Premiere 11.09.2011 › Kleines Haus 1

Woyzeck (2011)

nach Georg Büchner
von Tom Waits, Kathleen Brennan, Robert Wilson
Auf dem Bild: Ina Piontek, Thomas Eisen, Antje Trautmann, Mathias Bleier, Tom Quaas, Sebastian Wendelin, Matthias Luckey, Sonja Beißwenger
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Sonja Beißwenger, Matthias Luckey, Tom Quaas
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ina Piontek, Tom Quaas, Sebastian Wendelin
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Ina Piontek
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Matthias Luckey, Thomas Eisen, Antje Trautmann
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Matthias Luckey, Sebastian Wendelin, Ina Piontek, Mathias Bleier, Thomas Eisen, Antje Trautmann
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Ina Piontek
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Sonja Beißwenger
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Tom Quaas, Ina Piontek
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Matthias Luckey, Sebastian Wendelin, Ina Piontek
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Thomas Eisen, Ina Piontek
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Ina Piontek, Sebastian Wendelin, Sonja Beißwenger
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Antje Trautmann
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Sonja Beißwenger
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Sonja Beißwenger
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sonja Beißwenger, Sebastian Wendelin
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sebastian Wendelin, Mathias Bleier
Foto: Matthias Horn

Handlung

Woyzeck liebt Marie, mit der er ein uneheliches Kind hat. Um seine Familie zu ernähren, schlägt er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und stellt seinen Körper für medizinische Experimente zur Verfügung, die seine körperliche und geistige Gesundheit gefährden. Woyzeck hört immer öfter unheilvolle Stimmen und versucht täglich, die Demütigungen und die Willkür seiner Vorgesetzten zu ignorieren, denen er als einfacher Soldat ausgeliefert ist. Doch als Marie sich mit dem Tambourmajor einlässt, nehmen Wut, Schmerz und Einsamkeit überhand. Im Fieberwahn der Eifersucht lässt Woyzeck sich von seinen inneren Stimmen leiten und richtet sich gegen seine Liebste.
Für Büchners berühmtes Fragment über „das Leben des Geringsten“ von 1837 hat der große Melancholiker Tom Waits mit Texterin Kathleen Brennan wunderbar raue und doch zarte Songs komponiert, die erstmals 2002 in der Kopenhagener Inszenierung von Robert Wilson zu hören waren. Entstanden ist eine zeitlose musikalische „Woyzeck“-Version, die die Sehnsüchte und die Lebensgier der Figuren aus Büchners Text in schrägen, schönen und sehr eigenen Songs aus dem Waits’schen Kosmos direkt auf die Bühne bringt. Das singende Ensemble wird von einer Band mit renommierten Dresdner Musikern unterstützt.

Besetzung

Regie
Sandra Strunz
Musikalische Leitung und Einstudierung
Hans-Jörn Brandenburg, Thomas Mahn
Bühne
Volker Hintermeier
Kostüme
Su Bühler
Dramaturgie
Beret Evensen
Licht
Björn Gerum
Franz Woyzeck
Sebastian Wendelin
Marie
Ina Piontek
Hauptmann
Doctor
Matthias Luckey
Tambourmajor
Tom Quaas
Andres
Mathias Bleier
Margreth
Antje Trautmann
Karl, ein Idiot
Sonja Beißwenger
Piano, Harmonium, Keyboard
Hans-Jörn Brandenburg
Piano, Harmonium, Keyboard alternierend
Banjo, Gitarre, Posaune
Dieter Fischer
Bass, Tuba
Tom Götze
Trompete, Violoncello, Mundharmonika
Christoph Hermann
Holzblasinstrumente
Friedemann Seidlitz
Percussion, Marimbaphon
Georg Wieland Wagner

Video

Gedanken der Regisseurin

Der Fall W.

Die Regisseurin Sandra Strunz im Gespräch mit der Dramaturgin Beret Evensen über Georg Büchners „Woyzeck“
Georg Büchners Textfragment aus dem Jahr 1836 wird seit 175 Jahren regelmäßig gespielt, diente als Opernlibretto und wurde unter anderem mit Klaus Kinski verfilmt. Was reizt Sie an der Geschichte des Soldaten Woyzeck und seiner Braut Marie?
Sandra Strunz: Georg Büchner erzählt eine universelle Geschichte mit einer Problematik, die es überall auf der Welt zu allen Zeiten geben wird. Woyzeck ist der Underdog in einer streng hierarchischen Welt, der mühsam versucht, seine Position in diesem System zu behaupten, und der für die Seinen sorgen will. Irgendwann fällt er in eine Erschöpfung und begehrt schließlich auf. Woyzeck rächt sich exakt dort, wo das System sich ihm am schwächsten zeigt – bei seiner Frau, seinem Allerliebsten. Dabei ist Woyzeck eigentlich ein intelligenter, hellsichtiger Mann, der die Welt mehr durchdringt und der mehr sieht – im wörtlichen Sinne – als seine Umgebung. Er ist ein sensibler Mensch, seine Reaktion auf den ihn umgebenden Irrsinn erscheint adäquat, trotzdem gilt er am Schluss als der Wahnsinnige. Woyzeck erfährt im Verlauf des Stückes eine Wahrnehmungsverschiebung, die fatal wirkt. Es ist spannend zu beobachten, wie das Opfer zum Täter wird, wie ein Opfer eben nicht nur Opfer sein kann.

Sie haben sich für die „Woyzeck“-Bearbeitung von Tom Waits entschieden. Geht man als Regisseurin an eine solche Musiktheatervorlage anders heran? Was ist das Besondere an Waits‘ Songs?
Die Begegnung eines knapp 200 Jahre alten Textes im süddeutschen Dialekt der einfachen Leute mit den Songs eines Jazz-Superstars aus den usa ergibt eine Spannung, die nicht zu leugnen ist. Büchner und Waits befruchten sich gegenseitig, obwohl das Leid der Figuren – oberflächlich gesehen – in der Musik erst mal eher leicht daherkommt. Auf den zweiten Blick birgt diese Kombination jedoch eine Dimension in sich, die den Abgrund, der in der Geschichte liegt, auf einer anderen, musikalisch-emotionalen Ebene noch verstärkt. Diese Horizonterweiterung muss man in der Arbeit nutzen.

Büchners Fragment ist in einem provinziellen militärischen Milieu angesiedelt. In welcher Welt wird Ihr Woyzeck spielen? Gibt es etwas, was Sie in der Vorbereitung auf die Proben besonders inspiriert hat?
Mir geht es eher um das manipulierte und instrumentalisierte Dasein der menschlichen Existenz. Bei mir hat der „Woyzeck“ Assoziationen mit der Epoche des deutschen Expressionismus hervorgerufen, etwa mit den Welten des Otto Dix. Büchner war in seiner Beschäftigung mit der Zerrissenheit des Individuums zwischen Arbeit und Privatem seiner Zeit um mindestens 100 Jahre voraus. Damit hat der Text etwas Überzeitliches, und die Inszenierung braucht deshalb weniger eine konkrete geografische oder soziologische Verortung als eine bestimmte Atmosphäre der Verlassenheit, der Einsamkeit und der Verrohung der menschlichen Umgangsformen. Büchner erzählt von der Ausgesetztheit eines Individuums in einem System. Woyzeck und seine Seele leuchten in einer apokalyptischen Wüste wie ein kleines, schwaches Licht, kurz bevor es von einem Sturmwind ausgepustet wird.
Büchner kritisierte die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit, indem er den einfachen Soldaten Woyzeck zum Spielball der Mächtigen werden ließ. Fällt es heute in der Beschäftigung mit dem Stoff leicht, festzulegen, wer gut und böse, wer Täter und Opfer ist?
Nein. Aber auch bei Büchner ist das nicht so einfach. Auch für uns heute ist es nicht so spannend, einfach nur die Geschichte eines Opfers zu erzählen. Die Lesarten von Büchners „Woyzeck“ können sehr unterschiedlich sein, der Regisseur Michael Thalheimer hat ihn beispielsweise vor einigen Jahren als Massenmörder inszeniert. Mich interessiert hingegen der schmale Grat dazwischen, die Ambivalenz zwischen Opfer und Täter. Heutzutage ist – leider und zum Glück – eine klare Positionierung nicht mehr ohne Weiteres möglich. Die Aufgabe liegt eher darin, dass jeder selber entscheiden und urteilen muss, was richtig ist und was falsch. Da kann man durchaus schon mal überfordert sein.

Ist Woyzeck ein Ausgelieferter, ein Psychopath, ein eifersüchtiger Killer?
Das ist eine Frage der Perspektive. Würde man nur die Fakten des Falles Woyzeck in der Zeitung lesen, wäre es einfach, ihn als psychopathischen Killer abzustempeln. Wenn man hingegen die Perspektive Woyzecks einnimmt, ihn begleitet und zu verstehen versucht, wird es schon schwieriger, ein eindeutiges Urteil zu fällen. Das ist die Macht der Nähe, die aus der Beschäftigung mit einem Individuum resultiert. Woyzeck ist alles – Mörder, Opfer, Psychopath, Verletzter. Das Urteil, das seine Umgebung über ihn fällt, ist das wesentliche Kriterium, das dann die „gültige“ Realität schafft und Konsequenzen nach sich zieht. Keine der möglichen Beurteilungen ist erst mal zwingend, aber jedes Urteil, zu dem man sich entschließt, hat zwingende Konsequenzen.