Mit größter Anteilnahme haben wir erfahren, dass Wolfgang Engel, Regisseur, Schauspieler und Intendant, gestorben ist. Er war einer der großen Regisseure der DDR und hat über Jahrzehnte das gesamte deutsche Theater mitgeprägt. Wolfgang Engel wurde 81 Jahre alt. Das Staatsschauspiel Dresden, dessen Ehrenmitglied er ist, zählte zu den wichtigsten Stationen seiner Bühnen-Karriere.
1943 in Schwerin geboren, arbeitete Engel zunächst als Bühnenarbeiter am Schweriner Theater. Fortan ließ ihn das Theater nicht mehr los. Nach erfolgreicher Bühnenreifeprüfung arbeitete er als Schauspieler, Regieassistent und inszenierte später schließlich selbst. Wolfgang Engel wurde Spielleiter in Radebeul, war am Berliner Theater der Freundschaft engagiert und galt in der DDR-Theaterszene als Geheimtipp.
1980 holte Horst Schönemann, Leiter des Schauspiels, den unbekannten Wolfgang Engel als Regisseur aus Berlin nach Dresden in sein Team. Mit Horst Schönemann, Klaus Dieter Kirst, Wolfgang Engel und ab 1983 mit Intendant Gerhard Wolfram begann für das Staatsschauspiel Dresden eine neue Ära. Zuvor war es ästhetisch als auch politisch nicht durch Wagemut aufgefallen. Neben der DDR-Erstaufführung von Samuel Becketts WARTEN AUF GODOT (1987), inszenierte Wolfgang Engel am Staatsschauspiel Dresden Klassiker wie Schillers MARIA STUART (1980), Hebbels NIBELUNGEN (1984), Kleists PENTHESILEA (1986), Goethes FAUST (1990), deren subversive Aktualität Theater-Pilger der gesamten DDR nach Dresden lockte. Inszenierungen von ihm waren ab den 80er Jahren aber auch auf westdeutschen Bühnen zu sehen.
In Saarbrücken stand 1983, 1984 und 1986 je eine Dresdner Engel-Inszenierung auf dem Programm. 1988 begeisterten seine NIBELUNGEN dann in Düsseldorf, wo sie „als eine andere Form der Aufarbeitung deutscher Geschichte“ gefeiert wurden. Jahre später sagte Engel, die Zeit in Dresden sei beruflich die wichtigste seines Lebens gewesen.
In einem weiteren Interview für den MDR sagte er, dass er „immer den Kern der Stücke suche für heute“. Beim FAUST am Staatsschauspiel Dresden mit Probenbeginn 1989 überschlugen sich politisch die Ereignisse: Das FAUST-Projekt musste immer wieder neu und anders geprobt werden, weil es von der Realität der Zeit eingeholt wurde, zeitweise war das Proben für Engel unmöglich.
In wohl größter Erinnerung bleibt in Dresden seine klar verfasste Resolution, die Wolfgang Engel aus vielen einzelnen Stimmen seines Kollegiums damals zusammengeschrieben hatte. Eine Aufforderung an den Staat, die am 6. Oktober 1989 erstmals von den Schauspielern und Schauspielerinnen verlesen wurde. „Wir treten aus unseren Rollen heraus. Die Situation in unserem Land zwingt uns dazu.“ Mit diesen Worten begannen die Schauspieler*innen ihre Resolution vorzutragen. Sie forderten u. a. ein Recht auf Information, Dialog und selbständiges Denken. Lüge und Schönfärberei hätten nichts in den Medien zu suchen. „Wir haben die Pflicht, von unserer Partei- und Staatsführung zu verlangen, das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen.“ Groß war also auch seine Fähigkeit, jederzeit das Gefühl zu vermitteln, etwas ändern zu können.
Bis 1991 blieb Wolfgang Engel am Staatsschauspiel Dresden und ging nach Stationen als Gast in München und Zürich anschließend als Hausregisseur an das Schauspiel Frankfurt am Main. Später kehrte er regelmäßig als Gast nach Dresden zurück, brachte u. a. Tellkamps DER TURM zur Uraufführung (2010), inszenierte Bulgakows DER MEISTER UND MARGARITA (2012), DER DRACHE von Jewgeni Schwarz (2013), Karl Kraus’ DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHEIT (2014), Lessings NATHAN DER WEISE (2015) und zuletzt Kleists AMPHITRYON (2017). Alles Inszenierungen des großen Theatermachers, die dem Publikum in Erinnerung geblieben sind und bleiben werden, ebenso wie Engels großes Herz, seine Integrität, Aufrichtigkeit, Leidenschaftlichkeit und sein Engagement.
Von 1995 bis 2008 war Wolfgang Engel Intendant des Schauspiels Leipzig. Dort sorgte er vor allem mit einem siebenstündigen FAUST und einem achtstündigen WALLENSTEIN – für Aufmerksamkeit und ausverkaufte Vorstellungen.
1999 erhielt Wolfgang Engel das Bundesverdienstkreuz, 2011 wurde er mit dem Theaterpreis DER FAUST für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Den Nationalpreis der DDR hatte er 1989 nicht angenommen.
„Ich persönlich habe Wolfgang Engel und seine Arbeit Mitte der 80er Jahre im Rahmen eines deutsch-deutschen Theateraustausches kennen und schätzen gelernt. Er war aber nicht nur einer der wichtigsten Regisseure der DDR, der auch mit seinem politischen Engagement stark das Profil des Staatsschauspiels Dresden geprägt hat. Er war als Theatermacher und -leiter eine prägende Persönlichkeit der gesamtdeutschen Theaterlandschaft der 80er, 90er und Nullerjahre. Er wird uns fehlen. Ich werde ihn vermissen. Mein tiefes Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und Freunden“, so Joachim Klement, Intendant des Staatsschauspiels Dresden.