Premiere 28.05.2010
› Kleines Haus 1
Der Kirschgarten (2010)
Komödie von Anton Tschechow
Handlung
Ihr solltet keine Theaterstücke, sondern öfter mal euch selbst ansehen. Nach fünf sorglosen Jahren an der Riviera kehrt die Gutsbesitzerin Ranjewskaja mit ihrer kleinen Entourage nach Hause zurück – auf ihr Landgut mit Kirschgarten. Da alle im Ausland über ihre Verhältnisse gelebt haben, ist die Familie weitgehend mittellos und das Gut zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben. Der geschäftstüchtige Kaufmann Lopachin unterbreitet der Ranjewskaja einen Vorschlag, die finanzielle Krise zu meistern: Er will den Kirschgarten abholzen und das Gelände parzellieren, um darauf Sommerhäuschen für erholungsbedürftige Städter zu errichten. Die Ranjewskaja kann sich zu diesem Schritt nicht entschließen; zu schwer fällt es ihr, Abschied zu nehmen vom wunderschönen, aber vollkommen nutzlosen Kirschgarten, mit dem sie vielfältige Erinnerungen verbindet. Letztlich stellt der neureiche Lopachin die lebensuntüchtige Gutsbesitzerfamilie vor vollendete Tatsachen: Während sie zu einem letzten Ball einlädt, kauft Lopachin den Kirschgarten und setzt die ehemaligen Besitzer auf die Straße.
„Der Kirschgarten“ erzählt von einer Lebensform des endlosen Müßiggangs, die gezwungen ist, einem leistungsorientierten Pragmatismus zu weichen, der im Kern jedoch nicht weniger leer ist. Tschechows Komödie wird von Hausregisseur Tilmann Köhler inszeniert, der nach Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ (ausgezeichnet mit dem Kurt-Hübner-Preis für junge Regie) zuletzt Ödön von Horváths „Italienische Nacht“ auf die Bühne brachte.
„Der Kirschgarten“ erzählt von einer Lebensform des endlosen Müßiggangs, die gezwungen ist, einem leistungsorientierten Pragmatismus zu weichen, der im Kern jedoch nicht weniger leer ist. Tschechows Komödie wird von Hausregisseur Tilmann Köhler inszeniert, der nach Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ (ausgezeichnet mit dem Kurt-Hübner-Preis für junge Regie) zuletzt Ödön von Horváths „Italienische Nacht“ auf die Bühne brachte.
Besetzung
Regie
Bühne
Kostüme
Musik
Jörg-Martin Wagner
Licht
Dramaturgie
Ljubow Andrejewna Ranjewskaja
Anja
Ines Marie Westernströer
Warja
Ina Piontek
Leonid Andrejewitsch Gajew
Wolfgang Michalek
Jermolaj Alexejewitsch Lopachin
Pjotr Sergejewitsch Trofimow
Boris Borissowitsch Simeonow-Pischtschik
Charlotte Iwanowna, Gouvernante
Cathleen Baumann
Semjon Pantelejewitsch Jepichodow
Fabian Gerhardt
Dunjascha
Antje Trautmann
Firs
Ulrich Anschütz
Jascha
Matthias Luckey
Video
Pressestimmen
Über das Stück
von Tilmann Köhler
Ein Zimmer, das immer noch Kinderzimmer genannt wird. Morgendämmerung, die Sonne geht bald auf. Es ist Mai, die Kirschbäume blühen, aber im Garten ist es kalt, Nachtfrost. Szenenanweisung Der Kirschgarten, 1. Akt
Wenn man Stücke trinken könnte, dann hätte ich gerne eine Flasche vom Kirschgarten.
Die Ankunft in der Dunkelheit mit dem Duft der blühenden Kirschbäume. Das knarrende Parkett, der Blick durch die großen Fenster, das verrottende Haus. Ein Hängen an der Erinnerung, ein Hängen an der anderen Zeit. Das Feld mit dem Zirpen der Grillen. Und der trockene Saitenriss, das seltsamste und tollste Geräusch des Stückes im dritten Akt und ganz am Ende.
Ein Saitenriss und ein Zeitenriss. Ein Tod, ein Abschied. Verlorene Menschen im Übergang. Ein Umbruch vom Alten zum Neuen. Das Wegschieben der rohen Ideen des Bauernmillionärs Lopachin. Das Nicht-verstehen-Wollen, das Nichtakzeptieren, Aufschiebenwollen der unangenehmen Wirklichkeit.
Der Ball während der Versteigerung, der letzte ausufernde Tanz in den morschen Räumen, die Gäste, die sich gewandelt haben. Und die grelle, brachiale, monsterhafte Freude des Gewinners Lopachin. Das die Musik zertrampelnde Lachen. Die Abfahrt aus den überdeckten Möbeln, Schnee auf der Erinnerung. Die Koffer, die sich stapeln, und das Geräusch des Abholzens, der fallenden Bäume, gleichbleibend dumpf. Der Epilog des sterbenden Firs, des sterbenden Hauses, des sterbenden Kirschgartens und der sterbenden Erinnerung. Ein Musikstück, das trunken macht.
Alle sitzen in Gedanken versunken da. Stille. Man hört nur, wie Firs leise vor sich hin brummelt. Plötzlich ertönt ein entfernter Laut, wie vom Himmel kommend, der Laut einer gerissenen Saite, ersterbend, traurig. Szenenanweisung 2. Akt
Der Kirschgarten ist ein Musikstück. Die Texte sind Noten einer Partitur. Schreiben als Komposition. Tschechow komponiert. Die Musik verläuft unter dem Stück, hinter den Texten. Die Worte führen zu Handlungen, zu Menschen, zu Gesichtern.
Wenn man Stücke trinken könnte, dann hätte ich gerne eine Flasche vom Kirschgarten.
Die Ankunft in der Dunkelheit mit dem Duft der blühenden Kirschbäume. Das knarrende Parkett, der Blick durch die großen Fenster, das verrottende Haus. Ein Hängen an der Erinnerung, ein Hängen an der anderen Zeit. Das Feld mit dem Zirpen der Grillen. Und der trockene Saitenriss, das seltsamste und tollste Geräusch des Stückes im dritten Akt und ganz am Ende.
Ein Saitenriss und ein Zeitenriss. Ein Tod, ein Abschied. Verlorene Menschen im Übergang. Ein Umbruch vom Alten zum Neuen. Das Wegschieben der rohen Ideen des Bauernmillionärs Lopachin. Das Nicht-verstehen-Wollen, das Nichtakzeptieren, Aufschiebenwollen der unangenehmen Wirklichkeit.
Der Ball während der Versteigerung, der letzte ausufernde Tanz in den morschen Räumen, die Gäste, die sich gewandelt haben. Und die grelle, brachiale, monsterhafte Freude des Gewinners Lopachin. Das die Musik zertrampelnde Lachen. Die Abfahrt aus den überdeckten Möbeln, Schnee auf der Erinnerung. Die Koffer, die sich stapeln, und das Geräusch des Abholzens, der fallenden Bäume, gleichbleibend dumpf. Der Epilog des sterbenden Firs, des sterbenden Hauses, des sterbenden Kirschgartens und der sterbenden Erinnerung. Ein Musikstück, das trunken macht.
Alle sitzen in Gedanken versunken da. Stille. Man hört nur, wie Firs leise vor sich hin brummelt. Plötzlich ertönt ein entfernter Laut, wie vom Himmel kommend, der Laut einer gerissenen Saite, ersterbend, traurig. Szenenanweisung 2. Akt
Der Kirschgarten ist ein Musikstück. Die Texte sind Noten einer Partitur. Schreiben als Komposition. Tschechow komponiert. Die Musik verläuft unter dem Stück, hinter den Texten. Die Worte führen zu Handlungen, zu Menschen, zu Gesichtern.
Tschechow komponiert Erinnerung und Sehnsucht. Der Augenblick als permanentes Zufrüh oder Zuspät.
Die Besetzung ist das Orchester. Jede Rolle ist wie ein Instrument, eine notwendige Klangfarbe für diese Komposition. Immer auf dem Grat zwischen Schmerz und Glück.
Die Figuren erzählen Geschichten, sprechen miteinander, aber die Musik der Szenen liegt hinter den Worten. Ein Seismograf von Verwundungen, Sehnsüchten, Enttäuschungen, Träumen, Glück und Schmerz. Ein Seismograf der menschlichen Seele. Er zeichnet die untergründigen, die scheinbar nicht sichtbaren Erschütterungen auf. Er vermerkt sie, lange bevor das spürbare Erdbeben mit den sichtbaren Folgen zutage tritt. Es ist faszinierend, wie Tschechow diese inneren Lawinen in Worte fassen kann, ohne die Figuren preiszugeben, auszuliefern, zu überführen. Er lässt etwas von dem Inneren der Figuren ahnen, ohne dass wir uns sicher sein können. Sie bleiben verschlossen, obwohl sie sich scheinbar ständig offenbaren. Ich glaube, dass man in diesem Text nur zu Gast ist. Dass man als Schauspieler und Regisseur diese Figuren und diesen Kosmos von Tschechow nur besuchen kann. Ein Besuch, eine Begegnung mit existierenden Figuren, ein versuchtes Kennenlernen von Unbekannten, eine Annäherung. Die Figuren sind zu menschlich, als dass man sie nach nur einer Begegnung kennen kann. Ich freue mich sehr auf diesen Besuch und dieses Scheitern.
Die Bühne ist leer. Man hört, wie alle Türen abgeschlossen werden und dann die Kutschen abfahren. Es wird still. In die Stille hinein ertönen dumpfe Axthiebe, die einsam und traurig klingen. Szenenanweisung 4. Akt
Die Besetzung ist das Orchester. Jede Rolle ist wie ein Instrument, eine notwendige Klangfarbe für diese Komposition. Immer auf dem Grat zwischen Schmerz und Glück.
Die Figuren erzählen Geschichten, sprechen miteinander, aber die Musik der Szenen liegt hinter den Worten. Ein Seismograf von Verwundungen, Sehnsüchten, Enttäuschungen, Träumen, Glück und Schmerz. Ein Seismograf der menschlichen Seele. Er zeichnet die untergründigen, die scheinbar nicht sichtbaren Erschütterungen auf. Er vermerkt sie, lange bevor das spürbare Erdbeben mit den sichtbaren Folgen zutage tritt. Es ist faszinierend, wie Tschechow diese inneren Lawinen in Worte fassen kann, ohne die Figuren preiszugeben, auszuliefern, zu überführen. Er lässt etwas von dem Inneren der Figuren ahnen, ohne dass wir uns sicher sein können. Sie bleiben verschlossen, obwohl sie sich scheinbar ständig offenbaren. Ich glaube, dass man in diesem Text nur zu Gast ist. Dass man als Schauspieler und Regisseur diese Figuren und diesen Kosmos von Tschechow nur besuchen kann. Ein Besuch, eine Begegnung mit existierenden Figuren, ein versuchtes Kennenlernen von Unbekannten, eine Annäherung. Die Figuren sind zu menschlich, als dass man sie nach nur einer Begegnung kennen kann. Ich freue mich sehr auf diesen Besuch und dieses Scheitern.
Die Bühne ist leer. Man hört, wie alle Türen abgeschlossen werden und dann die Kutschen abfahren. Es wird still. In die Stille hinein ertönen dumpfe Axthiebe, die einsam und traurig klingen. Szenenanweisung 4. Akt