Premiere 16.05.2019
› Kleines Haus 1
Früchte des Zorns
Schauspiel in drei Akten
nach dem Roman von John Steinbeck
von Frank Galati
Deutsch von Gottfried Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting
nach dem Roman von John Steinbeck
von Frank Galati
Deutsch von Gottfried Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting
Handlung
Eine große Dürre hat ihre Lebensgrundlage zerstört. Der Pachtzins kann nicht mehr bezahlt werden, die Grundbesitzer vertreiben sie mit Baggern, und die Familie Joad entschließt sich zu einer Reise ins Ungewisse: Tausende Kilometer reisen sie mit wenig mehr als sie am Leib tragen, einmal quer durch die Wüste und über den Kontinent, einer verheißungsvollen Zukunft entgegen. In Kalifornien, so hat man gehört, gebe es Arbeit, Wohlstand und die Hoffnung auf ein besseres Leben, ein kleines Glück. Doch mit jedem Schritt in Richtung des gelobten Landes wachsen Entbehrung, Ausbeutung und Anfeindung. Die Familie bricht auseinander und verliert sich in einer enttäuschten Schicksalsgemeinschaft von Einwander*innen, in der die Früchte des Zorns reifen.
John Steinbeck schilderte bereits 1939 eindrücklich die Folgen von Großer Depression, Monokultur und Missernten in den Vereinigten Staaten. Die Resonanz war immens: Gegendarstellungen wurden geschrieben, Verbote angestrebt, der Autor als Volksverhetzer diffamiert. Gleichzeitig hatte Steinbeck selbst intensiv recherchiert, war mit einer Gruppe wie der Familie Joad gemeinsam bis nach Kalifornien gereist und wurde als Stimme der Unterdrückten gefeiert. 1940 wurde FRÜCHTE DES ZORNS mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, 1962 erhielt Steinbeck den Literaturnobelpreis.
John Steinbeck schilderte bereits 1939 eindrücklich die Folgen von Großer Depression, Monokultur und Missernten in den Vereinigten Staaten. Die Resonanz war immens: Gegendarstellungen wurden geschrieben, Verbote angestrebt, der Autor als Volksverhetzer diffamiert. Gleichzeitig hatte Steinbeck selbst intensiv recherchiert, war mit einer Gruppe wie der Familie Joad gemeinsam bis nach Kalifornien gereist und wurde als Stimme der Unterdrückten gefeiert. 1940 wurde FRÜCHTE DES ZORNS mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, 1962 erhielt Steinbeck den Literaturnobelpreis.
Dauer der Aufführung: 2 Stunden.
Keine Pause.
Keine Pause.
Besetzung
Regie
Bühne
Kostüme
Musik
Licht
Dramaturgie
Jim Casy
Tom Joad
Pa Joad
Ma Joad
Rose Rivers, Geb. Joad
Lisa Natalie Arnold
Al Joad
Connie Rivers
Paul Wilms
Das Ensemble bewegt diesen Styropor-Sand mit großer Energie, mit Kampfenergie. Als würden Sie gegen die Elemente kämpfen. Diese Bühne ist allein schon die halbe Miete dieser Aufführung und das Ensemble, das diesen Kraftakt bewältigt, ist die zweite Hälfte.
Eine große Aufführung. Das ist ein Steinbeck-Steinbruch von außerordentlich reicher Beute, reicher Energie, die man daraus hervorholen kann. Mina Salehpour hat das in Dresden auf sehr mitreißende Weise gemacht. Das, was da an Beifall kam, ist beeindruckter Beifall.“
Wo führt das alles hin? Manchmal sollte man sich das nicht fragen. Sondern einfach weiterlaufen. Im gleißenden, von Staub durchsetzten Licht und gegen den peitschenden Sturm bewegt sich die Karawane voran, stampfend, schnaufend, kämpfend. Es sind Glückssuchende, Hoffende, Fliehende auf dem Weg von Oklahoma nach Kalifornien, wo die Orangenbäume blühen und Arbeit versprechen. Sie sind Wirtschaftsflüchtlinge der 1920er-Jahre: Ihre Heimat gibt für sie nichts mehr her, dort ist die Ernte verdorrt und die Banken treiben Schulden ein. John Steinbeck schrieb 1939 seine Geschichte FRÜCHTE DES ZORNS über diese wandernden Familien. Für seinen Roman, der auf Reportagen beruht, bekam Steinbeck den Pulitzerpreis. Und noch immer ist der Text drängend und berührend, eine großartige Folie für eine aktuelle Bearbeitung.
Wobei Regisseurin Mina Salehpour eben gerade nicht aktualisiert. Und ja, das ist bei dem Thema erwähnenswert.
Salehpour verfügt über einen großartigen Text und genügend Kunstfertigkeit, um ihre Inszenierung in jedem Moment bedeutsam sein zu lassen.
Da ist zunächst die großartige Bühne von Andrea Wagner. Wie eine cremige Masse wirken die Styroporkügelchen, aus denen die Darsteller auftauchen, durch die sie waten, mit denen sie kämpfen. Nebel wabert über diese graue Textur. Denn es liegt Staub über den Feldern von Oklahoma, das die Familie Joad nun verlassen will.
Die Inszenierung braucht keine Wutbürger-Karikaturen, um zu verstehen: Das hier hat mit uns zu tun.
Immer wieder treten die Darsteller aus ihren Rollen, spielen Nebencharaktere. Oder sie sprechen den Text als Prosa und lassen Bilder im Kopf der Zuschauer entstehen.
Lebendig werden die Bilder durch fantastische Regieeinfälle: Wenn sich Philipp Grimm Scheinwerfer an die Arme bindet und die Spieler durch ihren Schrittrhythmus das monotone Ruckeln des Autos darstellen. Wenn sich die Familie im scheinbar wohlwollenden Migrantenlager Hausschuhe reichen lässt und diese wohlig überstreift, sich endlich ausruhend. Wenn in einem einzigen Schrei die Geburt und der Tod des Babys von der jungen Rose steckt, die schließlich am Schmerz zerbricht: eingegraben im Styroporstaub. Gastdarstellerin Lisa Natalie Arnold spielt diese Rose zuerst schnoddrig und laut, später verloren und zart, ganz in sich gekehrt – eine tolle Besetzung. Stark sind auch Anna-Katharina Muck als Mutter und Hans-Werner Leupelt als Vater. Oliver Simon und Simon Werdelis fehlt es etwas am Kraft, Paul Wilms ist ein vielversprechender Schauspielstudent.
Es ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass Mina Salehpour, Hausregisseurin am Staatsschauspiel, selbst eine Fluchtgeschichte hat: Als junges Mädchen kam sie mit ihren Eltern aus dem Iran nach Deutschland. Dennoch – oder gerade deswegen? – hat sie der Textvorlage so viel Raum gelassen, dass FRÜCHTE DES ZORNS zu einer ebenso ruhigen wie bewegenden, einer wirklich großen theatralen Erzählung werden konnte.“
Die sieben Darsteller stehen nicht nur für die individuellen Schicksale der kleinen Gemeinschaft, sondern zugleich für die viel allgemeineren Erfahrungen der Vielen, der Hunderttausenden, die auf ihrem Weg zu einer neuartigen Gemeinschaft werden, sie verkörpern aber auch nach Bedarf all die Gestalten am Wege, die aus der Not der Wandernden ihren Profit ziehen, die Tankstellenpächter, die Wasserverkäufer, die kalifornischen Farmer, die für den kargen Lohn am Ende noch zum Kauf überteuerter Lebensmittel nötigen.
Vor allem ist erstaunlich – oder auch nicht! – welche Einfühlung und Leidenschaft Mina Salehpour ihrem kleinen Ensemble vermittelt hat. Denn jeder trägt da nicht nur seinen Part bei zur eindringlichen Schilderung der großen Bewegungen und Ereignisse, sondern verkörpert auch seine ganz eigene eigenwillige Figur.
Was die Reiferen (Muck, Leupelt) an Erfahrung und Klarheit voraus haben, machen die Jüngeren mit scheinbarer Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit wett. Es ist schlicht beeindruckend, wie sich dabei alle identifizieren mit einer Art von Grundhaltung, die in letzter Konsequenz keine Resignation zulässt.
Alle werden sie Tribut zollen, doch das Eigentliche wird sein, dass sie immer wieder aufstehen in ihrem Zorn, in ihrer Würde (die sich trotz allem immer auch im Habitus ausdrückt – Kostüme Maria Anderski).“
Flucht und Vertreibung, ihre Folgen und Ursachen sind die Themen. Mina Salehpour hätte problemlos mit Verweisen auf die Gegenwart arbeiten können. Sie tut es nicht, der Stoff schafft das ganz allein. Man denkt unwillkürlich an weltweite Arbeitsmigration, an Schleppermethoden, Klimazerstörung und den Kampf um gerechte Löhne. Die gelungene Inszenierung lässt all dies lange nachhallen.“