und sie kamen mit Laserpointern, leuchtenden Displays und diesen klobigen Handscheinwerfern aus dem Baumarkt. Ein derart bewaffneter älterer Mann stand an besagtem Montag mit seinem Sohn vor mir in der Menge. Bis zum Vortrag von Lutz Bachmann blieb noch ­etwas Zeit, also knipste der Vater den Scheinwerfer an und bestrahlte die Frauenkirche in wildkurvigen Bahnen. In ­seinen Augen glitzerte der bescheidene Stolz, sich an der großen Frauenkirche einmal sichtbar zu machen, den trägen Stein zu ärgern und dabei so etwas wie Macht zu spüren, und sei es auch eine denkbar sinnlose. All das meinte er gewiss, als er schließlich zu seinem Sohn sagte: „Geil, oder?“ Rabimmel, Rabammel, Raboom!
Der Widerspruchsgeist dieser Stadt liegt im arithmetischen Mittel vermutlich irgendwo zwischen diesen beiden Anekdoten. Denn, so banal das ist: Das Dresden gibt es genauso wenig wie die Dresdner. So wie es auch die Medien nicht gibt oder die Politiker.
Wie fühlt sich eine Stadt an, wie wirkt sie auf ihre Urbewohner und Gäste? Das bleibt ein fast tägliches Tauziehen. Und seit ein paar Monaten ist es schlicht so, dass Pegida viele kräftige Männer mehr ans Tau bringt als alle anderen zusammen.
Warum das so ist, haben vom Ortsbeirat bis zur Bundeskanzlerin nun fast alle zu deuten und auszuleuchten versucht. Manche nutzten dafür die feine Klinge des Laserpointers, andere versuchten es mit dem Handscheinwerfer als größtmöglicher Wumme. Viel Licht also. Und was haben wir da gesehen?
Wir haben gesehen, dass es eben doch ein verdammtes Problem ist, wenn es keinen Diskurs mehr gibt. Wir haben ­gesehen, dass Vereinzelung auch eine gefährliche Orientierungslosigkeit des Einzelnen bedeuten kann. Wir haben gesehen, dass bei vielen der grundsätzliche Glaube an das Gelingen der Dinge verloren gegangen ist, so er denn je fest und vorhanden gewesen war.
Wir haben Gräben gesehen, deren Ausmaße wir bislang nur geahnt hatten.
Nun ist das viele Licht wieder ein wenig gedimmt worden. Dresden wird vorerst trotzdem bleiben, was es geworden ist: eine nervöse und verängstigte Stadt. Weil Unversöhnlichkeit auf der Seite von Pegida eine Existenzbedingung ist – ohne Dissens keine Wut, und ohne Wut kein Widerstand. Weil auf der anderen Seite das Engagement sich auf einen nanoskopisch kleinen und damit überlasteten Teil der Bevölkerung bezieht – ausgestattet mit dem stillen Mandat einer sattsamen Mehrheit, die dann aber doch lieber am Wochenende wandern geht oder das samtene Polster im Staatsschauspiel besetzt als am nasskalten Montag danach den Platz davor.
Wenn Dresden irgendwie Residenzstadt geblieben ist, dann auch in dem Sinne, dass viele hier noch immer zu selbstbezogen und sich zu fein sind, auch mal für etwas einzustehen, das größer ist als sie selbst. Dass sie sich, ohne größeres Unbehagen, einrichten in ihrer Unbeteiligtheit. Montagsdemos? Hab ich nichts mit zu tun. Gegenprotest? Sollen mal schön die anderen machen.
Wir haben in den vergangenen Monaten immer wieder gesehen, wer Pegida ist und wer Pegida folgt. Wir haben einerseits gesehen, welche nachvollziehbaren Ängste und Sorgen viele dieser Follower bewegen, und andererseits, zu welch kalter Gewalt und Hartherzigkeit ein Teil von ihnen in der Lage ist. Echte Teilmengen von Pegida, deren Grölen keine andere Botschaft aussendet als: Ich-mach-dich-platt. Weil du nicht von hier kommst. Weil du Politiker bist. Weil du Lohnschreiber bist. Letztlich: Weil du anders bist als ich. Ich-mach-dich-platt. Auf Sächsisch: Schmachddschbladd! Wir haben, abgesehen von beschämend wenigen Ausnahmen, nie überblicken können: Wer sind die anderen, und wenn ja, wie viele?
Wenn es Angst gibt in dieser Stadt, dann kommt sie auch aus diesem Licht-Schatten-Spiel von Gewissheit und Ungewissheit. Von der Gewissheit einerseits, wie groß und ­gewaltig das Potenzial von Pegida ist. Und von der Ungewissheit andererseits, wer und wie viele dem eigentlich entgegenstehen.
So gesehen ist natürlich dieser Text schon wieder Teil des Problems. Wenn wir die Angst loswerden wollen, die Verunsicherung und die Furcht, dann hilft das ganze – Verzeihung – salonlinke Gedöns nicht weiter. Wer einer so großen Kleingruppe wie Pegida nicht die Macht über die Öffentlichkeit überlassen will, der muss das Wort Macht auch als einen an sich gerichteten Imperativ verstehen: Macht! Und zwar ­etwas. Macht Konzerte, macht Bürgerforen, macht (Platz für Ihre Gedanken).
Und wenn es hilft, dann treffen wir uns nächste Woche alle zum Lampionumzug, in Ordnung? Ich trag mein Licht, ich fürcht mich nicht. Rabimmel, rabammel, rabumm.
 
Cornelius Pollmer studierte in Dresden Volkswirtschaft und ist nach verschiedenen journalistischen Stationen seit 2013 Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.