Premiere 17.04.2014
› Kleines Haus 2
Der abentheurliche Simplicissimus Teutsch
nach Hans Jacob Christoffel Grimmelshausen
Handlung
Simplicissimus wird im Dreißigjährigen Krieg als Kind von Bauern geboren und nach der Ermordung seiner Eltern durch plündernde Soldaten von einem Einsiedler aufgezogen, lernt von ihm Lesen und Schreiben, muss in die Welt hinaus, nachdem sein Ziehvater stirbt, wird selbst Soldat, gelangt bis nach Halle, Magdeburg, Paris, Russland, Asien und wird wieder Einsiedler. „Der abentheurliche Simplicissimus Teutsch“, erschienen 1668, gilt als einer der bedeutendsten Romane des Barock und ist einer der Grundtexte der deutschsprachigen Literatur. Sein Autor, Hans Jacob Christoffel Grimmelshausen, selbst Soldat und Schreiber, hat darin sowohl autobiografische Erlebnisse verarbeitet, Erkenntnisse über Gesellschaft seiner Zeit versammelt, als auch einen satirischen Schelmen- und Abenteuerroman geschaffen, dessen Fülle sich nur schwer in die Grenzen eines Genres zwingen lässt. Simplex’ Friedenssehnsucht und sein blutiges Soldaten- und Abenteuererleben sind so widersprüchlich wie die Welt, in der er lebt. „Der abentheurliche Simplicissimus Teutsch“ – das ist (nach Grimmelshausen): „Die Beschreibung des Lebens eines seltsamen Vaganten, genannt Melchior Sternfels von Fuchshaim, wo und welcher Gestalt er nämlich in diese Welt kommen, was er darin gesehen, gelernet, erfahren und ausgestanden, auch warum er solche wieder freiwillig quittiert. Überaus lustig und menniglich nützlich zu lesen.“
Simon Solberg, der am Staatsschauspiel Dresden bereits Shakespeares „Romeo und Julia“, „Minna von Barnhelm“ von Lessing sowie „Die schmutzigen Hände“ von Sartre inszenierte, wird in Barocktradition die Grenzen zwischen den einzelnen Kunstgattungen verwischen, Einheit und Ruhe auflösen, Kontraste maximieren und „Simplicissimus“ auf seine Heutigkeit befragen.
Simon Solberg, der am Staatsschauspiel Dresden bereits Shakespeares „Romeo und Julia“, „Minna von Barnhelm“ von Lessing sowie „Die schmutzigen Hände“ von Sartre inszenierte, wird in Barocktradition die Grenzen zwischen den einzelnen Kunstgattungen verwischen, Einheit und Ruhe auflösen, Kontraste maximieren und „Simplicissimus“ auf seine Heutigkeit befragen.
Besetzung
Regie
Simon Solberg
Bühne
Maike Storf
Kostüme
Tine Becker
Musik
Kriton Klingler-Ioannides
Video
Joscha Sliwinski
Licht
Dramaturgie
Ole Georg Graf
Lanz / Ein Schwede / Der Missionar / Der Knecht u. a.
Christian Clauß
Knaan / Der Pfarrer / Jupiter / Regimentsschultheiß u. a.
Der Einsiedl / Ein Dragoner / Doktor Canard u. a.
Jan Maak
Magd / Guberbatorin / Florine / Ein Bauergretlein u. a.
Julia Kathinka Philippi
Simpl
Sebastian Wendelin
Video
Robinsonade, Schelmenroman, Weltbuch
von Reinhard Kaiser
Robinsonade, Schelmenroman, Weltbuch – „Der abentheurliche Simplicissimus Teutsch“ von Hans Jacob Christoffel Grimmelshausen gilt als der erste große Roman der Deutschen
Die Idee, Grimmelshausens „Abenteuerlichen Simplicissimus“ durch Übersetzung heutigen Lesern wieder zugänglich zu machen, kam aus der Radiosphäre. Dort nimmt man die Literatur vor allem mit den Ohren wahr und hatte frühzeitig registriert, was anderswo noch unbemerkt geblieben war: dass dieses zuerst 1668 erschienene Buch inzwischen eine gewisse Patina angesetzt hat – man könnte auch sagen, eine Kruste aus Schwer- und Unverständlichkeiten, die Radiohörer und Bücherleser von heute in ihrer Mehrzahl nicht mehr ohne Weiteres zu durchdringen vermögen.
Der Vorschlag, statt, wie ich es sonst tue, aus dem Englischen oder Französischen hier einmal aus dem Deutschen ins Deutsche zu übersetzen, entzückte mich sofort. Es kam mir vor, als schlösse sich da ein Kreis. Denn tatsächlich hatte ich den Reiz des Übersetzens als literarische Kunstübung zum ersten Mal beim Umgang mit einer älteren Schicht der deutschen Sprache verspürt – während des Germanistikstudiums im Mittelhochdeutsch-Seminar.
Aber ich gebe zu – Grimmelshausen hatte ich damals wenig studiert, und meine Vorstellung von seinem großen Buch war ziemlich reduziert. Ich hielt es für eine muntere Schwankgeschichte, eine Eulenspiegelei, ehrenwert, aber altbacken und sehr lang. Umso größer war nun das Erstaunen über seinen Reichtum, seine Vielfalt, seinen Witz, die Intensität seiner Sprache. Lang ist es ja wirklich, aber eben auch äußerst kurzweilig.
Das Übersetzen selbst – eine schwierige, aber auch höchst lustvolle Arbeit, die sich über fast drei Jahre hinzog – wurde dann zu einer intensiven Lektüre, die mir die Augen öffnete und mich erfahren ließ, dass es im „Simplicissimus“ keine einzige Seite gibt, die man ohne Verlust getrost überschlagen könnte – keine Seite, auf der einem nicht ein Licht aufgeht, auf der einen nicht die Verwunderung, das Vergnügen über eine Pointe oder auch der Schrecken packt.
In der Literaturwissenschaft hat man viel darüber gestritten, wie sich dieses Buch einordnen lasse. Handelt es sich um einen Schelmenroman, einen Kriegsroman, einen Entwicklungsroman, einen Bildungsroman, einen Bekehrungsroman? Aber der „Simplicissimus“, so scheint mir, sprengt solche Kategorisierungen. Er ist alles das in einigen seiner Züge, aber er ist auch noch vieles mehr: ein Sittenbild seiner Zeit, eine Satire auf diese Zeit, ein komischer Roman, ein Roman über das Geld, ein Abenteuerbuch und in einigen seiner Teile ein fantastischer Reisebericht, eine erotische Groteske, eine Utopie, die erste Robinsonade der deutschen Literatur, fünfzig Jahre vor Defoes „Robinson Crusoe“ – kurz, ein Weltbuch, das in seiner Material- und Gedankenfülle und mit der Vielfalt seiner Formen, Stilmittel und Perspektiven zu den ganz großen Werken der deutschen Literatur gehört.
Die Geschichte, die das Buch erzählt, ist zu unserem Leseglück keine geordnete – sie ist geprägt von jähen Wendungen, von Auf und Ab, von Brüchen und Überraschungen. Mit einem Entwicklungs- oder Bildungsroman im erhabenen Sinne haben wir es hier nicht zu tun. In seinem Aufbau, in der Abfolge von Handlungsstufen, im Spiegeln und Widerspiegeln von Bildern, Motiven und Gedanken ist dieser Roman dennoch sehr sorgfältig und umsichtig konstruiert, sodass man in der Vielfalt der Beziehungen und Verweise immer wieder Entdeckungen machen kann. Und gegen Ende, im sechsten Buch, der sogenannten „Continuatio“, lässt sich Grimmelshausen in dem Bewusstsein der Kunststücke, die ihm in seinem Werk bisher schon gelungen sind, auf ein literarisches Experimentieren in einem ziemlich modernen Sinne ein. Er probiert aus, was auf dem Papier mit Buchstaben, Wörtern und Sätzen überhaupt alles möglich ist: die Lebensgeschichte eines Stücks Klopapier, von ihm selbst erzählt, eine Reise um die Welt auf zweieinhalb Seiten …
Der Vorschlag, statt, wie ich es sonst tue, aus dem Englischen oder Französischen hier einmal aus dem Deutschen ins Deutsche zu übersetzen, entzückte mich sofort. Es kam mir vor, als schlösse sich da ein Kreis. Denn tatsächlich hatte ich den Reiz des Übersetzens als literarische Kunstübung zum ersten Mal beim Umgang mit einer älteren Schicht der deutschen Sprache verspürt – während des Germanistikstudiums im Mittelhochdeutsch-Seminar.
Aber ich gebe zu – Grimmelshausen hatte ich damals wenig studiert, und meine Vorstellung von seinem großen Buch war ziemlich reduziert. Ich hielt es für eine muntere Schwankgeschichte, eine Eulenspiegelei, ehrenwert, aber altbacken und sehr lang. Umso größer war nun das Erstaunen über seinen Reichtum, seine Vielfalt, seinen Witz, die Intensität seiner Sprache. Lang ist es ja wirklich, aber eben auch äußerst kurzweilig.
Das Übersetzen selbst – eine schwierige, aber auch höchst lustvolle Arbeit, die sich über fast drei Jahre hinzog – wurde dann zu einer intensiven Lektüre, die mir die Augen öffnete und mich erfahren ließ, dass es im „Simplicissimus“ keine einzige Seite gibt, die man ohne Verlust getrost überschlagen könnte – keine Seite, auf der einem nicht ein Licht aufgeht, auf der einen nicht die Verwunderung, das Vergnügen über eine Pointe oder auch der Schrecken packt.
In der Literaturwissenschaft hat man viel darüber gestritten, wie sich dieses Buch einordnen lasse. Handelt es sich um einen Schelmenroman, einen Kriegsroman, einen Entwicklungsroman, einen Bildungsroman, einen Bekehrungsroman? Aber der „Simplicissimus“, so scheint mir, sprengt solche Kategorisierungen. Er ist alles das in einigen seiner Züge, aber er ist auch noch vieles mehr: ein Sittenbild seiner Zeit, eine Satire auf diese Zeit, ein komischer Roman, ein Roman über das Geld, ein Abenteuerbuch und in einigen seiner Teile ein fantastischer Reisebericht, eine erotische Groteske, eine Utopie, die erste Robinsonade der deutschen Literatur, fünfzig Jahre vor Defoes „Robinson Crusoe“ – kurz, ein Weltbuch, das in seiner Material- und Gedankenfülle und mit der Vielfalt seiner Formen, Stilmittel und Perspektiven zu den ganz großen Werken der deutschen Literatur gehört.
Die Geschichte, die das Buch erzählt, ist zu unserem Leseglück keine geordnete – sie ist geprägt von jähen Wendungen, von Auf und Ab, von Brüchen und Überraschungen. Mit einem Entwicklungs- oder Bildungsroman im erhabenen Sinne haben wir es hier nicht zu tun. In seinem Aufbau, in der Abfolge von Handlungsstufen, im Spiegeln und Widerspiegeln von Bildern, Motiven und Gedanken ist dieser Roman dennoch sehr sorgfältig und umsichtig konstruiert, sodass man in der Vielfalt der Beziehungen und Verweise immer wieder Entdeckungen machen kann. Und gegen Ende, im sechsten Buch, der sogenannten „Continuatio“, lässt sich Grimmelshausen in dem Bewusstsein der Kunststücke, die ihm in seinem Werk bisher schon gelungen sind, auf ein literarisches Experimentieren in einem ziemlich modernen Sinne ein. Er probiert aus, was auf dem Papier mit Buchstaben, Wörtern und Sätzen überhaupt alles möglich ist: die Lebensgeschichte eines Stücks Klopapier, von ihm selbst erzählt, eine Reise um die Welt auf zweieinhalb Seiten …
Der „Simplicissimus“ handelt also von vielem – nicht nur, wie die meisten glauben, vom Dreißigjährigen Krieg. Aber auf den Strecken, wo er dies tut, erfährt und spürt man etwas von der Traumatisierung eines ganzen Landes und seiner Bevölkerung und kann sich wohl fragen, ob da nicht bis heute etwas nachwirkt. Die unmittelbare Erfahrung, die der „einfältige“ Simplicissimus macht, scheint die einer Zerstückelung des Erlebens und der Erfahrung zu sein. Glück und Unglück wechseln einander in unberechenbaren Verwicklungen ab. Gewalt und Lebensgefahr lauern überall.Das einzig Beständige in dieser Welt ist die Unbeständigkeit.
Ein Eulenspiegel, ein Tor, ein Dummkopf, ein heiliger, frommer Narr – das alles ist dieser Simplicissimus, und noch manches mehr. Er ist der Narr, der bisweilen weiser ist als alle anderen um ihn herum. Er wird, als man ihn in eine Kalbshaut steckt, sogar ein Tier, das sich dumm gibt, aber klüger ist als die Menschen, die sich über es lustig machen wollen, und das sich als Tier Freiheiten im Urteilen und Spotten herausnehmen kann, die ein Herr in jener Welt keinem Untergebenen, auch keinem Hofnarren, durchgehen ließe.
Zu sagen, dass Grimmelshausen uns Heutigen schon deshalb ein naher Verwandter sei, weil er seine Figuren so oft verkleidet und in seinem Schreiben selbst gern Rollen ausprobiert und gleichsam die Identitäten wechselt, wäre vielleicht eine etwas abrupte Aktualisierung. Und dennoch: Das Spiel mit verschiedenen Rollen ist ein zentrales Element im „Simplicissimus“. Zu Füßen der grotesken Figur, die uns aus dem Titelkupfer fast zeitlos modern entgegenlächelt, liegen lauter Theatermasken. Aber gespielt wird dieses Spiel und komisch wirkt es, weil in jener Welt die Rollenzwänge viel größer sind als in der unseren. Da herrschen strikte Kleiderordnungen, und wer gegen sie verstößt, macht sich sogleich zum Außenseiter, zum Sonderling, zum Narren.
Im Jahr 1944, mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg, hat Thomas Mann für eine in Schweden erscheinende Ausgabe des „Simplicissimus“ geschrieben: „Europa ist heute wieder in der rechten Verfassung für dieses Buch.“ Und wie sieht es siebzig Jahre später, in unserem Heute aus? Die Balkankriege und der Krieg im Irak sind nicht in Vergessenheit geraten. Afghanistan und Pakistan sind uns, dank unserer Medien, ziemlich nah. Eine Weltgegend, in der sich zwei Sekten einer Religion im Namen ihres einen Gottes bis aufs Blut bekämpfen und, indem sie diese Auseinandersetzung mit Machtpolitik und Herrschaftsansprüchen verquicken, weite Landstriche und ganze Länder mit einem Grauen überziehen, in dem gegenseitiges Abschlachten, Mord und Plündern für Jahre und Jahrzehnte zum Alltag werden – das war auch Deutschland einmal.
Aber nicht nur deshalb gilt der Satz Thomas Manns über die „rechte Verfassung für dieses Buch“ noch heute. Er gilt auch im Hinblick auf die Chance und die Freude, ein starkes Stück riskanter Literatur zu entdecken oder wiederzuentdecken, das uns mit einer Eindringlichkeit zu packen vermag, die wir einem 340 Jahre alten Buch kaum zugetraut hätten.
Reinhard Kaiser ist vor allem als Autor und Übersetzer aus dem Englischen tätig. In den vergangenen Jahren hat er die simplicianischen Romane von Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts in ein gegenwärtigeres Deutsch übersetzt. Für seine Arbeiten ist er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis (1997), dem Wilhelm Merton-Preis für Europäische Übersetzungen (2010) und dem Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau (2011).
Ein Eulenspiegel, ein Tor, ein Dummkopf, ein heiliger, frommer Narr – das alles ist dieser Simplicissimus, und noch manches mehr. Er ist der Narr, der bisweilen weiser ist als alle anderen um ihn herum. Er wird, als man ihn in eine Kalbshaut steckt, sogar ein Tier, das sich dumm gibt, aber klüger ist als die Menschen, die sich über es lustig machen wollen, und das sich als Tier Freiheiten im Urteilen und Spotten herausnehmen kann, die ein Herr in jener Welt keinem Untergebenen, auch keinem Hofnarren, durchgehen ließe.
Zu sagen, dass Grimmelshausen uns Heutigen schon deshalb ein naher Verwandter sei, weil er seine Figuren so oft verkleidet und in seinem Schreiben selbst gern Rollen ausprobiert und gleichsam die Identitäten wechselt, wäre vielleicht eine etwas abrupte Aktualisierung. Und dennoch: Das Spiel mit verschiedenen Rollen ist ein zentrales Element im „Simplicissimus“. Zu Füßen der grotesken Figur, die uns aus dem Titelkupfer fast zeitlos modern entgegenlächelt, liegen lauter Theatermasken. Aber gespielt wird dieses Spiel und komisch wirkt es, weil in jener Welt die Rollenzwänge viel größer sind als in der unseren. Da herrschen strikte Kleiderordnungen, und wer gegen sie verstößt, macht sich sogleich zum Außenseiter, zum Sonderling, zum Narren.
Im Jahr 1944, mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg, hat Thomas Mann für eine in Schweden erscheinende Ausgabe des „Simplicissimus“ geschrieben: „Europa ist heute wieder in der rechten Verfassung für dieses Buch.“ Und wie sieht es siebzig Jahre später, in unserem Heute aus? Die Balkankriege und der Krieg im Irak sind nicht in Vergessenheit geraten. Afghanistan und Pakistan sind uns, dank unserer Medien, ziemlich nah. Eine Weltgegend, in der sich zwei Sekten einer Religion im Namen ihres einen Gottes bis aufs Blut bekämpfen und, indem sie diese Auseinandersetzung mit Machtpolitik und Herrschaftsansprüchen verquicken, weite Landstriche und ganze Länder mit einem Grauen überziehen, in dem gegenseitiges Abschlachten, Mord und Plündern für Jahre und Jahrzehnte zum Alltag werden – das war auch Deutschland einmal.
Aber nicht nur deshalb gilt der Satz Thomas Manns über die „rechte Verfassung für dieses Buch“ noch heute. Er gilt auch im Hinblick auf die Chance und die Freude, ein starkes Stück riskanter Literatur zu entdecken oder wiederzuentdecken, das uns mit einer Eindringlichkeit zu packen vermag, die wir einem 340 Jahre alten Buch kaum zugetraut hätten.
Reinhard Kaiser ist vor allem als Autor und Übersetzer aus dem Englischen tätig. In den vergangenen Jahren hat er die simplicianischen Romane von Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts in ein gegenwärtigeres Deutsch übersetzt. Für seine Arbeiten ist er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis (1997), dem Wilhelm Merton-Preis für Europäische Übersetzungen (2010) und dem Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau (2011).
Die Spieler sind durchlässig für jedes Geschehen und fabrizieren ein Chaos auf der Bühne und im Kopf des Zuschauers, dass es eine Freude ist.
Dragoner treten auf und Special Agents. Die in den Krieg ziehenden Schweden sehen aus aus wie Stefan Edberg in aktiven Zeiten (in einer seiner Rollen: Christian Claus). Jan Maaks Einsiedel ist ein herrlich versponnener Althippie. Julia Kathinka Philippi behauptet sich glänzend bei allem, was sie tut. Besonders vielleicht, als sie emotional am Bericht über die Opferzahlen bei der Magdeburger Bluthochzeit scheitert. Thomas Eisen ist ein beseelter Tausendsassa, der behände alle Rhythmus- und Figurenwechsel, alle Brüche und Turnereien nimmt, als wär's ein Leichtes.
Zwischen allen aber, Primus inter Pares, Sebastian Wendelin. Diesem Schauspieler scheint der affektive Zusammenbruch ebenso viel Genuss zu bereiten wie der intellektuelle Diskurs und das Suhlen im Bühnendreck aus Konfetti-Kunstblut. Er tut alles mit anscheinend reflektierter Gelassenheit. Außerdem treten auf: Christian Wulff, Putin, der Irakkrieg (und seine Artgenossen der Gegenwart), Abbilder von TV-Sternchen und -Shows, Live-Videos, Politprominenz, Puppen, Konfetti, Kunstblut, Paketklebeband, Ritterhelme, Gasmasken, Eddings, Kuscheltiere, Nebel, Stroboskope. Gefühlt alle Mittel der Theatermaschine. Jedes passt in Quantität und Timing und nichts ist jemals nur Mittel zum Zweck.
Dieses Theater ist nicht nur lebendig. Es ist ein tanzendes, formensprengendes Wesen, ein berauschtes und berauschendes. … Als der intensive, lange Applaus verebbt, laden die Spieler das Publikum ein, die Bühne zu erkunden. ‚Exit through the Büchlein‘ steht auf einer Pappe. Werdet mehr als Zugucker. Eine weitere große Idee.“
Simon Solberg, Regie-Provokateur par excellence, überprüfte nun den Stoff auf Herz und Nieren für die Gegenwart.
Der verknappte Werdegang des originalen ‚Simpli‘ ist die Folie für überschäumende Gegenwartskritik. Die Regie reißt die Wundertüte von Einfällen und bildgewaltiger Symbolik weit auf. Als bitteren Mega-Cocktail müssen wir den Welt-Irrsinn schlucken.
Putin, Hungersnöte, Börsengeschäfte, Werbe-Gehirnwäsche – alles ist in den temporeichen zwei Stunden dabei. Bühnenumbauten, Kostümwechsel und Kameraführung verlangen dem energetischen Ensemble alles ab. Neben dem glänzenden Sebastian Wendelin, fallen der quirlige Christian Clauß und der fantastisch wandlungsfähige Thomas Eisen auf.
In dieser packenden Achterbahnfahrt verzahnt die Regie aggressiv Vergangenheit und Gegenwart. Es funktioniert.
Simon Solberg hat aus dem dicken barocken Schinken ein Gesamtkunstwerk auf die Bühne gestellt, das Tausend Mal mehr will als bequeme Unterhaltung.“
Solbergs hundertminütige Simpl-Life-Revue ist generell ehrliche Schauspielarbeit und entspricht durchaus der überbordenden Phantasie des wunderlichen Autoren, der zurecht unvergessen bleiben soll.“