Handlung
Er ist allmächtig, dieser Jupiter, der Gott der Götter, der Ranghöchste in der olympischen Ordnung. Nur eines ist ihm scheinbar nicht vergönnt: wahrhaftig zu lieben. Deshalb stattet er den Menschen einen Besuch ab: Er nimmt Amphitryons Gestalt an und schleicht sich in Alkmenes Bett und Herz. Der Götterbote Merkur tut es ihm gleich und gibt sich als Amphitryons Diener Sosias aus. Dieser Rollenraub führt zu äußerster Verwirrung. Die Figuren stecken im Strudel der Gefühle, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Die Komik dieser Kleistschen Verwechslungskomödie weitet sich schon bald zur tiefen Seins- und Identitätskrise aller aus. Alkmene weiß nicht mehr, wen sie liebt. Alkmenes „Ach!“ – das berühmteste „Ach!“ der Weltliteratur und die letzte Äußerung in „Amphitryon“ – drückt ihre totale existenzielle Ohnmacht aus.
Besetzung
Regie
Wolfgang Engel
Bühne
Olaf Altmann
Kostüme
Musik
Licht
Michael Gööck
Dramaturgie
Amphitryon / Jupiter
Alkmene
Paula Skorupa
Charis
Sosias
Merkur
Martin Reik
Bei Kleist heißt es, die beiden Diener ähneln sich in Wuchs und Wesen bis aufs Haar. Engel macht sich einen Spaß daraus und zeigt das Gegenteil. Der falsche Sosias des Martin Reik ist ein dicker Genussmensch, der echte des Philipp Lux ein langer Asket. Das Publikum hat seine Freude dran. Gespielt wird auf einer spartanisch eingerichteten Bühne in den trefflichen Kostümen von Zwinki Jeannée. Bühnenbildner Olaf Altmann hat eine Galerie von grauen Wänden entworfen, die von Szene zu Szene nach hinten rücken. Das Spiel der Darsteller wird durch die Schatten, die sie auf die Wände werfen, spiegelartig verdoppelt.
Die Inszenierung gewinnt dadurch an Dimension und Tiefe, verstärkt zugleich den Eindruck bedrohlicher Düsternis. Die tragischste Figur der Komödie ist Alkmene. Sie wird von den Gefühlen hinundhergerissen, agiert wie von Sinnen.
Die Doppelrolle Jupiter/Amphitryon vertraute die Regie Matthias Reichwald an. Das Wagnis gelingt. Der Schauspieler springt gekonnt von einer Figur in die andere.
Kleists Stück erschien 1807 in der Arnoldschen Buchhandlung Dresden, auf das Theater gelangte es erst 1899. Seitdem ist es von deutschen Bühnen nicht wegzudenken. Gut, dass es jetzt wieder in Dresden zu sehen ist.“
Die Bühne (Olaf Altmann) passt ihrerseits treffend zur reduzierten Inszenierung. Graue Zwischenwände, die im Verlauf des Stücks peu à peu nach oben gezogen werden, so dass die Spielfläche sich immer weiter vom Bühnenrand entfernt. Bis die letzte Wand langsam, ähnlich einer riesigen stilisierten Hand, die Figuren wieder auf die Zuschauer zuschiebt.
Lang anhaltender Premierenapplaus.“
Das Engels ‚Amphitryon‘ einer persönlichen Verzweiflung abgerungen sein muss, ist unverkennbar: Radikal reduziert ist seine Inszenierung, fokussiert allein auf den Text, in einem spartanischen Bühnenbild, das nur Grau kennt. Wenn alle wie von Sinnen hadern, fahren hinter ihnen die grauen Wände empor, nur um wieder neues Grau zu enthüllen. Das Kleistsche Chaos bekommt so eine beklemmende Note.
Es war die erklärte Absicht des Regisseurs, den Schwerpunkt auf den ernsthaften Gegenstand dieses ‚Lustspiels nach Molière‘ zu legen – freilich ohne die Ironie gänzlich auszusparen. Für diese heiteren Momente ist Philipp Lux als Sosias zuständig. Voll komödiantischer Lust ringt er mit dem groben Merkur (Martin Reik) und seinem Weib Charis (Ina Piontek), sorgt so für die Lacher.
Verwirrung und Irritation sind vollendet, wenn Engel Jupiter und Amphitryon mit einem überragenden Matthias Reichwald doppelt besetzt. Reichwald tobt, lässt seine Figuren wie von Sinnen nach sich selbst suchen. Er fragt ‚Wer bin ich?‘, bittet ‚Erklär mir, wer ich bin‘, fordert ‚Sag mir, wer ich bin‘ – und legt so den erschütternden Kern dieser Inszenierung offen. Famose Leistung.
Zum stürmischen Schlussapplaus betrat Wolfgang Engel die Bühne, mit vorsichtigen Schritten, an der Hand von Martin Reik. Die Freude über ein begeistertes Publikum sah man ihm an.“