Uraufführung 13.09.2015
› Kleines Haus 1
DYNAAAMO!
Ein Theaterprojekt von und für Fußballfans
Text und Recherche: Thomas Freyer
In Kooperation mit der SG Dynamo Dresden und mit freundlicher Unterstützung durch den Förderverein des Staatsschauspiels Dresden, die DFB Kulturstiftung und das Theaternetzwerk Theatron.
Text und Recherche: Thomas Freyer
In Kooperation mit der SG Dynamo Dresden und mit freundlicher Unterstützung durch den Förderverein des Staatsschauspiels Dresden, die DFB Kulturstiftung und das Theaternetzwerk Theatron.
Handlung
Nirgendwo würden der Fußball und ein Verein so geliebt wie in Dresden, war vor einigen Wochen in einem angesagten Fußballmagazin zu lesen. Warum dem so ist und was diese Liebe ausmacht, davon erzählen rund 20 leidenschaftliche Fußballfans zwischen 6 und 54 Jahren im neuen Theaterstück der Bürgerbühne. Wie jede fesselnde Liebesgeschichte, handelt auch „DYNAAAMO!“ von unfassbarem Glück und herben Enttäuschungen. Deshalb kommen die glanzvollen Auftritte in der DDR-Oberliga oder der Sieg über Bayer Leverkusen im DFB-Pokal vor fünf Jahren ebenso zur Sprache wie das verlorene Europapokal-Viertelfinale gegen Bayer 05 Uerdingen 1986 oder der Abstieg in die 3. Liga 2014. Die Geschichten der Fans hat der Dramatiker Thomas Freyer zu einem Theatertext verdichtet. Sie fügen sich zu einem vielstimmigen Stadt- und Gesellschaftsporträt, in dem sich die Emotionen der Menschen entladen wie sonst nur im Fußballstadion. Regie führt Jan Gehler, der selber begeisterter Fan ist und findet, Theater müsse so spannend, mitreißend und unvorhersehbar wie Fußball sein. Er inszenierte am Staatsschauspiel Dresden mit großem Erfolg u. a. „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf und „Supergute Tage“ von Mark Haddon/Simon Stephens. Weitere Regiearbeiten führten ihn ans Hamburger Thalia Theater, ans Maxim Gorki Theater Berlin, ans Theater Freiburg und ans Stuttgarter Schauspielhaus.
Besetzung
Regie
Jan Gehler
Text und Recherche
Thomas Freyer
Bühne
Kostüme
Claudia Irro
Musik
Dramaturgie
Licht
Mit
Torsten Behr, Jörg Birkenbusch, Jan Buruck, David Fischer, Louis Förster, Lucia Godehardt, Kathrin Hengst, Claudia Hoegg, Simone Hoegg, Thomas Hoegg, Gundolf Kobuch, Jonas Kobuch, Lukas Kobuch, Volker Kreß, René Litsche, Heike Oehlke, Marcel Schäfer, Roland Schramm, Heike Schröder
Video
Interview
Die Bürgerbühne eröffnet ihre Spielzeit mit einem großen Theaterprojekt von und für Fußballfans in Kooperation mit der SG Dynamo Dresden. Der Dramaturg David Brückel sprach mit drei Menschen, die eng mit dem Verein verbunden sind.
David Brückel:Mit mehr als 15 000 Anhängerinnen und Anhängern ist Dynamo Dresden der mitgliederstärkste Verein der neuen Bundesländer. Worin besteht das „Phänomen Dynamo“? Was ist das Besondere am Verein und an seinen Fans?
Veit Pätzug: Unter vielen gebürtigen Dresdnern gibt es das weitverbreitete Gefühl, etwas verteidigen zu müssen, ein Empfinden jahrzehntelanger Benachteiligung. Das sitzt ganz tief. Sie sagen: „Im Krieg wurde die Stadt zerstört, dann ging die ganze Wirtschaft in den Westen und auch teilweise die Kultur – unser Reichtum.“ Trotzdem war Dresden für die Menschen hier immer noch die schönste Stadt der Welt. Dann kam die Wiedervereinigung, die das Gefühl des Benachteiligtseins bei vielen noch verstärkte, obwohl so viele Vorteile damit verbunden waren. Die weitverbreitete Meinung lautet: „Selbst unsere Wohnungen gehören jetzt den Wessis. Jetzt müssen wir denen Miete zahlen. Aber Dynamo gehört noch uns!“ Dynamo wird verteidigt, mit Inbrunst, Liebe und Zorn.
Robert Schäfer: Wir sind ein Verein, der seit dem Abstieg in die dritte Liga sogar noch Mitglieder dazugewonnen hat. Das sagt schon viel aus, finde ich. Trotz sportlichen Misserfolgs, trotz Missmanagement und was man sonst noch alles anführen will, ist hier die Bereitschaft zusammenzustehen ungebrochen. Als wir in die Saison 2014 / 2015 gegangen sind, haben wir gesagt: „Das ist ein Umbruch. Es gibt viele neue Spieler, es gibt große Risiken. Unser Anspruch muss erst mal ein gesicherter Mittelfeldplatz sein.“ Für einen Zweitliga-Absteiger ist das natürlich nicht normal, aber es wird von den Fans akzeptiert, solange wir bescheiden, fleißig und ehrgeizig sind. Das ist es, was Dynamo Dresden auszeichnet, diese Solidarität.
Die namensgebende Sportgemeinschaft ist zentral. Gemeinschaft ist das, was im Herzen vereint.
Birgit Kaltenhäuser: Mich fasziniert immer wieder, dass ich mit fünfzig Prozent der Leute aus meiner Stadionreihe im wahren Leben nichts zu tun hätte. Und die mit mir auch nicht. Aber im Stadion sitzen wir nebeneinander. Im Stadion sitzen so viele Bekloppte und Verrückte und dazwischen auch ich. Das macht wahnsinnig viel Spaß.
Veit Pätzug: Dynamo macht die Leute glücklich, manchmal sogar bei Niederlagen, das fasziniert mich. Zuletzt, beim DFB-Pokal gegen Dortmund, war das Spiel ab einem bestimmten Punkt verloren, aber die Fans sangen trotzdem, der ganze Kessel: „Ich liebe dich, Dynamo …“ Mit einer Hingabe! Auch nach dem Schlusspfiff war der Wechselgesang noch ewig zu hören …
Das Theater ist ein Ort der Reflexion und der Auseinandersetzung, ein Ort der Bespiegelung von Wirklichkeit, eine politisch-moralische Anstalt. Welche Funktion hat Fußball für die Gesellschaft? Was für ein Ort ist ein Fußballstadion?
Birgit Kaltenhäuser: Wenn ich zum Spiel gehe, blende ich den Alltag komplett aus. Für mich ist das wirklich eine Auszeit, und ich glaube, vielen anderen geht es auch so. Im Stadion kann ich abschalten. Theater, Arbeit, Familie sind ganz woanders. Und ich bin neunzig Minuten einfach da.
Robert Schäfer: Bei mir ist das auch so. Für mich ist jeder Stadionbesuch etwas Besonderes. Eine Katharsis gibt es eben nicht nur im Theater. Auch im Stadion findet eine seelische Reinigung statt, indem ich mich auslebe, austobe, leide, weine und mich danach irgendwie besser fühle. Ich denke, ein Fußballstadion ist einer der wenigen Orte in der Gesellschaft, wo man unabhängig von Status oder Rolle gewisse Verhaltensformen entfalten kann. Im Stadion sind alle gleich. Auf der VIP-Tribüne, im K-Block, im Familienblock, überall gibt es mal unflätige Bemerkungen. Im Stadion dürfen sich alle ausleben. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass der Fußball den Menschen Halt gibt, dass er Heimat sein kann und ein Ort der Identifikation.
Veit Pätzug: Für mich ist ein Fußballstadion auch ein politischer Ort. Fußball ist Volkssport, da kann man seinen niederen Instinkten freien Lauf lassen. Das Rudolf-Harbig-Stadion ist, wie jedes große Fußballstadion, ein Abbild der Gesellschaft. Alles, was auf der Straße passiert, spiegelt sich auch auf den Rängen wider – wie aktuell die Diskussion um Pegida, die unsere Stadt im Griff hat … Ich denke, das ist eine sehr schwierige Situation, in der die Verantwortlichen stecken. Wie positioniert man sich als Verein? Soll man sich da einmischen oder lieber nicht?
Robert Schäfer: Für uns ist das Stadion kein politischer Ort. Bei uns sind Menschen aller Klassen, aller Gruppen, aller politischen Gesinnungen, aller Religionen und aller sexuellen Ausrichtungen vertreten. Wir bilden die Gesamtgesellschaft ab. Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren auch betont, dass das Stadion keine Plattform für Politik ist. Wir haben von Vereinsseite klar beschrieben, wie wir dazu stehen. Es gibt eine Satzung, in der steht: „Wir sind nicht politisch.“ Wir geben keine politischen Empfehlungen ab, aber natürlich haben wir Werte. Wir sind gegen Rassismus und Diskriminierung und für Toleranz, Akzeptanz und Weltoffenheit. Das sind die Werte unserer Satzung, die wir sehr offen und intensiv vertreten. Unsere Hauptsponsoren verzichten beispielsweise einmal im Jahr darauf, sich auf den Spielertrikots zu präsentieren. Stattdessen steht dann da „Love Dynamo Hate Racism“. Das ist ein klares Statement.
Veit Pätzug: Unter vielen gebürtigen Dresdnern gibt es das weitverbreitete Gefühl, etwas verteidigen zu müssen, ein Empfinden jahrzehntelanger Benachteiligung. Das sitzt ganz tief. Sie sagen: „Im Krieg wurde die Stadt zerstört, dann ging die ganze Wirtschaft in den Westen und auch teilweise die Kultur – unser Reichtum.“ Trotzdem war Dresden für die Menschen hier immer noch die schönste Stadt der Welt. Dann kam die Wiedervereinigung, die das Gefühl des Benachteiligtseins bei vielen noch verstärkte, obwohl so viele Vorteile damit verbunden waren. Die weitverbreitete Meinung lautet: „Selbst unsere Wohnungen gehören jetzt den Wessis. Jetzt müssen wir denen Miete zahlen. Aber Dynamo gehört noch uns!“ Dynamo wird verteidigt, mit Inbrunst, Liebe und Zorn.
Robert Schäfer: Wir sind ein Verein, der seit dem Abstieg in die dritte Liga sogar noch Mitglieder dazugewonnen hat. Das sagt schon viel aus, finde ich. Trotz sportlichen Misserfolgs, trotz Missmanagement und was man sonst noch alles anführen will, ist hier die Bereitschaft zusammenzustehen ungebrochen. Als wir in die Saison 2014 / 2015 gegangen sind, haben wir gesagt: „Das ist ein Umbruch. Es gibt viele neue Spieler, es gibt große Risiken. Unser Anspruch muss erst mal ein gesicherter Mittelfeldplatz sein.“ Für einen Zweitliga-Absteiger ist das natürlich nicht normal, aber es wird von den Fans akzeptiert, solange wir bescheiden, fleißig und ehrgeizig sind. Das ist es, was Dynamo Dresden auszeichnet, diese Solidarität.
Die namensgebende Sportgemeinschaft ist zentral. Gemeinschaft ist das, was im Herzen vereint.
Birgit Kaltenhäuser: Mich fasziniert immer wieder, dass ich mit fünfzig Prozent der Leute aus meiner Stadionreihe im wahren Leben nichts zu tun hätte. Und die mit mir auch nicht. Aber im Stadion sitzen wir nebeneinander. Im Stadion sitzen so viele Bekloppte und Verrückte und dazwischen auch ich. Das macht wahnsinnig viel Spaß.
Veit Pätzug: Dynamo macht die Leute glücklich, manchmal sogar bei Niederlagen, das fasziniert mich. Zuletzt, beim DFB-Pokal gegen Dortmund, war das Spiel ab einem bestimmten Punkt verloren, aber die Fans sangen trotzdem, der ganze Kessel: „Ich liebe dich, Dynamo …“ Mit einer Hingabe! Auch nach dem Schlusspfiff war der Wechselgesang noch ewig zu hören …
Das Theater ist ein Ort der Reflexion und der Auseinandersetzung, ein Ort der Bespiegelung von Wirklichkeit, eine politisch-moralische Anstalt. Welche Funktion hat Fußball für die Gesellschaft? Was für ein Ort ist ein Fußballstadion?
Birgit Kaltenhäuser: Wenn ich zum Spiel gehe, blende ich den Alltag komplett aus. Für mich ist das wirklich eine Auszeit, und ich glaube, vielen anderen geht es auch so. Im Stadion kann ich abschalten. Theater, Arbeit, Familie sind ganz woanders. Und ich bin neunzig Minuten einfach da.
Robert Schäfer: Bei mir ist das auch so. Für mich ist jeder Stadionbesuch etwas Besonderes. Eine Katharsis gibt es eben nicht nur im Theater. Auch im Stadion findet eine seelische Reinigung statt, indem ich mich auslebe, austobe, leide, weine und mich danach irgendwie besser fühle. Ich denke, ein Fußballstadion ist einer der wenigen Orte in der Gesellschaft, wo man unabhängig von Status oder Rolle gewisse Verhaltensformen entfalten kann. Im Stadion sind alle gleich. Auf der VIP-Tribüne, im K-Block, im Familienblock, überall gibt es mal unflätige Bemerkungen. Im Stadion dürfen sich alle ausleben. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass der Fußball den Menschen Halt gibt, dass er Heimat sein kann und ein Ort der Identifikation.
Veit Pätzug: Für mich ist ein Fußballstadion auch ein politischer Ort. Fußball ist Volkssport, da kann man seinen niederen Instinkten freien Lauf lassen. Das Rudolf-Harbig-Stadion ist, wie jedes große Fußballstadion, ein Abbild der Gesellschaft. Alles, was auf der Straße passiert, spiegelt sich auch auf den Rängen wider – wie aktuell die Diskussion um Pegida, die unsere Stadt im Griff hat … Ich denke, das ist eine sehr schwierige Situation, in der die Verantwortlichen stecken. Wie positioniert man sich als Verein? Soll man sich da einmischen oder lieber nicht?
Robert Schäfer: Für uns ist das Stadion kein politischer Ort. Bei uns sind Menschen aller Klassen, aller Gruppen, aller politischen Gesinnungen, aller Religionen und aller sexuellen Ausrichtungen vertreten. Wir bilden die Gesamtgesellschaft ab. Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren auch betont, dass das Stadion keine Plattform für Politik ist. Wir haben von Vereinsseite klar beschrieben, wie wir dazu stehen. Es gibt eine Satzung, in der steht: „Wir sind nicht politisch.“ Wir geben keine politischen Empfehlungen ab, aber natürlich haben wir Werte. Wir sind gegen Rassismus und Diskriminierung und für Toleranz, Akzeptanz und Weltoffenheit. Das sind die Werte unserer Satzung, die wir sehr offen und intensiv vertreten. Unsere Hauptsponsoren verzichten beispielsweise einmal im Jahr darauf, sich auf den Spielertrikots zu präsentieren. Stattdessen steht dann da „Love Dynamo Hate Racism“. Das ist ein klares Statement.
Die Bürgerbühne ist der Versuch, einen Ort zu etablieren, an dem Partizipation möglich ist, eine Diskussion über persönlich und gesellschaftlich relevante Themen. Wie verbinden sich bei Dynamo Dresden der Sport, das Vereinsleben und die Möglichkeit bürgerschaftlicher Partizipation?
Robert Schäfer: Dynamo Dresden ist ein demokratischer Traditionsverein. Bei einer Mitgliederversammlung kann jedes Vereinsmitglied an Entscheidungen teilhaben. Aber auch das Stadion ist ein Ort der Teilhabe. Ich kann mir eine Karte kaufen und meine Meinung über den Schiedsrichter kundtun. Ich kann meine Freude über Tore rausbrüllen. Und ich bin als zwölfter Mann, als Publikum, wichtig, weil ich Motivation übertragen kann, weil ich anspornen oder strafen kann. Auf diese Art und Weise kann ich als Fan Einfluss nehmen.
Veit Pätzug: Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Entweder verfällt man ihr oder man verweigert sich und sucht sich seine Nische. Beim Fußball – und das ist sicher nicht nur bei Dynamo Dresden so, aber dort besonders extrem – wird freiwillig gegeben, fast unkritisch. Eine sehr heterogene Gruppe, vom Akademiker bis zu den ganz einfachen Leuten, von sehr gut Betuchten bis zu den ärmsten Schweinen, gibt sich hin, gibt Geld aus. Das wird nicht als Konsum empfunden, weil Dynamo ja ihnen gehört. Das ist auch eine Form der Teilhabe. Sie alle sind Dynamo! Sensationell, gleichzeitig irrational – da kriege ich eine Gänsehaut.
Birgit Kaltenhäuser: Dabei ist es ziemlich teuer, wenn man zweimal im Monat zu zweit zum Fußball geht. Das ist immer mindestens ein Fünfzig-Euro-Schein. Es ist wirklich faszinierend: Die Leute geben das Wenige, was sie haben, für Dynamo-Tickets aus.
Veit Pätzug: Und Leute, die viel haben, geben auch viel aus. Es gibt bei Dynamo Dresden diesen Sponsorenpool, den überblicke ich natürlich nicht. Da geht es um große Summen, zumindest stelle ich mir das so vor. Je mehr man gibt, desto mehr erwartet man vielleicht auch. Aber in erster Linie ist es allen eine Herzensangelegenheit, etwas für den Verein zu tun.
Zum Schluss noch eine sportliche Frage: Wo steht Dynamo Dresden in zehn Jahren?
Birgit Kaltenhäuser: In der ersten Bundesliga! Das möchte ich noch erleben.
Robert Schäfer: Innerhalb von zehn Jahren muss es das Ziel sein, in die erste Liga zu kommen, und zwar als demokratischer Traditionsverein. Dann haben wir alle einen richtig guten Job gemacht.
Veit Pätzug: Also ich will Europacup (lacht), aber ganz realistisch ist das nicht, glaube ich. Es blutet mir das Herz, aber ich kann es mir nicht vorstellen.
Robert Schäfer: Europacup? Na ja …
Veit Pätzug: Aber über den DFB-Pokal könnte es klappen …
Robert Schäfer: Das ist der schnellste Weg.
Birgit Kaltenhäuser ist Mutter eines fußballverrückten Sohnes und einer tätowierenden Tochter, was zwangsläufig zu einer ausgeprägten Leidenschaft für Dynamo Dresden und zum entsprechenden Emblem auf der Haut führte. Sie studierte Angewandte Kulturwissenschaften und arbeitet seit 18 Jahren am Staatsschauspiel Dresden. An freien Wochenenden geht sie ins Stadion.
Veit Peter Pätzug studierte Kommunikationsdesign in Halle an der Saale und lebt seit 2005 wieder in seiner Heimatstadt Dresden. Er arbeitet in den Werkstätten des Deutschen Hygiene-Museums und freiberuflich als Grafikdesigner
und Schriftsteller. Viel beachtet sind seine Bücher über die ostdeutsche Fußball-Subkultur.
Robert Schäfer ist kaufmännischer Geschäftsführer der SG Dynamo Dresden und widmet sich seit Mai 2014 den wirtschaftlichen Herausforderungen des Vereins. Der studierte Volljurist war zuvor Geschäftsführer des TSV 1860 München und strukturierte den damals finanziell stark angeschlagenen Traditionsverein erfolgreich um.
Robert Schäfer: Dynamo Dresden ist ein demokratischer Traditionsverein. Bei einer Mitgliederversammlung kann jedes Vereinsmitglied an Entscheidungen teilhaben. Aber auch das Stadion ist ein Ort der Teilhabe. Ich kann mir eine Karte kaufen und meine Meinung über den Schiedsrichter kundtun. Ich kann meine Freude über Tore rausbrüllen. Und ich bin als zwölfter Mann, als Publikum, wichtig, weil ich Motivation übertragen kann, weil ich anspornen oder strafen kann. Auf diese Art und Weise kann ich als Fan Einfluss nehmen.
Veit Pätzug: Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Entweder verfällt man ihr oder man verweigert sich und sucht sich seine Nische. Beim Fußball – und das ist sicher nicht nur bei Dynamo Dresden so, aber dort besonders extrem – wird freiwillig gegeben, fast unkritisch. Eine sehr heterogene Gruppe, vom Akademiker bis zu den ganz einfachen Leuten, von sehr gut Betuchten bis zu den ärmsten Schweinen, gibt sich hin, gibt Geld aus. Das wird nicht als Konsum empfunden, weil Dynamo ja ihnen gehört. Das ist auch eine Form der Teilhabe. Sie alle sind Dynamo! Sensationell, gleichzeitig irrational – da kriege ich eine Gänsehaut.
Birgit Kaltenhäuser: Dabei ist es ziemlich teuer, wenn man zweimal im Monat zu zweit zum Fußball geht. Das ist immer mindestens ein Fünfzig-Euro-Schein. Es ist wirklich faszinierend: Die Leute geben das Wenige, was sie haben, für Dynamo-Tickets aus.
Veit Pätzug: Und Leute, die viel haben, geben auch viel aus. Es gibt bei Dynamo Dresden diesen Sponsorenpool, den überblicke ich natürlich nicht. Da geht es um große Summen, zumindest stelle ich mir das so vor. Je mehr man gibt, desto mehr erwartet man vielleicht auch. Aber in erster Linie ist es allen eine Herzensangelegenheit, etwas für den Verein zu tun.
Zum Schluss noch eine sportliche Frage: Wo steht Dynamo Dresden in zehn Jahren?
Birgit Kaltenhäuser: In der ersten Bundesliga! Das möchte ich noch erleben.
Robert Schäfer: Innerhalb von zehn Jahren muss es das Ziel sein, in die erste Liga zu kommen, und zwar als demokratischer Traditionsverein. Dann haben wir alle einen richtig guten Job gemacht.
Veit Pätzug: Also ich will Europacup (lacht), aber ganz realistisch ist das nicht, glaube ich. Es blutet mir das Herz, aber ich kann es mir nicht vorstellen.
Robert Schäfer: Europacup? Na ja …
Veit Pätzug: Aber über den DFB-Pokal könnte es klappen …
Robert Schäfer: Das ist der schnellste Weg.
Birgit Kaltenhäuser ist Mutter eines fußballverrückten Sohnes und einer tätowierenden Tochter, was zwangsläufig zu einer ausgeprägten Leidenschaft für Dynamo Dresden und zum entsprechenden Emblem auf der Haut führte. Sie studierte Angewandte Kulturwissenschaften und arbeitet seit 18 Jahren am Staatsschauspiel Dresden. An freien Wochenenden geht sie ins Stadion.
Veit Peter Pätzug studierte Kommunikationsdesign in Halle an der Saale und lebt seit 2005 wieder in seiner Heimatstadt Dresden. Er arbeitet in den Werkstätten des Deutschen Hygiene-Museums und freiberuflich als Grafikdesigner
und Schriftsteller. Viel beachtet sind seine Bücher über die ostdeutsche Fußball-Subkultur.
Robert Schäfer ist kaufmännischer Geschäftsführer der SG Dynamo Dresden und widmet sich seit Mai 2014 den wirtschaftlichen Herausforderungen des Vereins. Der studierte Volljurist war zuvor Geschäftsführer des TSV 1860 München und strukturierte den damals finanziell stark angeschlagenen Traditionsverein erfolgreich um.
Das Stück ist eine Zeitmaschine. DDR-Bockwurst-Tristesse trifft auf den Europapokal. Die Welt: ein Fußball. Glück und Leid, Triumph und Niederlage. Das Stück hat etwas universelles, könnte im Grunde überall spielen – und auch wieder nicht. ‚DYNAAAMO!‘ ist eine teils selbstironische Liebeserklärung, aber eine Liebeserklärung von Fans an ihren Club und an ihre Stadt. Steh auf, wenn du ein Dynamo bist – oder einfach wuchtig-kraftvolles Theater machst.“
Mir hat das Stück sehr gut gefallen, auch wenn das ein oder andere sich in Episoden verlor. Wenn es ein Ansinnen des Staatsschauspiels war, theaterfremdes Publikum zu ziehen, dann ist das auf jeden Fall gelungen. Man kann das Stück sogar denen empfehlen, die Dynamo kritisch gegenüberstehen, weil man danach den Verein etwas besser versteht: Warum so viele Leute in das Stadion gehen und mancher lieber die eigene Hochzeit verschiebt als ein Heimspiel zu verpassen.“
Es stimmt sehr viel in diesem Stück. Das simple Bühnenbild von Sabrina Rox, eine Tribüne in Schwarzgelb, wird variabel bespielt und zeigt zum einen die Frontansicht auf den Block, aber auch den Blick von den obersten Rängen hinunter ins Stadion zu den Flaggen, die wehen, und den anderen Fans, die im Schattenspiel ihre Hände gen Himmel reißen – sehr intelligent gelöst.
Die Besetzung ist für eine Bürgerbühne gut gelungen und man fragt sich, ‚wo haben die diese Leute her?‘, obwohl die Antwort auf der Hand liegt: aus dem K-Block. Angenehm ist die nicht stringente, sondern collagenhafte Erzählweise. Eingeschobene Episoden, wie eine Kategorisierung der typischen Fußballfans (Trainerfan, K-Block-Fan, Gästefan) oder Rückblenden, die zum Beispiel die größte Schmach der Vereinsgeschichte (die Niederlage bei Bayer 05 Uerdingen), aber auch die Gewalt und die Rechten im Fußball aufgreifen, sind sehr unterhaltsam und schaffen Tempo.
Fast unfassbar ist die Reaktion des fußballaffinen Premierenpublikums. Die Sprechchöre werden wie selbstverständlich mitgesungen. Immer wieder gibt es frenetischen Zwischenapplaus. Und zum Schluss mehr als zehn Minuten stehende Ovationen - ganz verstehen werde ich das auch nach diesem wunderbaren Abend nie.“