Premiere 02.04.2015
› Schauspielhaus
Bernarda Albas Haus
Tragödie von Federico García Lorca
Deutsch von Hans Magnus Enzensberger
Deutsch von Hans Magnus Enzensberger
Handlung
Hier kommt keine lebend raus! Nach dem Tod ihres Mannes verordnet Bernarda Alba ihren fünf Töchtern, ihrer Mutter und der Magd des Hauses eine achtjährige Trauerzeit. So verlangt es die streng katholische Tradition in dem andalusischen Dorf. Hinter verschlossenen Türen wacht die unerbittliche Witwe und verteidigt ihre Abkehr von der Welt, wenn es sein muss mit Gewalt. Für die unverheirateten Töchter, zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt, wird das Haus zum Gefängnis. Lediglich Angustias darf noch mit ihrem Verlobten Pepe in Kontakt treten – durch ein vergittertes Fenster. Doch die Schwestern neiden der Ältesten aus erster Ehe das Erbe und vor allem den Mann. Unter der sengenden Sonne Spaniens entbrennt existenzielles Begehren und zeigen sich Frauenseelen so schwarz wie ihre Trauerkleidung.
Federico García Lorca vollendete BERNARDA ALBAS HAUS 1936, kurz bevor er im beginnenden Spanischen Bürgerkrieg von einer Milizgruppe Francos ermordet wurde. Heute zählt der Dichter zu den bedeutendsten seines Landes, und seine letzte Tragödie legt eindrucksvoll Zeugnis ab, wie sich repressive Systeme generationsübergreifend fortsetzen und wie das Eingesperrtsein von Körper und Geist, die Verweigerung von Lust und Freiheit den Menschen formt.
Federico García Lorca vollendete BERNARDA ALBAS HAUS 1936, kurz bevor er im beginnenden Spanischen Bürgerkrieg von einer Milizgruppe Francos ermordet wurde. Heute zählt der Dichter zu den bedeutendsten seines Landes, und seine letzte Tragödie legt eindrucksvoll Zeugnis ab, wie sich repressive Systeme generationsübergreifend fortsetzen und wie das Eingesperrtsein von Körper und Geist, die Verweigerung von Lust und Freiheit den Menschen formt.
Besetzung
Regie und Bühne
Andreas Kriegenburg
Kostüme
Licht
Björn Gerum
Dramaturgie
Janine Ortiz
Bernarda Alba
Rosa Enskat
María Josefa, Bernardas Mutter
Barbara Teuber
Angustias, Bernardas Tochter
Antje Trautmann
Magdalena, Bernardas Tochter
Sonja Beißwenger
Amelia, Bernardas Tochter
Ina Piontek
Martirio, Bernardas Tochter
Nina Gummich
Adela, Bernardas Tochter
Maike Schroeter
La Poncia, Magd
Nele Rosetz
Video
Der Regisseur Andreas Kriegenburg über die Wiederbegegnung mit einem Dichterkosmos
Zweimal ist mir Federico García Lorcas „Bernarda“ schon begegnet, zweimal schon habe ich dieses wunderbar dunkle Stück inszenieren dürfen, in München und in Hamburg, war zu Gast in ihrem „Haus des Schweigens“, ihrem „Haus der Trauer“, habe Zeit verbracht mit ihren Töchtern, habe sie beobachtet, mit ihnen gelebt. Und schon zweimal hat der Selbstmord der Jüngsten, Adela, der Wilden, Unzähmbaren, die sich nicht einsperren lassen will, ihre Gier auf Leben, auf Sinnlichkeit und Liebe, auf Freiheit, mich in dunkelste Trauer gestürzt. Und nach beiden Arbeiten wusste ich, ich bin noch nicht fertig mit Lorcas Stück, und ich weiß schon, auch wenn ich „Bernarda Albas Haus“ jetzt in Dresden wieder auf die Bühne bringen darf, werde ich immer noch nicht „fertig“ sein mit diesem sehr besonderen Werk.
Nicht weil „Bernarda Albas Haus“ so kompliziert ist, so komplex und schwierig. Im Gegenteil, eigentlich ist es ein sehr einfaches Stück mit einer sehr einfachen, klaren Geschichte. Auch wenn diese umso schmerzvoller ist.
Die Witwe Bernarda Alba, vor wenigen Tagen verstarb der ungeliebte Mann, verhängt über ihr Haus, über sich und ihre fünf Töchter, eine acht Jahre dauernde Trauerzeit, Schweigenszeit. Sie folgt der Tradition, erfüllt, was die Gesellschaft von ihr erwartet. Obwohl sie diese Gesellschaft insgeheim verachtet, überall sieht sie nur Missgunst und Neid. Aber nie würde sie sich gegen die Tradition, gegen die Ordnung stellen können, sie hat von ihrer Mutter gelernt, was sie jetzt an ihre Töchter weitergibt. „So war es schon immer“ steht auf den Mauern ihres Gefängnisses, in das sie sich verkrochen hat, von der Freude hat sie sich vor langer Zeit verabschiedet, Disziplin und Demut gegen Gott sind ihre Begleiter. Und auch die Angst, einmal zu sein wie ihre Mutter, die „verrückt“ geworden ist, zerbrochen am freudlosen Leben, und die in ihrem Zimmer eingesperrt gehalten wird, völlig abgeschieden von der Welt, und dennoch alles am klarsten zu sehen scheint.
Nicht weil „Bernarda Albas Haus“ so kompliziert ist, so komplex und schwierig. Im Gegenteil, eigentlich ist es ein sehr einfaches Stück mit einer sehr einfachen, klaren Geschichte. Auch wenn diese umso schmerzvoller ist.
Die Witwe Bernarda Alba, vor wenigen Tagen verstarb der ungeliebte Mann, verhängt über ihr Haus, über sich und ihre fünf Töchter, eine acht Jahre dauernde Trauerzeit, Schweigenszeit. Sie folgt der Tradition, erfüllt, was die Gesellschaft von ihr erwartet. Obwohl sie diese Gesellschaft insgeheim verachtet, überall sieht sie nur Missgunst und Neid. Aber nie würde sie sich gegen die Tradition, gegen die Ordnung stellen können, sie hat von ihrer Mutter gelernt, was sie jetzt an ihre Töchter weitergibt. „So war es schon immer“ steht auf den Mauern ihres Gefängnisses, in das sie sich verkrochen hat, von der Freude hat sie sich vor langer Zeit verabschiedet, Disziplin und Demut gegen Gott sind ihre Begleiter. Und auch die Angst, einmal zu sein wie ihre Mutter, die „verrückt“ geworden ist, zerbrochen am freudlosen Leben, und die in ihrem Zimmer eingesperrt gehalten wird, völlig abgeschieden von der Welt, und dennoch alles am klarsten zu sehen scheint.
Dieses Haus ist voll von Leben, genauer, ist eigentlich voll von Leben. Fünf junge Frauen warten auf die Liebe, auf ihre zukünftigen Ehemänner, auf die Sinnlichkeit, warten da-rauf, dass ihr eigenes Leben endlich beginnt. Für sie ist das Diktat ihrer Mutter, Jahre in Trauer und Schweigen zu verbringen, grausame Folter. Weitere Jahre in Duldungsstarre stehen ihnen bevor, sie sehen ihr Leben entschwinden, durch Gitter und Mauern von aller Lust getrennt. Nur nachts dürfen sie das Haus verlassen, dürfen den Abend im Hof verbringen, in ihre schwarzen Trauerkleider eingezwängt hören sie den Hengst im Stall mit den Hufen schlagen, weil er die Stute des Nachbarn wittert. Und auch in ihnen bebt die Begierde, die Gier nach Leben, nach Lust, nach Männern, nach Freiheit.
Lorcas „Bernarda“ ist ein Stück über die Freiheit, über die Folter des Eingesperrtseins, darüber, wie Menschen in zu engen Kammern verbogen werden und am Ende am Verlust der Freiheit zerbrechen.
Aber es ist auch eine bittere Analyse, wie Systeme der Unterdrückung funktionieren, wie sie sich immer wieder selbst reproduzieren, wie immer wieder eine gequälte Seele ihren Schmerz auf eine andere überträgt, wie Unrecht immer wieder neues Unrecht stiftet. Die fünf Schwestern, alle gemeinsam eingesperrt, gleichermaßen unglücklich, belauern einander, beobachten und bespitzeln sich, sie bestehlen einander, denunzieren einander gar, jede neidet der anderen das kleinste bisschen erträumte Freiheit. Als Adela sich heimlich ihr grünes Kleid anzieht, wenige Minuten am Tag nicht im Schwarz der alles überwuchernden Trauer verbringt, erntet sie von ihren Schwestern nur Spott und Verachtung und Gewalt. Es scheint, als seien die Schwestern sowohl Insassen ihres Gefängnisses als auch dessen strengste Wärter.
Andreas Kriegenburg zählt zu den prägenden Regisseuren des zeitgenössischen Theaters. BERNARDA ALBAS HAUS ist seine dritte Schauspielregie in Dresden.
Lorcas „Bernarda“ ist ein Stück über die Freiheit, über die Folter des Eingesperrtseins, darüber, wie Menschen in zu engen Kammern verbogen werden und am Ende am Verlust der Freiheit zerbrechen.
Aber es ist auch eine bittere Analyse, wie Systeme der Unterdrückung funktionieren, wie sie sich immer wieder selbst reproduzieren, wie immer wieder eine gequälte Seele ihren Schmerz auf eine andere überträgt, wie Unrecht immer wieder neues Unrecht stiftet. Die fünf Schwestern, alle gemeinsam eingesperrt, gleichermaßen unglücklich, belauern einander, beobachten und bespitzeln sich, sie bestehlen einander, denunzieren einander gar, jede neidet der anderen das kleinste bisschen erträumte Freiheit. Als Adela sich heimlich ihr grünes Kleid anzieht, wenige Minuten am Tag nicht im Schwarz der alles überwuchernden Trauer verbringt, erntet sie von ihren Schwestern nur Spott und Verachtung und Gewalt. Es scheint, als seien die Schwestern sowohl Insassen ihres Gefängnisses als auch dessen strengste Wärter.
Andreas Kriegenburg zählt zu den prägenden Regisseuren des zeitgenössischen Theaters. BERNARDA ALBAS HAUS ist seine dritte Schauspielregie in Dresden.
Eine Art Tanztheater starker Emotionen, das man als Zuschauer gebannt verfolgt. Ein ästhetisch ausgefeiltes Bühnenkunstwerk, von der Hitze der Leidenschaften durchflossen.“
Eine Art Tanztheater starker Emotionen, das man als Zuschauer gebannt verfolgt. Ein ästhetisch ausgefeiltes Bühnenkunstwerk, von der Hitze der Leidenschaften durchflossen. Zu einem getragenen Soundtrack, meist von Geige oder Cello, breitet es sich ganz langsam vor uns aus, versetzt uns in einen Zustand ruhiger Betrachtung.
Was diesen Abend so beeindruckend macht: Er setzt nirgendwo auf Effekte, baut mutig auf das darstellerische Spiel, was im Großen und Ganzen ausgezeichnet gelingt.
Jede Figur erhält Gelegenheit, eigenen Charakter zu entwickeln, die eine häufiger, die andere seltener und eher ansatzweise. Besonders ausgiebig Mutter Bernarda Alba (Rosa Enskat): das graue Haar zum Zopf gestrafft, herbes, blasses Gesicht, der Mund ein Strich. Streng gegen alle, auch gegen sich selbst.“
Mögen die Frauen im Stück ohne Männer durchhängen, die acht Darstellerinnen tun es keineswegs. Über den dreistündigen Abend hinweg setzen sie hohe Energien frei.
Unter den Töchtern bleibt besonders die eifersüchtige Martirio im Gedächtnis, dargestellt von der furiosen Schauspielstudentin Nina Gummich.
Wie nah Eingesperrtsein und Ausbruchslust hier beieinander liegen, hat Kostümbildnerin Andrea Schraad eindrücklich in Kleider übersetzt. Den schwarzen Gewändern gab sie zwei Schlitze, durch die Damenhaut blitzt. Die Ritzen formen ein Kreuz wie jenes, an dem Jesus starb.
Toll gespielt, bildstark und sehr musikalisch auf die Bühne gebracht. Applaus für einen emotionalen Abend.“
Warum hat sich Andreas Kriegenburg das 1936 kurz vor Lorcas Ermordung durch eine Falange-Milizgruppe entstandene Stück, das in unserer durchsexualisierten Gesellschaft historisch anmutet, für Dresden ausgesucht? Lorca erzählt, so der Untertitel des Stücks, eine „Tragödie von Frauen in den Dörfern Spaniens“, in diesem Fall in Andalusien, wo sich eine Frau wie ein despotischer Patriarch aufführt. Wollte er daran erinnern, dass die Unterdrückung der Frauen so weit ging, dass sie sich sogar aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und unter Kontrolle der Nachbarn selber unterdrückten? Oder wollte er die Demütigung der Frauen im damaligen Spanien als durchaus christliche Praxis vorführen, fast bis zur Farce? Oder muss es gar nicht, vor allem wenn eine Inszenierung formal so konsequent und bis auf ein paar Längen spannend ist, um einen aktuellen Bezug gehen? Kriegenburg hat es jedenfalls zunächst einmal geschafft, uns ein altes Stück, das zum klassischen Theaterrepertoire gehört, mit den Mitteln seines avancierten Regietheaters nahezubringen.
Am Ende herrscht dann vor allem auf den oberen Rängen, wo die jungen Leute sitzen, die Intendant Wilfried Schulz für das Haus gewonnen hat, große Begeisterung. Kriegenburgs Lorca ist ein stattliches Stück Theater.“