Premiere 07.03.2015 › Schauspielhaus

Amerika

nach dem Roman von Franz Kafka
Theaterfassung von Pavel Kohout und Ivan Klíma
Auf dem Bild: Torsten Ranft, Benjamin Pauquet, Philipp Lux, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Jonas Friedrich Leonhardi, Benjamin Pauquet, Philipp Lux
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Jonas Friedrich Leonhardi, Benjamin Pauquet, Philipp Lux
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Torsten Ranft, Benjamin Pauquet
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Jonas Friedrich Leonhardi, Torsten Ranft
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Christian Clauß, Duran Özer, Thomas Schumacher, Jonas Friedrich Leonhardi, Benjamin Pauquet, Philipp Lux
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Christian Clauß, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Christian Clauß, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Christian Clauß, Jonas Friedrich Leonhardi, Duran Özer
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Benjamin Pauquet, Duran Özer, Thomas Schumacher, Philipp Lux, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Torsten Ranft, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Torsten Ranft, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Thomas Schumacher, Jonas Friedrich Leonhardi, Christian Clauß
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Philipp Lux, Thomas Schumacher, Torsten Ranft, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Jonas Friedrich Leonhardi, Thomas Schumacher
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Christian Clauß, Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Jonas Friedrich Leonhardi
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Jonas Friedrich Leonhardi, Duran Özer, Thomas Schumacher
Foto: David Baltzer
Auf dem Bild: Christian Clauß, Jonas Friedrich Leonhardi, Philipp Lux
Foto: David Baltzer

Handlung

Eingeladen zum Prager Theaterfestival deutscher Sprache 2015

„Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickt er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht“ – so beginnt Franz Kafkas „Der Verschollene“, besser bekannt unter dem Titel, den Max Brod seiner Edition des Romanfragments aus Kafkas Nachlass gab: „Amerika“.
Karl Roßmann „goes west“, und Karl Roßmann ist „on the road“. Aus diesen beiden Standardmythen amerikanischer Lebensläufe entwickelt Franz Kafka einen Bildungsroman der besonderen Art. Erzählt wird die Geschichte eines europäischen Emigranten, der sich im gelobten Land Amerika auf die Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft macht. Karl wird dabei allerdings nicht „vom Tellerwäscher zum Millionär“, sondern erst vom Neffen eines reichen Onkels zum Liftboy, dann zum Privatsklaven einer ausrangierten Opernsängerin. Als ihn am Ende das „Naturtheater von Oklahoma“ als Techniker anstellt, bleibt offen, ob er hier das ersehnte Gegenmodell zur kapitalistischen „Wolfsgesellschaft“ findet oder in die Fänge heimtückischer Ideologen gerät. Karls Reise durch die amerikanische Fremde, die Züge eines Stationendramas aufweist, ist eine Reise durch die Hügellandschaft der Moderne mit all ihren aberwitzigen Höhenkämmen und traurig-düsteren Talsohlen. Kafkas Roman, dessen Hauptfigur immer wieder durchaus chaplineske Züge trägt, erzählt vom amerikanischen Traum, seinen Schattenseiten und dem Kampf eines jungen Mannes gegen die Einsamkeit.

Besetzung

Regie
Wolfgang Engel
Bühne
Olaf Altmann
Kostüme
Nehle Balkhausen
Musik / Sound
Thomas Hertel
Dramaturgie
Simon Strauß
Karl Roßmann
Jonas Friedrich Leonhardi
Franz Butterbaum, ein Bekannter / Klara Pollunder / Therese Berchthold / Liftjunge / Student
Christian Clauß
Kapitän / Robinson, ein Ire / Ausrufer / Führer
Schiffsdiener / Delamarche, ein Franzose / Giacomo, ein Liftjunge / Beamter
Benjamin Pauquet
Herr Pollunder / Pensionswirtin / Kellner / Oberportier Feodor / Beamter
Duran Özer
Onkel Jakob / alter Diener / Oberköchin Grete Mitzelbach / Brunelda, eine Sängerin / Betrunkener
Heizer / Herr Green / Oberkellner Isbary / Polizist / der Personalchef
Thomas Schumacher

Video

Pressestimmen

„Eine sehr gelungene Ensembleleistung mit Witz und Spielfreude, die sich wunderbar ins Publikum überträgt. ‚Amerika‘ ist wirklich eine Glanzleistung!“
MDR Figaro, Stefan Petraschewsky
„Von Kohout/Klíma durchweg für männliche Darsteller vorgesehen, bietet es u. a. Ansätze für glänzende Travestien und Parodien, die der Regisseur mit Lust und Perfektion im besten Sinn umsetzen kann, nicht zuletzt dank der in jeder Hinsicht maßgeschneiderten Kostüme und bestens aufgelegter Schauspieler.“
Dresdner Neueste Nachrichten, Tomas Petzold
schließen
„Auf der von Olaf Altmann entworfenen Bühne ist Karl allerdings noch wie gefangen auf dem Schiff, dessen Bauch mit Deck und Schotten auch einem riesigen Bullauge gleicht - mit einem Fensterkreuz und filigranen Messinggeländern, deren Zweckmäßigkeit sich spätestens erweist, wenn sich das Gebilde als vertikale Drehbühne in Bewegung setzt und das Unterste zuoberst kehrt. Entsprechend fällt Karl buchstäblich von einem Dilemma ins andere, um den vergessenen Schirm zu retten, den Koffer einem Fremden zur Aufsicht überlassend, doch dann entflammt vom Unrecht, das hier anscheinend systematisch einem Heizer angetan wird.
Dies zu sehen ist nicht nur tragisch, sondern zugleich urkomisch, und so ist es vielleicht das Beste an Engels Inszenierung, dass er ein solch durchdringendes Gefühl für den universalen Witz entwickelt, der Kafkas Texten innewohnt und die scheinbar schiere Verzweiflung immer wieder aufbricht und durchleuchtet. … Von Kohout/Klíma durchweg für männliche Darsteller vorgesehen, bietet es u. a. Ansätze für glänzende Travestien und Parodien, die der Regisseur mit Lust und Perfektion im besten Sinn umsetzen kann, nicht zuletzt dank der in jeder Hinsicht maßgeschneiderten Kostüme (Nehle Balkhausen) und bestens aufgelegter Schauspieler. … Da kann man wohl von kafkaesk sprechen, aber insgesamt eigentlich nie im Sinne von rätselhaft, unverständlich oder gar gewollt intellektuell. Wie zuletzt immer ein bisschen weise analysiert Engel ganz unaufdringlich und bietet Kafka in einer deftigen, übersichtlichen Aufführung für jedermann. Großer Beifall.“
Tomas Petzold, Dresdner Neueste Nachrichten
„Jonas Friedrich Leonhardi als Karl spielt ein von naivem Gutglauben getriebenes Stehaufmännchen in einer Welt aus Egoismus, Falschheit, Gewalt und Betrug.“
Dresdner Morgenpost, Jörg Schneider
schließen
„Beim Auf und Ab müssen die Schauspieler teils akrobatische Kunststücke vollführen. Jonas Friedrich Leonhardi als Karl spielt ein von naivem Gutglauben getriebenes Stehaufmännchen in einer Welt aus Egoismus, Falschheit, Gewalt und Betrug. … Das Auf und Ab im Hamsterrad bietet ein zum Teil groteskes Panoptikum abgetakelter Bilder eines frühen Turbokapitalismus: mit Wattons aufgepolsterte fette Zigarre rauchende Bosse, gescheiterte Existenzen, versklavte Malocher, liebestolle Matronen … Die Groteske wird bis zum Slapstick (großartig: Torsten Ranft) getrieben. In bis zu fünf Rollen, einschließlich der weiblichen, glänzen außerdem Christian Clauß, Philipp Lux, Benjamin Pauquet, Duran Özer und Thomas Schumacher.“
Jörg Schneider, Dresdner Morgenpost
„Dieses viergeteilte Klettergerüst-Monstrum, von Olaf Altmann konzipiert, ist die überzeugendste Idee in der Inszenierung von Wolfgang Engel. Dieses Rad ist Maschine, Riesenfernrohr und Hamsterrad zugleich, und es verquirlt das Ensemble kräftig.“
Sächsische Zeitung, Sebastian Thiele
schließen
„Vor uns steht der kleine, brav gescheitelte Karl mit Unschuldsmiene und im Anzug inmitten eines gigantischen Rades. Dieses viergeteilte Klettergerüst-Monstrum, von Olaf Altmann konzipiert, ist die überzeugendste Idee in der Inszenierung von Wolfgang Engel. Passend zum Thema des Fragments gibt das Rad an einer Stelle den Blick frei zur leeren Hinterbühne, wo sich alsbald ästhetische Zerrbilder aus Licht und Schatten abzeichnen werden. Weit öffnet sich der Spielraum für Assoziationen: Dieses Rad ist Maschine, Riesenfernrohr und Hamsterrad zugleich, und es verquirlt das Ensemble kräftig.
Karls Stationendrama ist eine nicht erklärbare Maschine der Demütigungen. Um dem Ganzen nun besonders das Groteske herauszupressen, hat Wolfgang Engel alle Frauenrollen männlich besetzt. Das ist nicht neu, funktioniert aber. Prächtig tauchen diese lüsternen und zwiespältigen Mannweiber die Szenerie in anrüchiges Licht. Wenn Christian Clauß als Therese vor Karl vom Tod der Mutter erzählt, kann das sogar sehr berührend sein. Hingegen für die derbe, fleischige Frauengewalt ist Torsten Ranft genau der Richtige. Die Oberköchin Grete spielt er perfide und wuchtig zugleich. Aber als übergewichtige Sängerin, die Karl in ihre Watton-Fettfalten zwingt und dabei vom Zigeunerjungen trällert, gelingt ihm die tollste Nummer. Auch die Akrobatik von Thomas Schumacher als fetter Herr Green begeistert. Kostümbildnerin Nehle Balkhausen durfte gleich mehrere Figuren dick verpacken.“
Sebastian Thiele, Sächsische Zeitung
„Jonas Friedrich Leonhardi ist ein rasant naiver, ein elanbeseelter Karl Rossmann, dem rasch die Schweißperlen des Rackergemüts von der Stirn sprühen. Es hat eine rührende Motorik, wie er von Aufgabe zu Aufgabe rennt (strampelt, klettert, rutscht), sich reißt an den Klippen der Selbstaufgabe und doch Stehaufjungchen bleibt.“
Neues Deutschland, Hans-Dieter Schütt
schließen
„Jonas Friedrich Leonhardi ist ein rasant naiver, ein elanbeseelter Karl Rossmann, dem rasch die Schweißperlen des Rackergemüts von der Stirn sprühen. Es hat eine rührende Motorik, wie er von Aufgabe zu Aufgabe rennt (strampelt, klettert, rutscht), sich reißt an den Klippen der Selbstaufgabe und doch Stehaufjungchen bleibt. Das Glück des Hamsters. Torsten Ranft wühlt sich mit komödiantischer Heftigkeit in sechs Rollen, brilliert mit Kunstbusen und frappierenden Stimmverkleidungen, ein glanz- und lustvoller Neurotiker der Verwandlungskasperei. Kafka ganz gaga. In Kostümen, die Nehle Balkhausen zwischen immer wieder verrutschender Anzugsordnung und zirzensischem Putz ansiedelt, zwischen Gossenschmutz und Gaukelflitter.“
Hans-Dieter Schütt, Neues Deutschland

Der Geruch von Veroneser Salami

Der Schriftsteller Jochen Schmidt schreibt über seinen Lieblingskafka
Im August 1989 saß ich auf den Stufen einer Prager Kirche, als Landstreicher verkleidet, was damals die Mode der Aufsässigen war, und versuchte, Franz Kafkas Erzählungen zu lesen, in einer DDR-Reclam-Ausgabe, die ich in einer Prager Buchhandlung ergattert hatte, denn zu Hause war das Bückware. Leider war ich von der Lektüre vollkommen überfordert, da mir die nötige Reife fehlte. Andererseits war es eine schöne Zeit, weil die Literatur das Leben noch nicht ersetzt hatte, ich war ja gerade praktisch ohne Essen durch die Karpaten gewandert und erlebte eine historische Situation, den Zusammenbruch des Ostblocks. Aber statt diesen Prozess aufmerksam zu beobachten, las man Kafka, aus eskapistischen Gründen, weil seine vermeintliche Verweigerung von Sinn eine Provokation war in einer Zeit, in der es verboten war, am höheren Sinn unserer gesellschaftlichen Entwicklung zu zweifeln, Nonsens war Sabotage.

Abends beim Einschlafen zählte ich gewöhnlich keine Schäfchen, sondern stellte mir immer wieder meine abenteuerliche Ausreise in den Westen vor, spektakuläre Fluchtversuche oder Entführungen, und eine triumphale Ankunft bzw. das Scheitern in dieser unmenschlichen Welt jenseits der Mauer, die so viele Verlockungen bot, aber jeden kleinen Fehler unbarmherzig bestrafte. Sollte man bleiben oder sollte man gehen? Was wäre, wenn? Die Frage, die sich heute viele Menschen nur noch in Bezug auf ihre Ehe stellen, drehte sich damals für große Massen um das Auswandern. Und heute lese ich „Amerika“ und frage mich, warum ich damals nicht gesehen habe, wie gut Kafkas Text zu meiner Situation passte. Der Roman ist eine Genugtuung für jeden Autor, der zum Stubenhockerdasein neigt, denn er beschreibt das, was das Leben zum Abenteuer macht, nämlich eine Reise ohne die Möglichkeit einer Rückkehr, und er erspart es gleichzeitig seinem Autor, diese Reise antreten zu müssen, denn das noch größere Abenteuer, das größte überhaupt, ist ja das Schreiben.

Aber das ist alles schon viel zu sehr vom Inhalt her gedacht, das Großartige an Kafka ist ja die Ausführung. Jemand, der in einem Brief eine Selbstmordvision beschreibt, bei der er sich selbst durch ein Treppenhaus fallen sieht, „kopfschüttelnd vor Ungeduld“, weil der Sturz offenbar zu lange dauert, bewegt sich auf einer höheren Ebene von Humor. Kafka ist ein Slapstickautor, der nicht zu erwähnen vergisst, dass die Kleidung in Karls Koffer tagelang vom Geruch einer mit eingepackten Veroneser Salami durchtränkt ist. Oder wenn es von einem Slowaken auf dem Schiff heißt: „Aber kaum war die Nacht gekommen, erhob er sich von Zeit zu Zeit von seinem Lager und sah traurig zu Karls Koffer hinüber.“ Wer hätte je einen Dieb traurig auf sein künftiges Diebesgut schauen lassen?
Was muss man von Amerika wissen, um es zu beschreiben? Kafka kennt nur Gerüchte, wie dass Gefahren „besonders von den Irländern den Neuankömmlingen in Amerika drohen“. Amerika, das ist neueste Technik: Man wohnt in Häusern aus Eisen, duscht unter einem Sieb, das sich über die ganze Länge und Breite der Wanne spannt, schreibt an einem Schreibtisch mit einer Kurbel, über die sich verschiedene Aufsätze und Ablagen umgruppieren lassen, ständig wird telefoniert, der Telegrafensaal der Firma des Onkels ist größer als der von Roßmanns Vaterstadt, das Grüßen in den großen Firmen ist aus Zeitgründen abgeschafft, Frauen nötigen einen mit Jiu-Jitsu ins Bett, bei Tisch wird fast rohes Fleisch verzehrt, man trinkt eine „schwarze Flüssigkeit, die im Halse brennt“ (mit anderen Worten Coca Cola), und stützt dabei die Ellbogen auf. Wer etwas werden will, arbeitet tagsüber, studiert nachts auf dem Balkon und hält sich mit schwarzem Kaffee wach, schlafen kann man nach dem Examen. Es habe Neuankömmlinge gegeben, die „tagelang auf ihrem Balkon gestanden und wie verlorene Schafe auf die Straße hinuntergesehen hätten“.

Es ist ein Amerika, wie ich es aus einer Geschichte in den „Lustigen Taschenbüchern“ kenne. Onkel Dagobert besucht einen amerikanischen „Kollegen“, dessen Ländereien und Gebäude unüberschaubar sind. Die Eingangstür seines Anwesens ist ein Trapez, oben breiter als unten, bei der Ausgangstür ist es umgekehrt, denn selbst stolze Besucher wie der reiche Dagobert kommen mit einem großen Kopf und verlassen das Haus gebückt und voll Demut angesichts der unfassbaren Reichtümer und Dimensionen.

Wäre es mir im Westen auch so gegangen? Ein reicher Onkel nimmt mich auf und stellt mich in seiner Firma an, ich enttäusche ihn und werde verstoßen, die Geheimtasche im Rockfutter nützt mir nichts, in der ersten eigenen Stellung werde ich gemobbt und rausgeworfen, zweifelhafte Reisebegleiter hängen sich an mich (wie bei „Pinocchio“), ich werde eingesperrt und als Sklave missbraucht. Und immer wenn ich „den Erwachsenen“ etwas erklären will, selbst den Wohlwollendsten, komme ich nicht zu Wort und sie glauben mir nicht (wie bei „Alfons Zitterbacke“).

Die Wirklichkeit war schneller. Die Einschlaffantasie, in den Westen zu gehen und dort als Redner im Bundestag für Furore zu sorgen, hat bei mir einer anderen Fantasie Platz gemacht, mir durch mein Schreiben im Jenseits einen Platz im selben Trompetenensemble zu erarbeiten, in dem dort auch Kafka tätig ist: „Karl erhoffte sich in der ersten Zeit viel von seinem Klavierspiel und schämte sich nicht, wenigstens vor dem Einschlafen an die Möglichkeit einer unmittelbaren Beeinflussung der amerikanischen Verhältnisse durch dieses Klavierspiel zu denken.“

Jochen Schmidt, geboren 1970 in Berlin, studierte Informatik, Germanistik und Romanistik. Schmidt ist Mitbegründer der Berliner Lesebühne „Chaussee der Enthusiasten“ und verfasst regelmäßig Kolumnen für verschiedene Tageszeitungen. Nach TRIUMPHGEMÜSE (2000), MÜLLER HAUT UNS RAUS (2002), SCHMIDT LIEST PROUST (2008), WELTALL. ERDE. MENSCH (2010) und DUDENBROOKS (2011) erschien 2013 der Roman SCHNECKENMÜHLE, dessen Bühnenadaption in der Regie von Robert Lehniger am Staatsschauspiel Dresden uraufgeführt wurde.