Uraufführung 13.01.2017
› Schauspielhaus
Der Phantast
Leben und Sterben des Dr. Karl May
von Jan Dvořák
von Jan Dvořák
Handlung
„Ich bin nicht ich allein; ich bin noch mehr.“ Karl May ist viele Ichs: Abenteurer, Bestsellerautor, Kosmopolit, Mystiker. Bei kaum einem anderen Schriftsteller werden Autorenschaft und erfundene Figur so stark in einem gedacht wie bei Karl May. Das Abenteuer-Ich ist gleichzeitig das Schriftsteller-Ich. Nachdem Karl May als junger Mann insgesamt acht Jahre im Gefängnis verbracht hatte, wurde er zu einem der erfolgreichsten Reiseschriftsteller aller Zeiten – und das, ohne seine sächsische Heimat zu verlassen. May erfand sich lustvoll ein abenteuerliches Leben als Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand und teilte es mit Generationen von gläubigen Lesern. Der reisende Schriftsteller genoss einen Vertrauens-Bonus, je konstruierter das Abenteuer desto glaubwürdiger und wahrscheinlicher, weil der, der es erlebt hat, es als ein Schriftsteller schildert. In welchem Maße er die von ihm ins Leben gerufene „Shatterhand-Legende“ selbst geglaubt hat, wird sich wohl niemals mehr aufklären lassen. Im Wilhelminischen Deutschland, dem Zeitalter deutscher Glorie und Kolonialismus, träumte er von Völkerfreundschaft und -verständigung. Symbol dafür ist Winnetou, der edle Apache und imaginierte Blutsbruder Karl Mays. Mit ihm schuf er eine der imposantesten Gestalten der deutschen Populärkultur. Auf der Höhe seines Ruhms wurde Karl May von zahlreichen Journalisten, die ihn als Hochstapler entlarvten, öffentlich zu Fall gebracht. Zehn Jahre führte er zahllose Gerichtsprozesse.
„Der Phantast“ folgt den Lebensspuren des Radebeuler Schriftstellers in seinen letzten Jahren, in denen er unter dem Eindruck dieser Schicksalsschläge zu der Überzeugung gelangte, sein Hauptwerk erst noch schreiben zu müssen. Für Regisseur Philipp Stölzl ist es eine erneute Beschäftigung mit dem Mythos Karl May, denn er verantwortet auch die Neuverfilmung der Winnetou-Trilogie. Er schafft, wie nur wenige Künstler, den Spagat zwischen Kino, Oper und Schauspiel und wechselt mühelos zwischen Pop- und Hochkultur.
„Der Phantast“ folgt den Lebensspuren des Radebeuler Schriftstellers in seinen letzten Jahren, in denen er unter dem Eindruck dieser Schicksalsschläge zu der Überzeugung gelangte, sein Hauptwerk erst noch schreiben zu müssen. Für Regisseur Philipp Stölzl ist es eine erneute Beschäftigung mit dem Mythos Karl May, denn er verantwortet auch die Neuverfilmung der Winnetou-Trilogie. Er schafft, wie nur wenige Künstler, den Spagat zwischen Kino, Oper und Schauspiel und wechselt mühelos zwischen Pop- und Hochkultur.
Besetzung
Regie und Idee
Philipp Stölzl
Bühne
Heike Vollmer, Philipp Stölzl
Kostüme
Kathi Maurer
Musikalische Leitung
Licht
Michael Gööck
Dramaturgie
Beate Heine, Julia Fahle
Dr. Karl May
Götz Schubert
Emma May, geborene Pollmer
Nele Rosetz
Klara May, verwitwete Plöhn
Laina Schwarz
Winnetou
Sadek, ein arabischer Führer / 1. Polizist / 1. Kritiker
Sebastian Pass
2. Polizist / 2. Kritiker / Wirt / Fotograf
Simon Käser
Hadschi Halef Omar / 3. Kritiker / Robert Müller, Leiter des Akademischen Vereins
Alexander Angeletta
Ein Männergesangsverein
Jörg Birkenbusch, Peter Cassier, Albrecht Ernst, Tobias Ernst, Julius Evers, Andreas Hubricht, Friedemann Jäckel, Oliver John, Hartmut Kunze, Dieter Leffler, Robert Müller, Thomas Sauer, Martin Zitzmann
Violoncello
Dietrich Zöllner, Christoph Hermann
Seine Frau Emma lamentiert über den Seltsamen, der nur in seinen Parallelwelten Leidenschaft zeigt. Nele Rosetz spielt diese Frau anrührend in ihrer Verwirrung über den Fantasten.
Dieses sanft surrealistische Ineinanderrutschen der verschiedenen Ich-Welten des Karl May – als Straftäter, als Kolportageschreiber, als angeblicher Reiseschriftsteller, der alles selbst erlebt haben will, was er ausfabuliert – strukturiert den Abend.
Wunderbar komisch, wie beim Gesangsverein in Dresden plötzlich Winnetou mit Zylinder (Ahmad Mesgarha) erscheint und den Sangesbrüdern lauscht.
Stölzl gelingen eindringliche Bilder: Wie die rechtsradikale Journalistenmeute über ihn herfällt mit all jenen Wörtern, die von Pegida-Aufläufen bekannt sind: Volksverräter, notorischer Lügner, geborener Verbrecher, dazu Schundschreiber und Pornograf. Dann bewerfen sie ihn mit seinen Büchern, bis er zusammensinkt. Schubert vermag den Sturz des dandyhaften Scharlatans ins Bodenlose absolut glaubhaft zu machen.
Dem energiegeladenen Ensemble war der Spaß an der Produktion anzumerken, die federleicht nicht nur ein Fantastenleben Revue passieren lässt, sondern wie nebenbei auch die untergründige Aktualität darin aufdeckt.“
Der sächsische Schriftsteller aus Radebeul hat am sächsischen Staatstheater in Dresden endlich ein Stück bekommen, dass ihn selbst klug und angemessen jenseits der Indianergeschichten vorstellt: das hat Klassikerpotenzial!“
Bis zu jenem Moment, da die Bücher wie Steine fliegen. Der Beginn jenes 20. Jahrhunderts so, als sei es schon herübergehechelt zu uns: Enthüllung, Aufarbeitung, Pogrom. Die staunenden, zwinkernden Augen der Inszenierung sind schmal vor Bitterkeit geworden. Aber sie werden gleich noch schmaler – so schmal, wie Augen bei heftigen Lachen werden, denn das Lachen lässt sich der Abend nicht verderben.
Es ist der Intelligenzkern dieser wehmutswitzigen, mit Romantik und Tragik bravourös jonglierenden Inszenierung: wie sie immer wieder das Wirkliche der vier musealen Wände mit der erfundenen Welt der offenen vier Himmelsrichtungen verbindet.
Götz Schubert! Er spielt diesen Karl May als einen bebenden, flatternden, fanalheftig Vergnügten, der sich über alle Grenzen der Mäßigung in ein großes, irres Spiel hinein rettet: in die Täuschung als Lebenshilfe. Schauspieler können sich ja Rollen vom Leib halten, sie stehen kühl neben ihnen oder fühlen sich einfach gemütsam in sie ein. Götz Schubert dagegen packt sie. Nimmt sie beim Schopf. Auch diesen Karl May.
In Stölzls Inszenierung lebt ein schöner, unterhaltsamer Hochmut gegen bedauernswerte Leute, denen vor allem Klassifizierung wichtig ist, die eine Bücherregalwelt immer gleich in Triviales und Seriöses zerlegen müssen.“
Der Beifall des Premierenpublikums war mehr als verdient; jeder ernsthafte May-Freund sollte sich dieses Stück in seinen persönlichen Kalender schreiben.“
Viel zu verdanken hat das Stück natürlich den Schauspielern, die alle, ohne Ausnahme, ganz ausgezeichnet aufgelegt waren und eine wirkliche Glanzleistung abgeliefert haben. Sie spielen so frisch und intensiv, dass dieser doch im eigentlich recht trockene und ernste Stoff dem Publikum so manchen lauten Lacher entlockte und auch leicht und natürlich den gegenteiligen Katharsis-Effekt, freilich ohne zu dick aufzutragen, erzeugen konnte.
Als Dr. Karl May glänzt der in Pirna geborene Schauspieler Götz Schubert, der auch aus vielen Film- und Fernsehproduktionen bekannt ist, und dem man den Karl May in jeder Minute, ohne zu zögern, abnimmt.
Ihm zur Seite stehen Nele Rosetz als verstörte, unglückliche Emma May, die das pathologische Moment der ersten Ehefrau Mays differenziert herausarbeitet, Laina Schwarz als jugendliche frische Klara May, die eine gewisse Hörigkeit dem alternden Dichter gegenüber geradezu unschuldig mimt, Ahmad Mesgarha, der als Winnetou in der eigentlich recht kleinen Rolle doch eine schier überwältigende Bühnenpräsenz besitzt, einen echten, wahren, ultimativ May’schen Winntetou verkörpert und darüber hinaus stimmlich sehr passend agiert, sowie in weiteren Rollen als Sadek, Polizisten, Kritiker, Wirt, Fotograf, Hadschi Half Omar usw. Sebastian Pass, Simon Käser und Alexander Angeletta. Minutenlanger begeisterter Beifall belohnte denn auch die große schauspielerische Leistung der Darsteller.“