Uraufführung 14.06.2014
› Kleines Haus 1
Ein Exempel
Mutmaßungen über die sächsische Demokratie
von Lutz Hübner und Sarah Nemitz
von Lutz Hübner und Sarah Nemitz
Handlung
Als A, der das ganz gewöhnliche Leben eines Mannes um die dreißig mit Frau, Kind und Job lebt, eines Abends den Kassendienst im linksalternativen Veranstaltungszentrum übernimmt, beginnt es. Das Konzert der Weltmusikband läuft bereits, als eine Gruppe Neonazis vor dem Eingang zu stören beginnt. A stellt sich, in der vollen Überzeugung, das Richtige zu tun, den Störenfrieden entgegen. Die Situation eskaliert. Beleidigungen fliegen hin und her, Handgreiflichkeiten folgen, und plötzlich findet sich A, der bisher noch nie aktenkundig geworden war, auf dem Polizeirevier wieder, wo er sich dem Vorwurf der vorsätzlichen Gewaltausübung stellen muss. Als er kurz darauf eine Vorladung erhält, ist der Wettstreit um die Deutungshoheit eröffnet: Was ist an diesem Abend wirklich geschehen? Wer hat wen provoziert und angegriffen? Warum entsteht der Eindruck, dass für die Justiz und Politik in Sachsen der Feind eher links steht? Welches Politikverständnis liegt diesen Vorgängen zugrunde? Mit welchen Interessenskonflikten muss man im beruflichen Alltag des Justizwesens umgehen? Und wie wirkt sich die Erfahrung, als Angeklagter im Mittelpunkt eines Prozesses zu stehen, auf das Privatleben aus?
Der Autor Lutz Hübner (u. a. FRAU MÜLLER MUSS WEG, BLÜTENTRÄUME) ist einer der meistgespielten Gegenwartsdramatiker. Sein neues Stück verhandelt einen fiktiven (jedoch an der Realität orientierten) Fall, in dem Rechte und Linke sowie Exekutive und Judikative in einen Konflikt geraten. Hübner, der auch für dieses Stück umfangreich recherchierte, hat einen Text geschrieben, der die Komplexität der Auseinandersetzung spiegelt. Jan Gehler war Hausregisseur am Staatsschauspiel Dresden, der u. a. Herrndorfs TSCHICK und SUPERGUTE TAGE von Haddon / Stephens inszenierte.
Der Autor Lutz Hübner (u. a. FRAU MÜLLER MUSS WEG, BLÜTENTRÄUME) ist einer der meistgespielten Gegenwartsdramatiker. Sein neues Stück verhandelt einen fiktiven (jedoch an der Realität orientierten) Fall, in dem Rechte und Linke sowie Exekutive und Judikative in einen Konflikt geraten. Hübner, der auch für dieses Stück umfangreich recherchierte, hat einen Text geschrieben, der die Komplexität der Auseinandersetzung spiegelt. Jan Gehler war Hausregisseur am Staatsschauspiel Dresden, der u. a. Herrndorfs TSCHICK und SUPERGUTE TAGE von Haddon / Stephens inszenierte.
Besetzung
Regie
Jan Gehler
Bühne
Sabrina Rox
Kostüme
Irène Favre de Lucascaz
Licht
Björn Gerum
Dramaturgie
Beret Evensen
A – Angeklagter
Sascha Göpel
B – Freundin von A / Verteidigerin
C – Neonazi 1 / Konzertbesucherin / Freundin 2 / Staatsanwältin
D – Neonazi 2 / Polizist 1 / Freund 1 / Landesvater
E – Neonazi 3 / Konzertbesucher / Polizist 2 / Freund 3 / Richter
Video
Ein neues Stück für Dresden
Der Dramatiker Lutz Hübner schreibt ein neues Stück für Dresden
Lutz Hübners Stücke wurzeln in der Wirklichkeit, im gesellschaftlich Alltäglichen. Seine Figuren und ihre Geschichten sind dem Leben abgeschaut. Gleich einem gesellschaftlichen Seismografen erspürt Hübner immer wieder Themen, die in der Luft liegen und uns alle gleichermaßen betreffen.
Im Frühjahr 2013 hat der Autor damit begonnen, über kommunizierende Röhren zwischen Politik, Öffentlichkeit, Gerichtswesen und Polizei zu recherchieren; über staatlichen Machtmissbrauch, polizeiliche Willkür und Prozesslawinen gegen kritische Stimmen.
„Ein Exempel. Mutmaßungen über die sächsische Demokratie“ soll sein neues Stück heißen. Gibt es die sogenannte „sächsische Demokratie“, und wenn ja, wer und wie sind die „sächsischen Demokraten“?
Aus seiner Materialsammlung hat uns Lutz Hübner ein Zitat des tschechischen Philosophen, Soziologen und Politologen Václav Bĕlohradský geschickt, das vielleicht das gedankliche „Herz“ des Textes sein wird, der im Juni 2014 zur Uraufführung kommt:
Im Frühjahr 2013 hat der Autor damit begonnen, über kommunizierende Röhren zwischen Politik, Öffentlichkeit, Gerichtswesen und Polizei zu recherchieren; über staatlichen Machtmissbrauch, polizeiliche Willkür und Prozesslawinen gegen kritische Stimmen.
„Ein Exempel. Mutmaßungen über die sächsische Demokratie“ soll sein neues Stück heißen. Gibt es die sogenannte „sächsische Demokratie“, und wenn ja, wer und wie sind die „sächsischen Demokraten“?
Aus seiner Materialsammlung hat uns Lutz Hübner ein Zitat des tschechischen Philosophen, Soziologen und Politologen Václav Bĕlohradský geschickt, das vielleicht das gedankliche „Herz“ des Textes sein wird, der im Juni 2014 zur Uraufführung kommt:
Der Staat – das sind geschriebene Gesetze, die nur dann funktionieren, wenn sie ein Abbild der Gesetze in den Herzen der Bürger sind, wie die konservativen Kritiker der Französischen Revolution es ausdrückten. Die in unsere Herzen geschriebenen Gesetze sind Legitimität, die in der Gesetzessammlung verankerten Legalität. Das Legitime ist nie völlig legal und umgekehrt, doch zwischen diesen beiden Polen der Gesellschaft darf kein größerer als ein kleiner Unterschied sein. Die Legitimität ist das kanonisierte Ganze der identitätsstiftenden Geschichten eines Volks.
Hübner / Nemitz konstruieren einen fiktiven Fall, in dessen Schilderung dokumentarisches Material eingeflossen ist.
Das Stück hält sich von jeder Agitation und Propaganda fern, aber nicht von Meinungen. Es sucht Handlungen und Haltungen ungemein sorgfältig mit Argument und Gegenargument zu ergründen – und überzeugt als ein politisches Theater der Erkenntnissuche.“
Hübner und Nemitz haben gründlich wie vorurteilsfrei bei den sächsischen Behörden recherchiert, Bürger und Beamte interviewt und die Ergebnisse in ein wellmade Politplay gegossen, das das Unbehagen an diesem für den gesunden Menschenverstand absurden Vorgang mittels Durchspielen eines fiktiven Modell-Prozesses vom (verständlichen) Erregungs- in einen wohltuend perspektivenreichen Argumentationsmodus überführt.
Regisseur Jan Gehler unterstreicht bei seiner Ur-Inszenierung im Kleinen Haus des Dresdner Staatsschauspiels zielsicher den von Hübner und Nemitz angelegten ‚Exempel‘-Status. Fünf Schauspieler denken sich auf offener Bühne in ein reichliches Dutzend bewusst unterschiedlicher Funktions- und Gesinnungsträger hinein und praktizieren so ein fruchtbares Perspektivtraining, bei dem nebenbei noch ein äußerst aufschlussreicher Crashkurs in puncto Polizei- und Justizalltag abfällt.“
‚Ein Exempel‘ hat seine stärksten Augenblicke, wenn gegen Ende Richter, Staatsanwältin und Polizist ihr Innerstes nach außen kehren und über ihre Rollen sinnieren. Sie demonstrieren damit zugleich, dass es innerhalb des buchstäblichen Gesetzesrahmens nach wie vor subjektive Spielräume gibt.
Mit Leidenschaft haben die Schauspieler gemeinsam mit Regisseur Jan Gehler um die Gestaltung dieser Brüche, um Erkennbarkeit gerungen. Dieses besondere Engagement spürt das Publikum. Und die Tragik der A-Figur hat etwas Suggestives. Aber Hübner wäre nicht Hübner, wenn nicht das Komödiantische immer wieder aufblitzen würde, ohne etwa aus dem Richter oder dem überforderten Polizisten simple Karikaturen zu machen.“