Deutschsprachige Erstaufführung 27.09.2012
› Kleines Haus 3
Das normale Leben oder Körper und Kampfplatz
von Christian Lollike
Deutsch von Gabriele Haefs
Gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes
Deutsch von Gabriele Haefs
Gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes
Handlung
Christian Lollike, einer der profiliertesten Dramatiker Dänemarks, hat auf Einladung des Staatsschauspiels Dresden einige Zeit in Dresden verbracht, um sich ein Bild zu machen von diesem Land, dieser Stadt und den Menschen, die darin wohnen. Er hat viele Gespräche geführt und Eindrücke gesammelt, um einen frischen, vorurteilsfreien und klischeefreien Einblick in die deutsche Seele zu nehmen. Zurück in Dänemark, sind aus diesen Erfahrungen zwei Theaterstücke entstanden, von denen wir DAS NORMALE LEBEN ODER KÖRPER UND KAMPFPLATZ als Deutschsprachige Erstaufführung präsentieren werden.
Lollikes Stück ist eine Erzählung vom überforderten Menschen. Drei Spieler vergewissern sich ihrer eigenen Geschichte und stellen dabei fest, dass die Maximen der kapitalistischen Ersten Welt, in der sie leben, die Kontrolle auch über ihr Privatleben gewonnen hat. Alles dreht sich nur noch um Effizienz und Optimierung, alles ist einem Verwertungsdenken unterworfen. Sie ersehnen sich einen Weg hinaus aus diesem Dilemma und gehen auf die Suche nach „dem normalen Leben“. Als sie nicht Funktionsträger waren, sondern „Menschen mit ungeahnten Möglichkeiten zur Lebensentfaltung“. Das gab es doch einmal, das muss doch noch irgendwo sein.
Entstanden im Rahmen des Austauschprojekts „Der fremde Blick/Blikket udefra“.
Gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes.
Lollikes Stück ist eine Erzählung vom überforderten Menschen. Drei Spieler vergewissern sich ihrer eigenen Geschichte und stellen dabei fest, dass die Maximen der kapitalistischen Ersten Welt, in der sie leben, die Kontrolle auch über ihr Privatleben gewonnen hat. Alles dreht sich nur noch um Effizienz und Optimierung, alles ist einem Verwertungsdenken unterworfen. Sie ersehnen sich einen Weg hinaus aus diesem Dilemma und gehen auf die Suche nach „dem normalen Leben“. Als sie nicht Funktionsträger waren, sondern „Menschen mit ungeahnten Möglichkeiten zur Lebensentfaltung“. Das gab es doch einmal, das muss doch noch irgendwo sein.
Entstanden im Rahmen des Austauschprojekts „Der fremde Blick/Blikket udefra“.
Gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes.
Besetzung
Regie
Hauke Meyer
Bühne
Jeremias Böttcher
Kostüme
Marcel Lunkwitz
Musik
Jan Maihorn
Licht
Dramaturgie
Robert Koall
Mit
Deutsche Fragen an einen dänischen Autor
Im Jahr 2011 vereinbarte das Staatsschauspiel Dresden eine künstlerische Partnerschaft mit dem Königlichen Schauspielhaus in Kopenhagen. Durch den Austausch von Gastspielen, Stücken und Autoren sollte der Blick auf die eigene Heimat und die jeweilige Arbeitsweise geschärft werden sowie ein Impuls gegeben werden, die eigene Arbeit auch immer wieder konstruktiv infrage zu stellen. Mit zwei Premieren erreicht das Partnerschaftsprojekt, das den Titel „Der fremde Blick“ trägt, seinen Höhepunkt in der Jubiläumsspielzeit des Staatsschauspiels. Wir hatten den dänischen Dramatiker Christian Lollike eingeladen, im Jahr 2011 einige Zeit in Dresden zu verbringen und Eindrücke zu sammeln. Gleiches taten die Dänen mit dem deutschen Dramatiker Martin Heckmanns in Kopenhagen. Aus diesen Gastaufenthalten sind Stücke entstanden, die sich auf diese Erfahrungen beziehen.
Es hält wach, sich selbst mit anderen Augen betrachtet zu wissen. Es verunsichert, weil man ahnt, dass der fremde Blick notwendigerweise auch kritisch sein wird. Neidisch ebenso, und hoffentlich manchmal liebevoll. Das Stück von Martin Heckmanns wird in dänischer Übersetzung in Kopenhagen uraufgeführt. Christian Lollikes Stück wird auf Deutsch im Kleinen Haus zur Aufführung kommen. Nach seinem Gastaufenthalt in Dresden stellten wir dem Autor einige Fragen zu seinen Eindrücken.
Mein erster Eindruck von Dresden ist ... dass die Gebäude viel größer sind, als ich es erwartet hatte.
Mein letzter ... Das ist eine Stadt, die mit ihrer eigenen Identität kämpft.
Etwas typisch Deutsches ... sehr darauf zu achten, wie man sich mit der Geschichte der Nation beschäftigt (und zugleich die Geschichte als nationales Markenzeichen zu haben).
Etwas typisch Dänisches ... nicht darauf zu achten, wie man sich mit Geschichte überhaupt beschäftigt. Für uns waren wir die Helden. Wie wir das geworden sind, ist nicht Gegenstand der Diskussion.
Ein Tabu in Dresden ... über die grausame Ironie zu lachen, dass ein Fußballstadion in Deutschland Glücksgas-Arena heißt.
Der deprimierendste Moment in Dresden ... Der verrückteste Moment für mich war, zusammen mit Neonazis bei ihrem jährlichen Aufmarsch zu stehen und dann über große Lautsprecher Beethoven zu hören. Es war sehr kompliziert, etwas so Schönes zu hören und dabei diese Menschen zu beobachten. Das war so, als ob Ton und Bild nicht übereinstimmten. Es war Kunst. Ein anderer seltsamer Moment – am selben Tag – war, verwirrt zu sein, wer die Neonazis waren und wer die Linksradikalen.
Es hält wach, sich selbst mit anderen Augen betrachtet zu wissen. Es verunsichert, weil man ahnt, dass der fremde Blick notwendigerweise auch kritisch sein wird. Neidisch ebenso, und hoffentlich manchmal liebevoll. Das Stück von Martin Heckmanns wird in dänischer Übersetzung in Kopenhagen uraufgeführt. Christian Lollikes Stück wird auf Deutsch im Kleinen Haus zur Aufführung kommen. Nach seinem Gastaufenthalt in Dresden stellten wir dem Autor einige Fragen zu seinen Eindrücken.
Mein erster Eindruck von Dresden ist ... dass die Gebäude viel größer sind, als ich es erwartet hatte.
Mein letzter ... Das ist eine Stadt, die mit ihrer eigenen Identität kämpft.
Etwas typisch Deutsches ... sehr darauf zu achten, wie man sich mit der Geschichte der Nation beschäftigt (und zugleich die Geschichte als nationales Markenzeichen zu haben).
Etwas typisch Dänisches ... nicht darauf zu achten, wie man sich mit Geschichte überhaupt beschäftigt. Für uns waren wir die Helden. Wie wir das geworden sind, ist nicht Gegenstand der Diskussion.
Ein Tabu in Dresden ... über die grausame Ironie zu lachen, dass ein Fußballstadion in Deutschland Glücksgas-Arena heißt.
Der deprimierendste Moment in Dresden ... Der verrückteste Moment für mich war, zusammen mit Neonazis bei ihrem jährlichen Aufmarsch zu stehen und dann über große Lautsprecher Beethoven zu hören. Es war sehr kompliziert, etwas so Schönes zu hören und dabei diese Menschen zu beobachten. Das war so, als ob Ton und Bild nicht übereinstimmten. Es war Kunst. Ein anderer seltsamer Moment – am selben Tag – war, verwirrt zu sein, wer die Neonazis waren und wer die Linksradikalen.
Ich beneide die Deutschen um ... Manchmal kann ich die Deutschen darum beneiden, eine Geschichte zu haben, die einen zwingt, noch einmal nachzudenken, wenn es zu kriegerischen Handlungen in anderen Ländern kommt.
Über Deutschland zu schreiben ist ... schwierig, weil sich die Deutschen mit ihrer Identität und ihrer Geschichte schon seit dem Kriegsende beschäftigen.
Nein danke, ich würde niemals ... Was? Es gibt viele Dinge, die ich niemals. Aber ich habe ein enges Verhältnis zu Dresden, und ich bin glücklich, dass ich während meines Aufenthalts gezwungen war, über mein Verhältnis zur Geschichte nachzudenken.
Deutsches Theater ist ... das Beste auf der Welt.
Dänisches Theater ist ... eine starke Komödientradition zu haben.
Ich weiß, wo meine Ideen herkommen ... Sie kommen aus vielen verschiedenen Orten. Das Stück „Das normale Leben oder Körper und Kampfplatz“ kommt aus dem normalen Leben; dem Gefühl, beobachtet zu werden; dem Gerede über Freiheit und zugleich daher, zu sehen, dass sich die Leute um mich (und ich selber) nicht so frei fühlen, wie wir sagen, dass wir es wären. „Das normale Leben“ versucht, das zu analysieren. Das ist wichtig, weil wir in Mustern gefangen sind; verschiedenen Arten von Überwachungssystemen, die uns im Weg stehen, unsere Möglichkeiten zu verwirklichen.
Gedanken über Europa ... Scheiße, wir führen die Krise an.
Ich wäre gerne in ... Kuba. Um herauszufinden, was sie verloren haben, als sie den Kommunismus aufgaben.
Dänen sind ... Oje, ich mag Dänen, wenn man über die Fremdenfeindlichkeit hinwegsieht. Aber wir leiden darunter und unter der Idee, dass wir alle unsere Angst vor den Muslimen herausschreien sollten und …
Ich bin ... Ich versuche, ich selber zu sein, aber das ist harte Arbeit.
Christian Lollike wurde 1973 in Dänemark geboren. Er studierte Szenisches Schreiben am Theater Aarhus. Neben Hörspielen und Drehbüchern schreibt er Theaterstücke, die er zum Teil selbst inszeniert. Die Hörspielproduktion seines Stücks „Das Wunderwerk oder die RE-Mohammed-TY Show“ wurde 2006 mit dem Prix Europa in der Kategorie „Bestes europäisches Hörspiel des Jahres 2006“ ausgezeichnet. Bereits mehrere seiner Stücke wurden in Deutschland uraufgeführt, darunter 2005 „Dogville“ am Staatstheater Stuttgart und „Cosmic Fear“, das 2008 als Auftragswerk für das Maxim Gorki Theater Berlin entstand. Von 2005 bis 2010 arbeitete er als Hausautor und Regisseur am Theater Aarhus. Seit 2010 ist er Künstlerischer Leiter des CaféTeatret in Kopenhagen.
Über Deutschland zu schreiben ist ... schwierig, weil sich die Deutschen mit ihrer Identität und ihrer Geschichte schon seit dem Kriegsende beschäftigen.
Nein danke, ich würde niemals ... Was? Es gibt viele Dinge, die ich niemals. Aber ich habe ein enges Verhältnis zu Dresden, und ich bin glücklich, dass ich während meines Aufenthalts gezwungen war, über mein Verhältnis zur Geschichte nachzudenken.
Deutsches Theater ist ... das Beste auf der Welt.
Dänisches Theater ist ... eine starke Komödientradition zu haben.
Ich weiß, wo meine Ideen herkommen ... Sie kommen aus vielen verschiedenen Orten. Das Stück „Das normale Leben oder Körper und Kampfplatz“ kommt aus dem normalen Leben; dem Gefühl, beobachtet zu werden; dem Gerede über Freiheit und zugleich daher, zu sehen, dass sich die Leute um mich (und ich selber) nicht so frei fühlen, wie wir sagen, dass wir es wären. „Das normale Leben“ versucht, das zu analysieren. Das ist wichtig, weil wir in Mustern gefangen sind; verschiedenen Arten von Überwachungssystemen, die uns im Weg stehen, unsere Möglichkeiten zu verwirklichen.
Gedanken über Europa ... Scheiße, wir führen die Krise an.
Ich wäre gerne in ... Kuba. Um herauszufinden, was sie verloren haben, als sie den Kommunismus aufgaben.
Dänen sind ... Oje, ich mag Dänen, wenn man über die Fremdenfeindlichkeit hinwegsieht. Aber wir leiden darunter und unter der Idee, dass wir alle unsere Angst vor den Muslimen herausschreien sollten und …
Ich bin ... Ich versuche, ich selber zu sein, aber das ist harte Arbeit.
Christian Lollike wurde 1973 in Dänemark geboren. Er studierte Szenisches Schreiben am Theater Aarhus. Neben Hörspielen und Drehbüchern schreibt er Theaterstücke, die er zum Teil selbst inszeniert. Die Hörspielproduktion seines Stücks „Das Wunderwerk oder die RE-Mohammed-TY Show“ wurde 2006 mit dem Prix Europa in der Kategorie „Bestes europäisches Hörspiel des Jahres 2006“ ausgezeichnet. Bereits mehrere seiner Stücke wurden in Deutschland uraufgeführt, darunter 2005 „Dogville“ am Staatstheater Stuttgart und „Cosmic Fear“, das 2008 als Auftragswerk für das Maxim Gorki Theater Berlin entstand. Von 2005 bis 2010 arbeitete er als Hausautor und Regisseur am Theater Aarhus. Seit 2010 ist er Künstlerischer Leiter des CaféTeatret in Kopenhagen.
Lollike ätzt mit seinen pointierten und von Gabriele Haefs zielsicher übersetzten Dialogen damit sowohl gegen den Einzelnen wie auch gegen die Verhältnisse, die wie einst bei Brecht eben ‚nicht so sind‘. In denen ist Freiheit jedenfalls nur ein erbärmliches Postulat, dem nur wenige gewachsen sein mögen. Diese drei sind es nicht, sie ringen permanent mit der ‚inneren Stasi‘. Die greift mit ihren ungeschriebenen Gesetzen durch, mit subtilen Anpassungszwängen an das ‚Normale‘. ‚Tun, was alle tun‘, heißt es, auf Arbeit immer lächeln, das Normgewicht halten, das Familienidyll um jeden Preis vortäuschen. ‚Das Fitnessstudio ist meine Kirche‘, treffender kann man die Sinnenleere nicht beschreiben, vor der die Protagonisten gelegentlich selbst erschrecken. Und ständig lauert einer, der Noten gibt, lauern Gefahren, die Handystrahlung, Gift im Spielzeug, der Terror, das Fremde und die Fremden. Huxley oder Orwell und die Entfremdungstheoretiker lassen grüßen. Aber nicht aus der Ferne. Diese Erscheinungen kennt jeder, der sich selbst ein bisschen kennt.
Annika Schilling, Philipp Lux und der junge Jonas Friedrich Leonhardi aus dem Schauspielstudio bekamen ebenso wie das Leitungsteam wohl deshalb so intensiven Beifall, weil sie dieses Ringen um Authentizität so authentisch demonstrierten. Genau, unaffektiert und in den Zusammenbrüchen glaubwürdig betroffen zeigten sie, wie wir immer mehr Überforderungen erliegen, anstatt uns in befreiendem Wohlstand zu emanzipieren. So grundehrlich wie der Text ist auch das Spiel. Der Witz, die originellen Regieeinfälle dienen der Sache und überhöhen oft den ‚So isses‘-Affekt.“
Ein wie stets bei Lollike wechselvolles Geschehen, das in der Regie von Hauke Meyer ein rasantes Erkunden mit sich bringt, das kaum mehr Ruhepunkte aufweist. Wunderbar spielerisch ist auch die Bühnengestaltung von Jeremias Böttcher. Vor allem aber hat es die Besetzung des höchst präsenten Trios in sich. Es spielen Annika Schilling, Philipp Lux sowie Jonas Friedrich Leonhardi vom Schauspielstudio Dresden. Sämtlich Darsteller, die höchst verwandlungsfähig und nuanciert in ihrer Spielweise sind.“
Dieses gekonnte Ausbalancieren tut dem Abend ebenso gut wie Hauke Meyers Entscheidung, die bei der Stücklektüre gelegentlich auftauchenden Verdachtsmomente in Richtung Tiefsinnshuberei konsequent zu ignorieren und eher auf (Selbst-)Erkenntnis durch liebevolle Ironie zu setzen. Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser ja ebenfalls recht gut vertrauten Kulturtechnik sogar um die einzig mögliche Strategie, einem Text performativ auf den Leib zu rücken, der leitmotivisch konstatiert: ‚Es ist normal, individuell sein zu wollen.‘“